Licht aus – Spot an! Im gleißenden Scheinwerferlicht betritt die Sängerin die Bühne, greift zum Mikrofon, lächelt ins Publikum und beginnt nach den ersten einführenden Akkorden der Band zu singen. Doch statt des erwarteten Hits ist nur ein heiseres Krächzen zu hören. Schuld daran ist nicht eine schlimme Erkältung, sondern Lampenfieber – ein Phänomen, das nach Schätzungen mehr oder weniger jeder zweite Berufsmusiker kennt. Doch während manche nur ein Prickeln vor dem Auftritt spüren, das sie sogar anspornt, ist die Nervosität bei anderen karrieregefährdend. Sänger treffen den Ton nicht, die Bogenhand von Geigern beginnt zu zittern, und die schweißnassen Hände der Gitarristen „schwimmen“ auf dem Griffbrett der Instrumente.
Ein Beispiel für die verheerende Wirkung, die Lampenfieber haben kann, ist die deutsche Sängerin Annette Humpe. Bei der 60-jährigen ehemaligen Frontfrau der Gruppe „Ideal“ und jetzigem Teil des Duos „Ich + Ich“ sind die Symptome inzwischen so stark, dass sie seit Jahren nicht mehr öffentlich auftreten kann.
Die Psychologen Déirdre Mahkorn und Martin Landsberg vom Universitätsklinikum Bonn haben jetzt die erste „ Lampenfieber-Ambulanz“ Deutschlands gegründet. „Die Ursachen für Lampenfieber sind bei fast allen Musikern gleich“, erklärt Mahkorn. „Es sind leistungsorientierte Perfektionisten, die mit sich selbst zu streng sind und im Rückblick über jeden Fehler hadern.“ Dadurch entstehe ein Teufelskreis: Das Scheitern wird im Kopf vorweggenommen. Das verstärkt wiederum die Angst vor dem Auftritt, die oft mit Alkohol und Drogen bekämpft wird.
Mahkorn und Landsberg erkunden bei jedem Patienten zunächst genau die Ursache, die für das Lampenfieber verantwortlich ist. Dann erstellen sie ein Persönlichkeitsprofil und lassen die Musiker ein Angst-Tagebuch führen. Spezielle Entspannungsübungen sollen die Symptome zusätzlich lindern. „Ein solches Angebot gab es für Musiker in Deutschland bisher nicht“, sagt Landsberg. Rund 40 Patienten haben sich schon zur Therapie angemeldet. Ob Annette Humpe dabei ist, ist nicht bekannt – Anonymität ist höchstes Gebot. Das geht sogar so weit, dass die Termine der Musiker so gelegt werden, dass sie sich nicht begegnen können.
Redaktion: Hans Groth, nachrichten@bild-der-wissenschaft.de