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„Bankkunden suchen Orientierung“

Ethisch-ökologische Fonds

„Bankkunden suchen Orientierung“
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Windkraft © Martin Vonka - Fotolia.com
Mit Geld die Welt verbessern: Georg Schürmann, Geschäftsführer der Triodos Bank Deutschland, über sonderbare Schutzklauseln und die Notwendigkeit eines Qualtitätssiegels für nachhaltige Fonds.

Fotolia_15801667_XS_250.jpgnatur: Herr Schürmann, derzeit arbeiten das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) sowie die gemeinnützige Carlo-Stiftung an einem Qualitätssiegel für Nachhaltigkeitsfonds. Ist ein solches Siegel für alternative Geldanlagen aus Ihrer Sicht notwendig?
Schürmann: Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist nicht eindeutig definiert, jeder versteht etwas anderes darunter. Von daher suchen Anleger nach Orientierung. Und ein Siegel könnte ihnen diese geben.

Kann ein Anleger denn nicht heute schon sicher sein, dass auch überall Nachhaltigkeit drin ist, wo Nachhaltigkeit drauf steht?
Da kann es durchaus zu Überraschungen kommen. In Deutschland gehen wir davon aus, dass in einem nachhaltigen Fonds keine Atomenergie gelistet ist. Wenn ein Fonds aber aus einem Land wie Frankreich kommt, wo Atomenergie ganz anders eingestuft wird, dann mag da Nachhaltigkeit drauf stehen, aber trotzdem Atomenergie drin sein.

Welche Unternehmen sind in Nachhaltigkeitsfonds zu finden?
Das kommt ganz auf die Konzepte an. Viele Fonds haben sehr einfache, sogenannte Best-in-Class-Ansätze. Man schaut also in jeder Branche, wer aus ökologischer Sicht zur besseren Hälfte gehört. Deshalb werden zuweilen auch Autofirmen, Fluglinien und, wie schon gesagt, AKW-Betreiber aufgenommen.

Bedeutet das, dass beim Best-in-Class-Ansatz die Besten genommen werden, selbst wenn die Branche insgesamt wenig nachhaltig ist?
Genau das. Einem Anleger kann ich deshalb nur empfehlen, immer auf Ausschlusskriterien zu achten. Da werden zum Beispiel Atom- oder Kohleenergie ausgeschlossen, gentechnisch veränderte Lebensmittel oder Kinderarbeit.

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Eine Studie im Auftrag der Grünen zeigt, dass in nachhaltigen Fonds sogar Hersteller von Kampfhubschraubern und Maschinenpistolen zu finden sind. Wie ist es möglich, dass die Anbieter da keine Grenzen ziehen?
Ein Grund ist der Best-in-Class-Ansatz. Aber auch bei Ausschlusskriterien gibt es oft Schwellengrenzen. Da werden zuweilen kritische Geschäftstätigkeiten toleriert, wenn sie weniger als fünf Prozent des gesamten Unternehmensumsatzes ausmachen. Das ist eine Art Schutzklausel. Denn bei großen Konzernen immer auszuschließen, dass irgendeine Unterbeteiligung nicht doch die Kriterien tangiert, das ist mit einem vertretbaren Aufwand eigentlich nicht möglich.

Für einen Großkonzern wie Siemens oder General Electric sind doch fünf Prozent eine riesige Größe. Da geht es um Milliardenumsätze …
Das ist richtig. Deshalb gehen die Fonds-Betreiber mit diesem Thema sehr unterschiedlich um. Viele haben Toleranzschwellen. Einige praktizieren sogar eine Null-Toleranz-Politik. Das genau ist das Spannungsfeld, in dem sich die Nachhaltigkeitsfonds bewegen: Manche legen die Kriterien so fest, dass sie große Konzerne ins Portfolio aufnehmen können. Bei sehr strengen Fonds ist das kaum denkbar. Dort findet man weder einen Siemens-Konzern noch ein Bergbauunternehmen oder einen Atomstromanbieter.

Kann ein Nachhaltigkeitssiegel die Spreu vom Weizen trennen?
Ich glaube, dass es in jedem Fall Orientierung verschafft. Vergleichbar dem EU-Siegel bei Bio-Lebensmitteln. Und es hilft nicht nur dem Kunden, sondern ebenfalls dem Anlageberater, ein geeignetes Anlageprodukt auszuwählen.

Wann wird das Siegel kommen?
Darüber können wir nur spekulieren. Ich schätze mal, dass es durchaus noch ein, zwei Jahre dauert.

Was empfehlen Sie bis dahin Ihren Kunden?
Es gibt als Orientierungshilfe das Transparenz-Logo von Eurosif, dem europäischen Fachverband für nachhaltige Geldanlagen. Finanzprodukte mit diesem Siegel sagen wenigstens, welche Kriterien angewendet werden. Dann müssen entweder der Anlageberater oder der Investor nachschauen, welche Ausschlusskriterien die jeweiligen Fonds haben und die einzelnen Firmen unter die Lupe nehmen. Eine andere Möglichkeit existiert nicht.

Inwieweit hilft es in Sachen Nachhaltigkeit bei meinen Geldgeschäften, zu einer alternativen Bank zu wechseln?
Eine ganze Menge. Zunächst weiß der Kunde, dass sein Geld nur in Kredite im nachhaltigen Sektor vergeben wird. Bei uns heißt das, dass mit dem Geld ausschließlich Projekte in den Bereichen Umwelt, Soziales, Kultur und Bildung finanziert werden. Unsere Kunden erzielen deshalb eine positive Wirkung für die Gesellschaft – und erhalten so gesehen eine doppelte Rendite. Einmal für die Gesellschaft, dann für sich selbst: Denn wir bieten auch eine ganz normale Verzinsung. Mit der Wahl einer alternativen Bank kann jeder etwas zum Positiven verändern.

Kann ein Kunde bei einer alternativen Bank mit einer vergleichbaren Verzinsung rechnen wie bei einer normalen Bank?
Ich kann jetzt nur für unser Haus sprechen: Wir orientieren uns am Marktdurchschnitt und bieten eine marktübliche Verzinsung. Was wir und die anderen nachhaltigen Banken allerdings nicht haben, das sind Lockvogelangebote mit horrenden Zinssätzen. Aber wozu das führt, das hat uns die Finanzkrise ja gelehrt.

In Deutschland sind nur 230 000 Bürger Kunden bei einer der vier alternativen Banken. Bei 66 Millionen Erwachsenen ist das sehr wenig. Woran liegt das nach Ihrer Einschätzung?
Nachhaltiges Banking befindet sich in Deutschland noch immer in einer Nische. Uns hat das überrascht. Wir sind jetzt seit drei Jahren auf dem deutschen Markt und dachten, dass das Thema bekannter wäre. Wir sehen inzwischen: Eigentlich weiß kein Mensch, dass es nachhaltiges Banking gibt. Wir arbeiten deshalb intensiv daran, den Menschen klarzumachen, dass sie eine Alternative zu traditionellen Banken haben. Im vergangenen Jahr kamen immerhin 35  000 Neukunden bei den vier Nachhaltigkeitsbanken dazu. Damit bewegen wir uns in die richtige Richtung.

Was passiert, wenn man bei der Geldanlage nur auf gute Zinsen achtet?
Mit dem Festgeld oder mit Sparguthaben wird vielleicht gerade das gemacht, was die Bürger eigentlich gar nicht wollen. Möglicherweise finanzieren sie mit ihrem Geld ein neues Kohlekraftwerk oder Atomstrom. Das ist den wenigsten Menschen bewusst. Da hat jemand vielleicht Öko-Strom und kauft Bio-Lebensmittel – mit seinem Geld finanziert er aber Dinge, die er ablehnt und die in keiner Weise zu seinem Lebensstil passen.

Das Interview führte Horst Hamm.

nk0313Siegelfonds_150.jpgZum Gesprächspartner
Georg Schürmann leitet seit Juli 2009 als Geschäftsführer die Triodos Bank Deutschland. Zuvor war er 20 Jahre bei der Deutschen Bank tätig. Die Triodos Bank stammt aus den Niederlanden und finanziert ausschließlich ethisch-ökologische Geldanlagen und Bankdienstleistungen. Das Kreditinstitut, gegründet 1980, ist heute die größte alternative Bank Europas. Der Triodos Groenfonds steht im Natur-Aktien-Index (NAI), der von unserem Magazin natur entwickelt wurde. Neben Triodos gibt es die GLS Bank in Bochum, die EthikBank im thüringischen Eisenberg und die Umweltbank in Nürnberg.

Hintergrund
Der Markt für ökologische Geldanlagen wächst zwar rasant, aber auf niedrigem Niveau: Rund 380 Nachhaltigkeitsfonds existieren zurzeit in Deutschland; allein im ersten Halbjahr 2012 sind nach Recherchen des Wirtschaftsmagazins enorm 40 neue Fonds hinzugekommen. Sie umfassen 63 Milliarden Euro und damit elf Prozent mehr als im Vorjahr. Gleichwohl fristen ethische Fonds ein Nischendasein: Ihr Anteil am Markt reicht kaum über ein Prozent hinaus. Doch die alternativen Geldhäuser bieten zunehmend Möglichkeiten: vom Girokonto über Sparpläne und Investmentfonds bis zur Altersvorsorge.

Das Interview erschien in natur 03/2013.
Foto ganz oben:
Windkraft © Martin Vonka – Fotolia.com
Foto unten:
Georg Schürmann credit: Alex Otto

© natur.de – Horst Hamm
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