Einsamkeit kann krank machen. Doch was bestimmt, ob sich ein Mensch einsam fühlt und sozial isoliert lebt? Eine Studie zeigt nun: Offenbar spielen auch die Gene eine Rolle dabei. Die Forscher fanden gleich 15 Stellen im Erbgut, die sich möglicherweise auf unser Gefühl der Einsamkeit auswirken. Demnach scheint die Anfälligkeit dafür zumindest teilweise vererbbar zu sein.
Der Mensch ist ein soziales Wesen: Fehlt uns die Interaktion mit anderen, wirkt sich das negativ auf unser Wohlbefinden aus. Denn Einsamkeit drückt nicht nur auf die Stimmung. Sie bedeutet echten Stress und kann uns anfälliger für psychische Leiden wie Depressionen machen. Darüber hinaus wirkt sich die soziale Isolation auch körperlich aus. So werden einsame Menschen häufiger krank und altern auch schneller als Menschen mit einem stabilen Sozialleben. Doch was bestimmt, ob jemand am sozialen Leben teilnimmt oder isoliert lebt – könnten neben sozioökonomischen Faktoren zum Beispiel auch die Gene eine Rolle spielen? „Die negativen Gesundheitsfolgen von sozialer Isolation und Einsamkeit sind allseits bekannt. Wenig wissen wir dagegen über mögliche biologische Determinanten“, schreiben John Perry von der University of Cambridge und seine Kollegen.
Teilweise vererbbar
Um dies zu ändern, haben die Wissenschaftler nun im Erbgut von rund 450.000 britischen Probanden nach einer möglichen Antwort gesucht. Die Teilnehmer hatten für ein großes Forschungsprojekt nicht nur ihre genetischen Informationen zur Verfügung gestellt, sondern auch diverse Fragen beantwortet. Unter anderem gaben sie an, wie einsam sie sich im Alltag fühlten, wie häufig sie mit anderen Menschen interagierten und von welcher Qualität diese Zusammentreffen waren – hatten sie beispielsweise einen Freund, dem sie sich voll und ganz anvertrauen konnten? Auf Basis dieser Daten untersuchte das Forscherteam: Gab es einen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Einsamkeit und bestimmten Genvarianten?
Es zeigte sich: Variationen an einigen Stellen im Erbgut schienen tatsächlich mit einer erhöhten Anfälligkeit für soziale Isolation in Verbindung zu stehen. Konkret identifizierten Perry und seine Kollegen 15 solcher Genorte. Ihren Berechnungen zufolge bedeutet das, dass diese Gene immerhin 4,2 Prozent unserer Einsamkeit bestimmen – Einsamkeit scheint somit zumindest teilweise vererbbar zu sein. Darüber hinaus fanden die Wissenschaftler eine Reihe weiterer Genvarianten, die mit der Teilnahme an bestimmten sozialen Aktivitäten in Zusammenhang stehen: Geht jemand beispielsweise regelmäßig ins Fitnessstudio, in den Sportverein, die Kneipe oder die Kirche?
Zusammenhang mit Übergewicht?
Der Arm der Einsamkeits-Gene reicht dabei offenbar erstaunlich weit, wie die Auswertung offenbarte. So schien sich diese biologische Prädisposition auch auf Faktoren wie depressive Symptome und Übergewicht auszuwirken. Denkbar wäre allerdings ebenfalls, dass die entsprechenden Gene Übergewicht und Depressionen fördern und dies dann wiederum zu Einsamkeit führt. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass es einen genetischen Zusammenhang zwischen sozialer Isolation und der kardiometabolischen sowie der mentalen Gesundheit gibt“, schreibt das Forscherteam. Alles in allem deutet die Studie ihnen zufolge auf eine genetische Basis für Einsamkeit und damit zusammenhängende Gesundheitsfolgen hin. Weitere Studien müssten die nun aufgedeckten Korrelationen jedoch bestätigen – und überprüfen, ob es sich hierbei tatsächlich um kausale Zusammenhänge handelt, schließen sie.
Quelle: John Perry (University of Cambridge) et al., Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-018-04930-1