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Jung und ausgezeichnet

Gesellschaft|Psychologie

Jung und ausgezeichnet
bdw präsentiert die Top 10 der jungen deutschen Forschungsszene

Sie arbeiten still und effektiv. Ihr Denken wird das Denken der nächsten Jahrzehnte prägen, und die Qualität ihrer Forschungsergebnisse soll den Wirtschaftsstandort Deutschland sichern. Die Rede ist von Deutschlands erfolgreichsten und vielversprechendsten Jungforschern. Aber trotz ihrer Bedeutung kennt sie außer ein paar Fachkollegen kaum jemand.

Dieser Missstand hat bild der wissenschaft nicht ruhen lassen. Darum holt die Redaktion die Forschungsstars dorthin, wo sie hingehören: ins Rampenlicht. Zusammen mit Deutschlands bedeutendsten Forschungsorganisationen („Wie findet man die Top 10?“ auf Seite 43) hat bdw die aktuellen Spitzenreiter der jungen deutschen Forschungsszene gekürt.

Entdeckt haben wir dabei eine interessante Mischung an Charakterköpfen. Drei Forscher fielen uns besonders auf:

• Ein Mann, der weiß, was einzelne Metallatome bei einem Autocrash tun, mit 34 Jahren Max-Planck-Direktor wurde und inzwischen fast alle bedeutenden deutschen Forschungspreise eingesammelt hat.

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• Ein nur 27 Jahre alter Astronom – der jüngste unserer Starparade –, der errechnen kann, was Billiarden Kilometer von uns entfernt bei einem Zusammenprall von zwei Schwarzen Löchern geschieht.

• Eine ungewöhnliche Frau, die ausgerechnet in der Männer dominierten Computerwelt ihren Kollegen gezeigt hat, wie man eines der größten Probleme beim Software-Entwickeln beseitigen kann.

Sie und die anderen sieben Spitzenforscher stellen wir Ihnen auf den folgenden Seiten in Kurzporträts vor.

Janine Drexler

Der Arzthelfer

„Es ist eine schöne Bestätigung, wenn man nach langer Arbeit das Gefühl hat, etwas Sinnvolles zu tun“, meint Roland Thewes (42), Leiter einer Forschungsabteilung beim Chiphersteller Infineon in München. Gemeinsam mit Rainer Hintsche vom Fraunhofer-Institut für Siliziumtechnologie und Walter Gumprecht von Siemens hat er einen Biochip entwickelt, der Diagnosen elektronisch erfasst. Bislang müssen Chips optisch abgelesen werden. Der neue Chip ist kostengünstiger und robuster als seine optischen Gegenstücke – und soll sogar in Krankenwagen eingesetzt werden. Die drei Forscher erhielten dafür den Zukunftspreis des Bundespräsidenten.

Was hat der Preis bei Ihnen verändert?

Ich habe mich selbstverständlich gefreut, bin aber nicht unter einem Schwall von Gefühlen begraben worden. Der Preis ist eine wirklich sehr schöne Bestätigung für das, was wir getan haben, aber war sicher nicht das Ziel unserer Arbeit.

Sind Familie und Karriere für Sie vereinbar?

„Papa, gehst du schon wieder auf Dienstreise?“, kriege ich öfter mal zu hören. Es ist schon eine Herausforderung, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, aber es klappt einigermaßen. Ich bin meiner Frau sehr dankbar, dass sie das ermöglicht.

Was war Ihr Berufswunsch als Kind?

Musiker. Sowohl in der Musik als auch in der Forschung spielen Kreativität und Disziplin eine große Rolle.

Was sind Ihre Stärken und Schwächen?

Stärken? Unter anderem Ausdauer – und Leitung sowie Aufbau guter Teams. Schwächen? Da müssen Sie meine Mitarbeiter fragen.

Der Goldschmied

„Mich fasziniert, dass es einen Zusammenhang zwischen dem menschlichen Geist und der Natur gibt – und dass dieser Zusammenhang so nützlich ist. Es ist schön, wenn man ganz konkret Sachen berechnen kann, die man dann in der Natur wirklich findet“ , sagt Filipp Furche (30), Habilitand an der Universität Karlsruhe am Institut für Physikalische Chemie. Er entwickelt quantenchemische Methoden und Computerprogramme, mit denen sich Elektronenspektren von Molekülen vorhersagen oder Geometrien von größeren Molekülen wie Goldclustern berechnen lassen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft zeichnete den Chemiker für diese Arbeiten mit dem Heinz-Maier-Leibnitz-Preis aus.

Was hat der Preis bei Ihnen verändert?

Auf meinem Konto hat sich auf jeden Fall einiges geändert und auch an meiner Einstellung. Ich bin ein Mensch, der auf Bestätigung angewiesen ist, die ich durch diesen Preis erhalten habe.

Gab es Pleiten, Pech und Pannen?

Es kann schon ein wenig frustrierend sein, wenn man morgens aufsteht und eine brillante Idee hat, die sich dann nach einigen Tagen Arbeit doch als Flop erweist. Aber anders funktioniert das nun mal nicht. Wenn von zehn Ideen eine übrig bleibt, ist das eine gute Rate.

Sind Familie und Karriere für Sie vereinbar?

Ich wäre momentan ein ganz schlechter Familienvater. Ich bin viel zu sehr Idealist, um Kompromisse einzugehen. Das kann sich aber noch ändern. Im Moment steht eine Familie ganz klar hinter der Forschung zurück – Forschung ist mir einfach wichtiger.

Was war Ihr Berufswunsch als Kind?

Ich wurde in der Schule immer als „Professor“ bezeichnet, das war quasi mein Spitzname. Bevor ich in die Schule kam, hatte ich schon einen Chemiebaukasten, und später, während der Schulzeit, habe ich mir zu Hause ein eigenes Labor eingerichtet, in dem ich zusammen mit einem Freund experimentiert habe.

Der Fischfreund

„Es sind zwei Dinge, die mir am meisten Spaß machen: Die Freude daran, neue Zusammenhänge zu entdecken und die Arbeit im Freiland. Ich finde es einfach faszinierend, die Welt neu sehen zu lernen“, sagt Boris Worm (35), Assistant Professor am Institut für Biologie der Dalhousie University in Halifax/Kanada. Der Meeres-Biologe untersucht, wie sich industrielle Fischereitechniken auf das marine Ökosystem auswirken. Er wies erstmals nach, dass die Zahl der Raubfische in weit höherem Maße abgenommen hat, als man bisher annahm. Für diese Untersuchungen bekam der Biologe den Heinz-Maier-Leibnitz-Preis.

Wie erging es Ihnen in der Schule?

Gemischt, ich versuchte immer aus allem das Beste zu machen. Das Schlimmste war die Langweile bei manchen Lehrern – und das frühe Aufstehen. Ich habe mir geschworen, selbst niemals langweiligen Unterricht zu machen. Mathe war mein schlechtestes Fach. In der 6. Klasse wollte meine Klassenlehrerin mich auf die Realschule versetzen wegen „nicht zu behebendem Mangel an Begabung für die Naturwissenschaften“. Hätten meine Eltern nicht interveniert, würden Sie mich heute wohl nicht interviewen.

Was war Ihr Berufswunsch als Kind?

Ich wollte schon immer „irgendetwas mit Tieren“ machen.

Gab es Pleiten, Pech und Pannen?

Einmal sind Grundeln, solche kleinen Meeresfische, in meine Unterwasserkäfige eingedrungen und haben ihre Eier auf den Messflächen abgelegt – und die Eier haben sie dann mit Zähnen und Flossen gegen mich verteidigt.

Persönliche Stärken und Schwächen?

Ich hasse Computer, obwohl ich ständig mit ihnen arbeiten muss – aber ich liebe das Leben und alles Lebendige.

Was sind Ihre Zukunftswünsche?

Ich möchte eine gute Balance zwischen Arbeit und Privatleben finden, meine Freude an der Wissenschaft an Studenten weitergeben und aktiv zum Schutz der Meere beitragen.

Ohne Titel

Mit stolz geschwellter brust nimmt der Forscher den Preis entgegen, bedankt sich bei Stiftern und Mitarbeitern. Hände werden geschüttelt, Kameras blitzen, Journalisten lauern auf ein Interview – aus dem Labor ins Rampenlicht. Eine solche Ehrung wartet nur auf wenige der engagierten Forscher, die meisten arbeiten mehr oder minder im Verborgenen, abseits der breiten Öffentlichkeit. Dennoch: Die Zahl der Wissenschaftspreise, die in Deutschland jedes Jahr an herausragende Forscher verliehen werden, ist enorm. Etwa 2500 sollen es mittlerweile laut Schätzungen von Dieter Herrmann – Initiator des Handbuchs der Wissenschaftspreise – sein, und jährlich kommen neue dazu. Für Außenstehende ist es eine verwirrende Vielzahl. Erscheinen sie zunächst doch alle recht ähnlich – mit Ausnahme des berühmten Nobelpreises natürlich.

Was wirklich hinter einer Auszeichnung steckt – der Mensch, die Forschung – erreicht den Zeitungsleser, wenn überhaupt, oft nur am Rande. In den Schlagzeilen tauchen meist nur die Namen der älteren Wissenschaftler auf, die bereits bekannt sind. Es sind jedoch vor allem die Nachwuchswissenschaftler, die mit herausragenden Erkenntnissen der Wirtschaft dauerhaft neuen Schwung bringen. Vielleicht ist manch einer davon gar ein Nobelpreisträger von morgen.

Doch woher will man wissen, welche Wissenschaftspreise wirklich wichtig sind? Wie will man sie abgrenzen, ohne sich lediglich auf das Preisgeld zu verlassen? Welche der gekrönten Forscher sollte man im Auge behalten? Diese Fragen hat sich auch die Redaktion von bild der wissenschaft gestellt.

Bei den großen Forschungseinrichtungen und den Gremien, die alle Jahre wieder die Preise vergeben, haben wir uns auf die Suche nach Antworten gemacht. Insgesamt baten wir 18 verschiedene deutsche Wissenschaftseinrichtungen um ihre Einschätzung, angefangen beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über Institutionen wie Max-Planck und Fraunhofer bis hin zu den Fachgesellschaften. Auch die Bundesärztekammer und der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V. gaben ihr Statement ab. Im Vordergrund standen Preise für Nachwuchswissenschaftler. Sechs Preise, die ihrer Meinung nach am wichtigsten sind, durften die Präsidenten und Vorstandsmitglieder benennen. Die Liste auf Seite 39 zeigt die Ergebnisse der Umfrage.

Anhand dieser Top 10 hat bild der wissenschaft die 10 vielversprechendsten Forscher, die das Alter von 45 noch nicht erreicht haben, für das Jahr 2005 gekürt und porträtiert – als Mensch, als Forscher, als Hoffnungsträger der Wissenschaft.

Ohne Titel

„Es macht großen Spaß, ein Produkt zum kommerziellen Einsatz zu führen und zu sehen, wie sich die Dinge entwickeln“, findet Markus Ortsiefer (34), technischer Direktor und Mitbegründer der VERTILAS GmbH. Der Grundpfeiler der GmbH ist ein Laser, den der Physiker während seiner Promotion entwickelte und der Impulse über 100 Kilometer weit senden kann – statt der üblichen 300 Meter. Gemeinsam mit seinem Doktorvater Markus Christian Amann erhielt Ortsiefer dafür den Karl-Heinz-Beckurts-Preis.

Was fasziniert Sie an der Wissenschaft?

Am meisten fasziniert es mich, die Grundlagen der Natur zu begreifen, auf denen alles aufbaut.

Was sind Ihre Zukunftswünsche?

Da ich die Firma selbst ins Leben gerufen habe, möchte ich gerne den Laser, den wir herstellen, weiterentwickeln und die Firma an die Spitze bringen.

Haben Sie noch Zeit zum Forschen?

Ja, ich stehe noch sehr viel im Labor.

Was war Ihr Berufswunsch als Kind?

Sobald ich mir als Kind realistische Vorstellungen von der Naturwissenschaft machen konnte, wollte ich Forscher werden.

Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?

Diese Frage habe ich mir selber schon oft gestellt. Ich denke, dass es einfach eine Kombination aus den richtigen Rahmenbedingungen, Beharrlichkeit, Zielstrebigkeit, Intuition und persönlicher fachlicher Qualifikation ist. Und Glück braucht man natürlich auch – man muss die richtigen Leute zur richtigen Zeit treffen.

Die Siegelbrecherin

„Ich liebe es, die Natur zu befragen – ihr über die Forschung gewissermaßen auf die Finger zu gucken“, sagt Petra Schwille (37), Professorin für Biophysik an der Universität Dresden. Sie entwickelte ein Verfahren, mit dem man einzelne Biomoleküle unter dem Mikroskop beobachten kann. Die Biophysikerin untersucht vor allem das Zusammenspiel der Moleküle in den Zellen, denn „Zellen sind immer noch ein Buch mit sieben Siegeln“. Für ihre Forschungen bekam Petra Schwille den Philip-Morris-Forschungspreis.

Was hat der Preis bei Ihnen verändert?

Ich bin immer nur kurzfristig auf etwas stolz, wenn ich etwas erreicht habe oder ein Experiment klappt. Dann kommt immer irgendwann die Ernüchterung. Dennoch bin ich sehr zufrieden.

Sind Familie und Karriere für Sie vereinbar?

Ich bin verheiratet und habe ein kleine, knapp einjährige Tochter. Das Problem ist, dass mein Mann zurzeit noch in Göttingen wohnt und wir eine Wochenendbeziehung führen. Das macht wirklich keinen Spaß! Aber ich hoffe, dass sich das bald ändert.

Was war Ihr schlechtestes Fach?

Politik habe ich gehasst – das Hick-Hack und Geschachere habe ich nie verstanden. Ich glaube, Naturwissenschaftler leiden besonders darunter, wenn es keine klare Linie gibt. Meine Schulzeit im Schwäbischen – die achtziger Jahre – waren eine recht politische Zeit. Ich konnte es nie nachvollziehen, dass meine Mitschüler auf die Straße gegangen sind, um zu demonstrieren. Meine Sympathie für Politik kam erst, als ich Mitte zwanzig war.

Was sind Ihre Stärken und Schwächen?

Ich bin verlässlich und diszipliniert, das gibt mir einen Vorteil gegenüber manch genialeren Leuten. Ich bin krankhaft pünktlich und ungeduldig – es kann durchaus schon mal vorkommen, dass ich jemand anderen anrufe, wenn bei meiner Sekretärin besetzt ist, und ihr ausrichten lasse, dass sie jetzt sofort auflegen soll. Ich laufe Amok, wenn was nicht sofort funktioniert.

Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?

Nur gut zu sein reicht nicht. Man muss sich gut organisieren und verkaufen können. Den zerstreuten Professor kann man sich erst leisten, wenn man bereits Professor ist.

Der Rätsellöser

„Rätsel zu lösen, ist für mich eine intellektuelle Herausforderung. Probleme anzupacken, für die man seit Jahrzehnten keinen Ausweg finden konnte – das weckt meinen Ehrgeiz“, sagt Karl Christoph Klauer (43), Professor für Sozialpsychologie in Freiburg. Er studierte in Aachen, Oxford und Hamburg Mathematik und Psychologie. Innerhalb von fünf Jahren erwarb er in beiden Fächern sein Diplom, mit 33 Jahren bekam er seine erste Professur in der Psychologie. Klauer wendet neue mathematische Modellierungen auf altbekannte psychologische Fragestellungen an, etwa: Wie funktioniert das schlussfolgernde Denken? Für seine Arbeiten erhielt er den Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis.

Was hat der Preis bei Ihnen verändert?

Ich kann Projekte, die mich interessieren, entspannter und großzügiger angehen. Ein weiterer Punkt, der jedoch schwer fassbar ist: Man ist bekannter geworden, wird beispielsweise öfter um Gutachten gebeten oder interviewt.

Haben Sie noch Zeit zum Forschen?

Oh ja, es ist mir sehr wichtig, dass ich selbst noch experimentiere. Sonst würde mir die Arbeit keinen Spaß mehr machen.

Sind Familie und Karriere für Sie vereinbar?

Meine Frau ist auch berufstätig, zwar in einem ganz anderen Bereich, aber sie hat dennoch viel Verständnis für meine Arbeit. Unser erstes Kind kommt – wenn alles glatt geht – in einigen Monaten auf die Welt.

Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?

Man muss motiviert sein und Biss haben, manchmal auch ein Wochenende opfern.

Der Abwehrspezialist

„Mich fasziniert es, in Gebiete aufzubrechen, die bisher keiner entdeckt hat“, erklärt Klaus Pfeffer (43), Professor für Infektionsimmunologie und Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie an der Universität Düsseldorf. Der Mediziner identifizierte die Botenstoffe, die Alarm schlagen, wenn Tuberkulose-Bakterien in den Körper eindringen. Und er fand heraus, wie diese Botenstoffe Abwehrzellen aktivieren, die den Bakterien den Garaus machen. Seine Forschungen wurden mit dem Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis ausgezeichnet.

Was hat der Preis bei Ihnen verändert?

Die Preisverleihung war ein super Moment – reine Freude! Als ich den Anruf von der DFG erhielt, wusste ich erst nicht, worum es ging. Ich dachte zunächst, ich hätte ein Gutachten nicht früh genug abgegeben.

Was sind Ihre Zukunftswünsche?

Ich würde gerne wissen, wie die Gene funktionieren. Und irgendwann möchte ich sie zum Schutz vor Krankheiten einsetzen, aber das ist nicht in zehn Jahren zu schaffen. Ich bin froh, wenn ich das bis zu meiner Rente hinbekomme.

Sind Familie und Karriere für Sie vereinbar?

Meine Frau ist auch Professorin, für unseren kleinen Sohn haben wir ein Kinderbetreuungssystem aufgebaut. Das ist natürlich ein Spagat, da man Kinderbetreuung für Kinder ab sechs Monaten in Deutschland nur durch private Initiative erreichen kann.

Was war Ihr Berufswunsch als Kind?

Zwischen der vierten und sechsten Klasse bin ich eher zähneknirschend zur Schule gegangen, aber dann kamen die naturwissenschaftlichen Fächer dazu, und da hat es mir wieder Spaß gemacht. Dennoch wollte ich eher die kaufmännische Richtung einschlagen. In der Oberstufe fand ich die Medizin dann aber doch faszinierender.

Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?

Nicht aufgeben!

Der Überflieger

„Einen Haufen verschworene Wissenschaftler und viel Kreativität“ brauche man, um Erfolg in der Forschung zu haben, schmunzelt Dierk Raabe (40). Wer sollte das besser beurteilen können als ein Mann, der mit 34 Jahren Direktor des Max-Planck-Instituts in Düsseldorf wurde, mittlerweile 10 Preise eingeheimst hat – darunter den renommierten Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis, dotiert mit 1,55 Millionen Euro – und der über 100 Publikationen und 3 Bücher geschrieben hat? Eine von ihm angestoßene Entwicklung mauserte sich sogar zu einem eigenen Fachgebiet, der „Computational Materials Science“. In diesem Zweig der Materialphysik simulieren die Wissenschaftler mithilfe des Computers, welche Eigenschaften ein bestimmter Stoff hat – und das bis auf die Nano-Ebene.

Das Spezialmaterial für den Seitenaufprallschutz am Auto wird zum Beispiel so entwickelt. „Früher hat man das durch Ausprobieren gemacht – wie ein Kind mit dem Sandspielzeug“, erklärt Raabe. „Denn in einem Bauteil am Auto stecken mehr Atome als Sandkörner auf der Erde, das ist normalerweise mit keinem Computer berechenbar.“ Raabe hatte die Idee, nicht die einzelnen Atome zu betrachten, sondern gleich ganze Gruppen von Atomen mathematisch in ihrem Verhalten zusammenzufassen. Dadurch reduziert sich die Datenmenge erheblich – und der Computer wird mit ihr fertig.

Freut sich ein so erfolgreicher Mann überhaupt, wenn er den Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis erhält? „Und ob! Ich kann mich genauso freuen wie früher. Ein bisschen fühle ich mich wie zum Ritter geschlagen“, sagt Raabe. „Normalerweise findet die Wissenschaft im Verborgenen statt, es klopft einem keiner auf die Schulter. Von daher ist eine solche Anerkennung sehr wichtig – auch für die gesamte Arbeitsgruppe.“ Darüber, dass er zurzeit weniger Anträge schreiben muss, ist Raabe sichtlich erfreut – denn es macht ihn sehr flexibel. „Man kann jemanden für sehr neue und risikoreiche Forschungsthemen einstellen und ihn mit diesem Preisgeld bezahlen.“

Doch auch beim Erfolgsmenschen Dierk Raabe läuft nicht immer alles glatt: „Irgendwann kommt der Punkt, an dem man sich fragt: Was machst du da eigentlich? Der Witz der Forschung ist aber nun mal, dass man vorher nicht weiß, was rauskommt.“

Als Kind hatte er mit den Naturwissenschaften – Ausnahme: Mathematik – nicht viel am Hut. Er interessierte sich eher für Musik, Kunst und Sprachen. „Und fürs Spielen“, grinst er, „was man ja als Forscher auch den ganzen Tag tut.“ Bereits mit 16 Jahren fing er an – parallel zur Schule – Musik zu studieren. „ Das Musikstudium war sehr intensive Arbeit, am Anfang viel anstrengender als die Werkstoffwissenschaften später.“ Viel Zeit fürs Musizieren hat er mittlerweile nicht mehr, nur gelegentlich spielt er mit seinem älteren Sohn Duette für Horn und Trompete.

Nach seiner Habilitation forschte Raabe zwei Jahre an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh, USA. „Dort arbeitet man oft interdisziplinär“, erinnert er sich. „Hier in Deutschland werden einige Themen bisweilen ein wenig schubladenbezogen behandelt.“ Ganz in den USA zu leben war für die Familie jedoch kein Thema. Traurig scheint der Forscher darüber nicht zu sein. „ Ich hätte mir zwar gut vorstellen können, zu bleiben“, sagt er, „ aber die Entscheidung, wieder nach Deutschland zu gehen, ist nicht schweren Herzens gefallen.“

Was für ein Mensch steckt hinter dem erfolgreichen Wissenschaftler? Kämpft er mit Marotten wie jeder andere auch? „ Marotten? Da müssen sie meine Feinde fragen“, schmunzelt der Preisträger. „Ich kann schon eine ziemliche Nervensäge sein, wenn mich etwas gepackt hat, aber diese Beharrlichkeit sehe ich eigentlich eher als Vorteil.“ Und – was Wissenschaftlern manchmal abgehe oder ihnen sogar peinlich sei – gewisse Managementqualitäten habe er auch.

Doch Raabes Erfolgsgeheimnis ist ein anderes: „Man sollte ruhig ein bisschen abgedreht und kreativ sein – und nicht nur ausgetretenen Pfaden folgen.“ Diese Kreativität nutzt Raabe auch zu Hause: „Ich denke mir sehr gerne verschrobene Geschichten für meine Kinder aus“, schmunzelt er. „Das Unorthodoxe liegt uns Naturwissenschaftlern vielleicht im Blut.“

Die Ungewöhnliche

Emanzipiertes Deutschland? Schaut man sich in den oberen Etagen von Naturwissenschaft und Forschung um, könnte man das bezweifeln. Frauen sind hier dünn gesät – umso mehr fallen die wenigen auf, die es bis dorthin geschafft haben. Etwa Ina Schieferdecker (38), einzige Professorin an der Fakultät der Elektrotechnik und Informatik der Technischen Universität Berlin. Doch sie sieht ihre Rolle zuversichtlich. „Als Frau habe ich immer eher Vorteile gehabt“, sagt sie. „Wenn man eine gewisse Schwelle erst einmal überschritten hat, wird man als Frau stärker gefördert.“

Für ihren Erfolg, die Fehlerrate von Computer-Software zu minimieren, wurde sie 2004 mit dem Alfried-Krupp-Förderpreis ausgezeichnet. Gab es bislang zwei bis drei Fehler auf 1000 Zeichen, so sind es heute – dank Schieferdecker – nur noch ein bis zwei. „Software-Programme wie Windows haben meist über eine Million Zeichen, da bedeutet das schon einen riesigen Unterschied“ , erklärt sie. Dennoch kam die Auszeichnung wie aus heiterem Himmel. „Ich war gerade in einem Gespräch mit einem Studenten, als ich plötzlich ein Telegramm erhielt“, schmunzelt sie. „Da wusste ich, es musste sich um etwas Wichtiges handeln – und war sprachlos, als ich es las.“

Ihr beruflicher Weg war ziemlich geradlinig: Sie promovierte mit 27 Jahren, hielt mit 28 ihre ersten Vorlesungen und schaffte mit 37 Jahren den Sprung von der Arbeitsgruppenleiterin zur Professorin. Heute wechselt die Informatikerin zwischen dem Fraunhofer-Institut für offene Kommunikationssysteme (FOKUS) und der Universität hin und her – am FOKUS forscht sie, an der Universität hat sie einen Lehrauftrag. Eine steile Karriere für jemanden, der nach eigenen Angaben nie auf bestimmte Positionen hingearbeitet hat. „Karriere kann sogar recht hinderlich sein, wenn man forschen will“, meint Schieferdecker. „Denn je höher die Position ist, desto mehr Verwaltungskram kommt dazu.“ Dennoch, eine unbefristete Professur wünscht sie sich schon für die Zukunft. Und das am liebsten in Berlin, der Stadt, in der sie seit ihrer Geburt lebt – nur unterbrochen von einem dreimonatigen Aufenthalt in Berkeley, Kalifornien. Ina Schieferdecker liebt diese pulsierende Stadt. „Zudem waren die beruflichen Angebote in Berlin immer spannender als anderswo“, sagt sie mit einer gewissen Erleichterung.

Was zieht sie an der Forschung immer wieder in den Bann? „Es ist faszinierend, wie sich Beobachtungen auf reale Gesetzmäßigkeiten zurückführen lassen. Die Wissenschaft ist kein Job, bei dem man sich auf eingefahrenen Gleisen bewegt.“ Und sie ist ein Job, bei dem man Enttäuschungen in Kauf nehmen muss. „Es ist schon ernüchternd, in eine Sackgasse zu laufen. Aber sobald es wieder klappt, ist die Sackgasse vergessen.“

Früher hat Schieferdecker viel musiziert: Gitarre und Akkordeon. „Heute reicht die Zeit dafür nur noch an Weihnachten“, bedauert sie. „Zu größeren privaten Sachen kommt man nicht mehr mit zwei Töchtern und einem berufstätigen Mann. Insgesamt klappt es aber sehr gut, trotz mancher kleineren Reibereien.“ Das könnte forschungsbegeisterten Frauen Hoffnung geben, Kind und Karriere unter einen Hut zu bringen – und damit Frauengesichter in den Chefetagen endich häufiger machen.

Das Nesthäkchen

„Hobbys? Vielleicht habe ich nach meiner Pensionierung Zeit dafür“, meint Yanbei Chen (27) aus Peking, seit neun Monaten Forscher am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Golm, auf Englisch. „Ich schaue höchstens mal fern – und momentan nicht mal das, weil die Programme in Deutsch sind.“ Während sich seine Altersgenossen in ihrer freien Zeit aufs Rad schwingen, Zeichenkurse besuchen oder mit ihren Kindern spielen, beschäftigt sich Chen auch dann mit Gravitationswellen. Sie entstehen, wenn gigantische Massen beschleunigt werden, etwa wenn zwei Schwarze Löcher miteinander verschmelzen. Nachweisen konnte man sie bis heute nur indirekt über die beobachteten Bahnbewegungen eines Neutronen-Doppelsterns. Chen arbeitet an einem direkten Nachweis dieser Wellen, indem er die Beobachtungstechnik optimiert – und er träumt von einer neuen Astronomie. „Bisher betrachten wir alles vom Standpunkt der elektromagnetischen Wellen aus“, erklärt er. „Die Gravitationswellen würden uns eine völlig neue Sichtweise ermöglichen – und damit neue Informationen bringen.“

Für seine Arbeiten zeichnete ihn die Jury der Alexander-von-Humboldt-Stiftung im vergangenen Jahr mit dem Sofia-Kovalevskaja-Preis aus. Mit seinen 28 Jahren ist Chen der jüngste Preisträger der Top Ten der Wissenschaftspreise des Jahres 2004 – und der jüngste des Sofia-Kovaleskaja-Preises aller Zeiten.

Was fühlt man in einem solchen Moment? „Freude – und Überraschung“, strahlt Chen. „Üblicherweise sind solche Preise Forschern mit sehr viel Erfahrung vorbehalten. Ich hatte jedoch erst ein Jahr zuvor meine Doktorarbeit abgeschlossen.“ Mit dem Preisgeld von 1,2 Millionen Euro kann er nun sein eigenes Projekt realisieren – und das, ohne Seminare oder Vorlesungen halten zu müssen. Doch neben aller Freude gibt es auch ein Wermutströpfchen. „Durch den Preis stehe ich etwas unter Erfolgsdruck“, befürchtet Chen.

Was sich in allen Bewerbungen gut liest, scheint bei Yanbei Chen Realität zu sein: Schon als Kind wusste der gebürtige Pekinger genau, was er wollte – Forschen. Chinesisch allerdings war ihm ein Graus: „Bei Fragen wie ,Was hat sich der Dichter dabei gedacht?‘ hatte ich ehrlich gesagt nie den blassesten Schimmer“, erinnert er sich. „Wissenschaft ist einfach – Literatur dagegen ist wirklich kompliziert.“ Heute bedauert er seine Abwehrhaltung ein bisschen, denn „Literatur ist nicht so schlimm, wie ich früher immer dachte“.

Doch was fasziniert ihn an der Wissenschaft derart, dass er auch seine freie Zeit dafür opfert? „Wir lernen Dinge über das Universum, die niemand jemals zuvor gesehen hat“, begeistert er sich. „Außerdem ist es großartig zu sehen, dass Dinge, die wir im Labor austüfteln, auch funktionieren.“

Den Einstieg in das Projekt der Gravitationswellen fand der Physiker während seiner Doktorarbeit in Pasadena, Kalifornien, wo er 2003 seinen Doktortitel erhielt. „Ich war einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort, denn dort startete gerade ein neues Projekt, für das sie Leute brauchten.“

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