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Ego in der Handtasche

Gesellschaft|Psychologie

Ego in der Handtasche
Manche Menschen fühlen sich besser, wenn sie Markenprodukte besitzen. Was steckt dahinter?

Klein, braun und chic baumelt die „Petit Noé“ über der Schulter – und das ikonenhafte LV-Monogramm signalisiert: „Ich habe viel Geld gekostet.“ Doch was genau bewegt eine Frau in dem Louis-Vuitton-Geschäft am Neuen Wall in Hamburg dazu, für dieses Handtäschchen 805 Euro hinzublättern? Und hat eine US-Amerikanerin die gleichen Gründe, wenn sie in der New Yorker Filiale auf der 5th Avenue dafür ihre Kreditkarte zückt?

Darauf wollte Jaehee Jung eine Antwort finden. In einer aktuellen Studie hat die Professorin für Mode und Bekleidung von der University of Delaware in Newark die Motivation für den Erwerb eines Luxusguts untersucht. „Wir haben über 1000 Studenten in 10 Ländern zu dem Thema befragt“, erklärt die Expertin für Konsumverhalten, die speziell junge Verbraucher als Testpersonen wählte. Sie wollte eine homogene Gruppe in Bezug auf Alter, Status und Kaufkraft haben. „Zwar hatten viele von ihnen ähnliche Beweggründe, doch es zeigten sich auch deutliche kulturelle Unterschiede je nach Herkunft der Befragten“, berichtet Jung.

Kauf Dich Glücklich

US-Amerikanern geht es meist um den Genuss. „Der Verbraucher in den USA gönnt sich einen Luxusartikel für die Selbsterfüllung“ , erklärt Jung. „Nur selten geht es darum, anderen damit zu gefallen.“ Dies gelte generell in westlichen Kulturen, auch in Schwellenländern wie Brasilien und Indien. Die Louis-Vuitton-Handtasche hat hier also schlicht die Aufgabe, ihre Trägerin glücklich zu stimmen.

Dieses Gefühl streben zwar auch japanische Käuferinnen an, aber nur weil sie mit jenem Accessoire zu einer bestimmten Gruppe gehören. In östlichen Kulturen in das Gemeinschaftsgefühl besonders stark. In westlichen Kulturen zählt dagegen mehr das Inidividuum, und es gibt weniger Zwänge, sich im Freundeskreis oder bei der Arbeit in die Gemeinschaft einzufügen.

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Die französischen Befragten hatten noch eine zusätzliche Motivation für den Erwerb eines Luxusprodukts: Sie schätzten seine Exklusivität und den hohen Preis. Sie machten Aussagen wie „ Luxusware kann keine Massenproduktion sein“ und „Nur wenige Menschen besitzen ein echtes Luxusgut“. Für Jung ist das keine Überraschung: „Viele Luxusgüter kommen aus Frankreich. Kulturelles Erbe und Stolz mögen bei Franzosen zur Einstellung führen, dass Luxuswaren nichts für jedermann sind.“

Was die Hamburgerin angeht: Sie kauft das Handtäschchen hauptsächlich deshalb, weil es ihr auf die Qualität und die Funktion ankommt – gut und praktisch muss es sein! Auch Kundinnen aus Italien öffnen aus diesem Grund ihren Geldbeutel, ergab Jungs Studie.

Ob nun teuer oder nicht – warum sind bestimmte Marken überhaupt so beliebt bei den Verbrauchern? „Harley Davidson, Cartier und Nike sind populär, weil sie ein gewisses Image vermitteln“, sagt Deborah Roedder-John, Marketing-Forscherin an der University of Minnesota. Sie fand jüngst heraus: Die Konsumenten hoffen, dass sich dieses Image auf sie überträgt und ihren Gemütszustand ändert – selbst wenn sie das Produkt nur kurz benutzen. Etwa ein Kugelschreiber: War darauf das Logo der Elite-Universität MIT eingraviert, fühlten sich die Probanden, die ihn erhalten hatten, während des sechswöchigen Testzeitraums „ intelligent“, „fleißig“ und als „Führungspersönlichkeit“, ergab eine Studie von Roedder-John. Das Gefühl blieb auch, als die Probanden nach einem Mathetest erfuhren, dass sie schlecht abgeschnitten hatten. Dieses verbesserte Selbstwertgefühl stellte Roedder-John bei der Vergleichsgruppe, die lediglich weiße Standard-Kugelschreiber erhalten hatte, nicht fest.

Auch andere Eigenschaften einer Marke können sich auf den Verbraucher übertragen: Wer sich so „glamourös“, „weiblich“ und „ sexy“ wie ein Model von „Victoria’s Secret“ fühlen möchte, braucht dazu nicht einmal einen teuren BH des exquisiten Dessousherstellers. Es genügt, eine Einkaufstasche mit dem typischen Schriftzug herumzutragen. „Wir hätten auch Tiffany oder Sephora nehmen können, aber bei Victoria’s Secret ist die Marken-Persönlichkeit sehr stark. Zudem sind diese pinkfarbenen Tüten auffälliger als die von anderen Firmen“, erklärt die Marketingexpertin.

Eine Tüte gegen Müde Beine

Und so staffierte Roedder-John eine Gruppe von Frauen mit jenen pinkfarbenen Papiertaschen aus und schickte sie für mindestens eine Stunde durch ein Einkaufszentrum. Statt hinterher über müde Beine zu klagen, gaben sie an, sich deutlich „ weiblicher“ und „glamouröser“ zu fühlen als zuvor. Taschenträgerinnen aus der Vergleichsgruppe, die den Schaufensterbummel mit schlichten pinkfarbenen Tüten ohne Markenaufdruck gemacht hatten, stellten hinterher keinen Unterschied in ihrem Gemütszustand fest.

Doch diese simplen „Ego-Booster“ funktionieren nicht bei jedem. Bevor die Wissenschaftlerin die Taschen und Kugelschreiber verteilte, hatte sie mithilfe von psychologischen Fragebögen die Persönlichkeit der Testpersonen ermittelt – und sie in zwei Gruppen eingeteilt: eine mit „veränderlicher“ und eine mit „ fester“ Selbsteinschätzung. Hinterher stellte Roedder-John fest: Glamouröser fühlten sich nur die Frauen, „die meinten, dass ihre Persönlichkeit nicht durch ihre Bemühungen zu ändern sei“. Sie besaßen demnach ein festes Selbstbild. Sie wären gern glamouröser, das gelingt ihnen aber nicht aus eigener Kraft, sondern sie brauchen dazu die Ausstrahlung einer Marke. Und dafür reicht schon eine Einkaufstasche mit dem richtigen Schriftzug.

Zum gleichen Ergebnis kam Deborah Roedder-John bei dem Kugelschreiber-Experiment: Nur die Testpersonen, die ein festes Selbstbild hatten, fühlten sich mit dem Stift der Elite-Uni besser, denn sie glaubten, dass sich die Eigenschaften der Marke auf sie übertragen würden.

Wer umgekehrt überzeugt ist, seine Persönlichkeit beeinflussen zu können, fühlt sich auch mit einem Kugelschreiber nicht schlauer oder mit einer bestimmten Tüte nicht attraktiver – und kann so viel Geld sparen. ■

von Desirée Karge

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