Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 8,90€/Monat!
Startseite »

Es ist Zeit für eine europäische Umweltorganisation

Saatgut und Wasserversorgung in der EU

Es ist Zeit für eine europäische Umweltorganisation
Fotolia_42756837_XS_250.jpg
Europa © Aleksandar Mijatovic - Fotolia.com
In der EU wird aktuell heftig um zwei Entscheidungen gerungen, die beide ökologische Fragen betreffen: Es geht um eine neue Saatgut-Verordnung und – indirekt – um die Zukunft der Wasserversorgung. Dass es jedoch zu den Debatten kam, ist erstaunlicherweise weniger großen Umweltorganisationen zu verdanken, als aufmerksamen Bürgern und spezialisierten Verbänden. Auf die Dauer sollte man aber nicht ausschließlich auf die spontane Intelligenz der Massen setzen.

In den vergangenen Monaten zeigte sich das gleich an zwei Beispielen, bei denen die großen Umweltverbände eigentlich laut hätten aufheulen müssen: Zuerst ging es um eine neue Richtlinie zur Ausschreibung von öffentlichen Aufträgen. Eine Konsequenz wäre gewesen, dass unsere Wasserversorgung deutlich leichter hätte privatisiert werden können. Und dann begann fast zeitgleich ein Streit um eine neue Verordnung zum Saatgut. Zunächst war offenbar sogar geplant, dass Hobbygärtner künftig nicht mehr Samen ihrer Wahl verkaufen und tauschen dürfen. Seltene Obst- und alte Gemüsesorten wären mit der Zeit aus unseren Gärten verschwunden.

Die EU ist bei beiden Themen zurückgerudert: Der Wasser-Sektor soll aus der Richtlinie zur öffentlichen Auftragsvergabe herausgenommen werden. Und was die Saatgut-Verordnung angeht: Hobbygärtner sollen weiter alles anpflanzen dürfen, was sie wollen.

Dass die EU ihre Pläne aufgeweicht hat, ist im Wesentlichen nicht den großen Umweltverbänden zu verdanken, sondern wachsamen Bürgern und spezialisierten Anbauverbänden – vor allem deutschen. Sie verstehen nicht nur, was in der EU debattiert wird, sondern organisieren auch Petitionen wie die Kampagne rights2water, mischen sich in die Debatten ein und gründen virtuelle Stammtische, an denen kenntnisreich argumentiert wird.

Man kann dieses durchaus anarchistische Unterschriftensammeln als eine basisdemokratische Errungenschaft feiern. Als Intelligenz der Massen. Allerdings findet Politik in der EU nicht in einem luftleeren Raum statt, wo jede Frage erst in Ruhe und aller Offenheit debattiert wird. Vielmehr versuchen die globalen Unternehmen mit ihren Legionen von Lobbyisten auf jede Verordnung einen Einfluss zu nehmen. Und das Jahre bevor eine Richtlinie überhaupt der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Deshalb sind Petitionen wie bei der Wasserversorgung oder beim Saatgut auf längere Sicht nur Nadelstiche gegen die Industrie. Selbst wenn sich Europas Bürger mit Erfolg kurzfristig sammeln, so haben sie auf längere Sicht kaum eine Chance gegen die organisierten Interessen.

Anzeige

Die Umweltorganisationen sind auf dem europäischen Augen bestenfalls kurzsichtig. Für sie ist Brüssel der Herr Tar Tar, den man besser meidet. Sie kümmern sich erfolgreich um Nationales oder um Globales. Europäische Debatten haben sie zu wenig im Blick und werden zu wenig kommuniziert – und dass obwohl jedes zweite Gesetz eines nationalen Parlamentes auf einen Beschluss in Brüssel zurückzuführen ist. Und selbst wenn Europa mal eine Rolle spielt, dann nur, weil ein Beschluss besondere Auswirkungen auf ein Land hat.

Ein Grund ist klar: Spenden lassen sich leichter für konkrete Projekte auftreiben; und Mobilisierung funktioniert viel besser im bekannten Rahmen, also dem Nationalstaat. Ein anderer Grund ist ebenfalls offenkundig; und er verweist auf ein strategisches Dilemma: Während es in Deutschland noch starke Umweltgruppen gibt, die durchaus auch in Brüssel präsent sind, so gilt dies weniger für Gruppen aus Italien, Griechenland oder Irland. Dabei zeigen die Konflikte um Wasser und Saatgut, dass wir eine europäische Umweltorganisation brauchen, die systematisch hinschaut und rechtzeitig warnt – und eben nicht nur die Bürger in Deutschland aufweckt.

Foto © Aleksandar Mijatovic – Fotolia.com

© natur.de – Dirk Liesemer
Anzeige
natur | Aktuelles Heft
Reizvolle Regionen
Aktueller Buchtipp

Anzeige
Serie: Hervorragend – Junge Menschen und ihr Engagement
Wissenschaftslexikon

Dot|ter|sack  〈m. 1u; Biol.〉 beim Embryo der Wirbeltiere blasenartiger Darmanhang mit dem Dotter als Ernährungsorgan

Bun|des|kar|tell|amt  〈n. 12u; Rechtsw.〉 Bundesbehörde, die für die Einhaltung der Wettbewerbsvorschriften zuständig ist

Ta|ges|kas|se  〈f. 19〉 Kasse (am Theater, Kino), bei der man für den gleichen Tag sowie für die nächsten Tage Eintrittskarten lösen kann

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige