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Lernen im Schlaf – doch kein reiner Wunschtraum?

Gesellschaft|Psychologie

Lernen im Schlaf – doch kein reiner Wunschtraum?
Schlaf
Können wir im Schlaf neue Informationen aufnehmen? (Bild: ruigsantos/ iStock)

Das Lernen im Schlaf ist ein alter Wunschtraum. Bisher allerdings galt das Aufnehmen neuer Informationen in dieser Ruhephase als weitgehend unmöglich. Jetzt jedoch belegt eine Studie: Unser Gehirn kann auch im Schlaf lernen – wenn das Timing stimmt. Hörten die Probanden im Tiefschlaf Vokabelpaare in einer bestimmten Phase ihrer Hirnaktivität, erinnerten sie sich später zumindest an die implizite Bedeutung der Wörter. Hirnscans zeigten zudem, dass an diesem Schlaflernen auch der Hippocampus beteiligt war – das Gedächtniszentrum unseres Gehirns.

Nachts einfach Kopfhörer auf die Ohren oder Lautsprecher unter das Kopfkissen, Vokabeln abspielen und schon lernt man eine neue Sprache – buchstäblich im Schlaf. Schon seit Jahrzehnten werben dubiose Anbieter immer wieder mit solchen Schlaflernprogrammen, bisher jedoch erwiesen sich diese als nutzlos. „Gängigen Theorien nach ist das Lernen ausschließlich auf die Wachphase begrenzt“, erklären Marc Züst von der Universität Bern und seine Kollegen. „Das Lernen im Tiefschlaf dagegen galt als unmöglich, weil diese Phase gar nicht die Voraussetzungen für das Lernen bietet.“ Denn der Lehrmeinung zufolge ist unser Gehirn im Schlaf von der Außenwelt abgeschirmt und reagiert nur sehr eingeschränkt auf äußere Reize. Hinzu kommt, dass unser Denkorgan in dieser Ruhezeit damit beschäftigt ist, tagsüber aufgenommene Informationen zu sortieren und Erinnerungen zu festigen. „Das Aufnehmen neuer Informationen im Schlaf könnte daher dieses Rekapitulieren stören“, so die Forscher.

Fantasie-Vokabeln im Tiefschlaf

Doch ganz so klar, wie es die gängigen Theorien nahelegen, ist die Lage nicht. So lieferten aktuelle Studien Indizien dafür, dass zumindest Gerüche, Töne und möglicherweise auch einfache Wörter im Schlafzustand wahrgenommen werden. Probanden konnten sich dann später im Wachzustand leichter an diese Reize erinnern. „Ob aber auch komplexere neue Information während des Schlafens gelernt werden kann, ist bisher nicht geklärt“, sagen Züst und seine Kollegen. Sie haben nun eine spezielle Form dieses Schlaflernens in einem Experiment untersucht. 41 deutschsprachige Freiwillige bekamen dabei im Tiefschlaf Wortpaare vorgespielt. Eines der Worte stammte aus einer Fantasiesprache, das andere war die entsprechende deutsche Vokabel – beispielsweise Tofer – Haus. Die Vokabeln waren dabei so gewählt, dass einige besonders große, andere dagegen eher kleine Gegenstände beschrieben. Alle Wortpaare wurden viermal hintereinander mit jeweils wechselnder Reihenfolge vorgespielt. Keiner der Teilnehmer wusste, dass er im Schlaf beschallt werden würde.

Dann folgte der eigentliche Test: Nach dem Aufwachen spielten die Forscher ihren Probanden erneut Fantasieworte und baten sie anzugeben, ob dieses Wort eher für einen kleinen oder einen großen Gegenstand stehen könnte. Es zeigte sich: Hatten die Teilnehmer das Fantasiewort zuvor im Schlaf als Teil eines Vokabelpaares gehört, tippten sie auffallend häufig richtig – häufiger als es bei reinem Zufall typisch wäre. Allerdings: Diese korrekte Zuordnung trat nur dann auf, wenn das Timing stimmte. Die Probanden lagen immer dann um rund zehn Prozent über dem Zufallswert, wenn das zweite Wort eines Vokabelpaares wiederholt mit dem Wellengipfel der für den Tiefschlaf typischen Deltawellen zusammentraf. Diese niederfrequenten, langsamen Hirnwellen gelten als charakteristisches Merkmal des Tiefschlafs.

Aufnahmefähiger als gedacht

Nach Ansicht der Forscher sprechen ihre Ergebnisse dafür, dass unser Gehirn selbst im Tiefschlaf neue Informationen aufnehmen kann. Interessanterweise scheint das dabei Gelernte vom Gehirn ähnlich verarbeitet zu werden wie die im wachen Zustand akquirierten Informationen: Die mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) aufgezeichnete Hirnaktivität war in beiden Fällen sehr ähnlich, wie die Forscher berichten: „Besonders interessant war die Tatsache, dass Sprachareale und der Hippocampus, die normalerweise waches Lernen von Sprache vermitteln, auch beim Erinnern der im Tiefschlaf gelernten Vokabeln aktiviert waren“, sagt Züst. „Diese Strukturen vermitteln die Gedächtnisbildung demnach unabhängig vom herrschenden Bewusstseinszustand – unbewusst im Schlaf, bewusst bei Wachheit.“

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Damit könnten die Ergebnisse gängige Theorien zu Schlaf und Gedächtnis in Frage stellen. Zumindest die Auffassung von Schlaf als einem von der Außenwelt komplett abgeschirmten Zustand scheint demnach nicht zu stimmen. „Zudem konnten wir die Ansicht widerlegen, dass anspruchsvolles Lernen im Tiefschlaf unmöglich ist“, sagt Co-Autor Simon Ruch von der Universität Bern. Heißt dies, dass das Vokabellernen im Schlaf doch möglich ist? Noch ist dies nicht eindeutig geklärt, den im Experiment wurde nur die Assoziation zum Wort abgefragt, nicht die Erinnerung an die Vokabel selbst. „In welchem Ausmaß und mit welchen Folgen die Zeit des Schlafens zum Erwerb neuen Wissens genutzt werden kann, wird sich in der Forschung der kommenden Jahre zeigen“, betont Henke.

Quelle: Marc Alain Züst (Universität Bern) et al., Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2018.12.038

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