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Menschenaffen wissen, ob man weiß

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Menschenaffen wissen, ob man weiß

Was wissen andere, was denken sie und wie wird dies ihr Handeln beeinflussen? Nicht nur wir Menschen können uns in die Gedankenwelt anderer hineinversetzen, verdeutlicht nun eine Verhaltensstudie: Auch Menschenaffen besitzen die hochentwickelte Fähigkeit der sogenannten „Theory of Mind“. Konkret geht aus den Experimenten hervor: Bei ihren Erwartungen zum Wissen und Verhalten anderer verlassen sich die Affen auf ihre eignen Erfahrungen.

Sich in andere hineinversetzen zu können, ist ein Schlüsselelement unseres Sozialverhaltens und unserer Fähigkeit zur Kooperation. In vielen Kontexten ist es wichtig, eine Vorstellung davon zu haben, welche Informationen, Motive oder Irrtümer unsere Mitmenschen im Kopf haben, damit wir uns entsprechend einstellen können. In der Psychologie wird diese Fähigkeit als Theory of Mind bezeichnet. Lange galt diese komplexe Verstandesleistung als ein Alleinstellungsmerkmal des Menschen. Doch auch bei diesem Aspekt zeigte sich schließlich erneut, wie ähnlich uns die Menschenaffen in Vielem sind. Aus Verhaltensstudien geht hervor, dass sie sich bis zu einem gewissen Grad in die Gedankenwelt anderer hineinversetzen können: Sie erkennen deren Motive und begreifen, was diese wissen.

Wie weit geht die Fähigkeit?

In diesem Zusammenhang konnten die Forscher um Fumihiro Kano von der Universität Kyoto bereits im Jahr 2016 zeigen, dass Menschenaffen sogar begreifen, dass jemand sich irren muss – dass er an etwas glaubt, das gar nicht mit der Realität übereinstimmt. Doch wie sie erklären, ließ das eingesetzte Testverfahren Fragen offen, wie weit die tierische Fähigkeit zur Theory of Mind diesbezüglich reicht. In ihrer aktuellen Studie haben die Wissenschaftler ihre Versuchstiere deshalb nun mit einem noch komplexeren Testsystem konfrontiert.

An den Experimenten nahmen Schimpansen, Bonobos und Orang-Utans teil. Zunächst wurden die Versuchstiere mit zwei Versionen einer Trennwand vertraut gemacht. Einigen wurde eine Wand vorgestellt, die völlig blickdicht war – sie fungierte also als ein Sichtschutz. Eine zweite Gruppe bekam hingegen eine Trennwand vorgeführt, die aus einem leicht durchsichtigen Material bestand, sodass die Tiere noch erkennen konnte, was sich dahinter abspielte. Die Kenntnis der jeweiligen Eigenschaft der Trennwand sollte später bei den eigentlichen Versuchen eine Rolle spielen.

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Blicke verraten Gedanken

Bei diesen Experimenten präsentierten die Wissenschaftler den Affen eine Art Theaterszene. Dabei erfassten sie die Augenbewegungen der tierischen Zuschauer durch Eyetracker. Wie die Forscher erklären, spiegeln sich die Erwartungen der Affen darin wider, worauf sie intensiv blicken: Wenn sie denken, dass jemand gleich ein bestimmtes Objekt ergreifen wird, schauen sie dieses auffällig häufig an. Im Fall der Versuchsszenen waren dies zwei Kisten, mit denen es zwei Schauspieler zu tun hatten.

Der eine beobachtete demonstrativ, wie der andere Darsteller einen Gegenstand unter einer der beiden Kisten versteckte. Anschließend stellte sich der Beobachter hinter die den Tieren bekannte Trennwand. Nun nahm der zweite Darsteller heimlich den Genstand unter der Kiste hervor, verbarg ihn zunächst unter der zweiten, entschied sich dann aber letztlich dafür, das Objekt mitzunehmen. Nach dieser heimlichen Aktion trat nun der Beobachter aus seiner Position hinter der Trennwand mit der Absicht hervor, sich den verborgenen Gegenstand zu holen. Die Frage war nun: Welche Erwartungen haben die Versuchstiere, unter welcher Kiste er als Erstes nachschauen würde? Mit anderen Worten: Was glauben die Affen, was dieser Menschen denkt.

Eigenes Wissen prägt Erwartungen

Wie die Forscher berichten, ging aus den Auswertungen der Blickmuster hervor, dass die Tiere auf der Grundlage ihres Wissens und des Gesehenen die gleichen Erwartungen entwickelten, wie es auch Menschen tun würden. Diejenigen Affen, die mit einer blickdichten Trennwand vertraut gemacht worden waren, nahmen demnach an, dass der Beobachter hinter dem Sichtschutz nicht gesehen hatte, dass der andere Darsteller das Objekt heimlich mitgenommen hat. Folglich folgte dieser Mensch der falschen Annahme, der Gegenstand sei unter derjenigen Kiste, die bei der Beobachtung als Versteck fungiert hatte. Genau auf diese Kiste starrten die Versuchstiere auch, als der Akteur sich das Objekt holen wollte.

Bei den Versuchstieren, die gelernt hatten, dass die Trennwand durchsichtig ist, zeigte sich hingegen ein anderes Blickverhalten. Offensichtlich nahmen sie an, dass der Akteur in diesem Fall gesehen hatte, dass der andere Darsteller das Objekt mitgenommen hat und somit wusste, dass unter beiden Kisten nichts zu finden ist. Wie die Wissenschaftler erklären, spiegelte sich dies darin wider, dass die Affen keiner der beiden Kisten mehr oder weniger Beachtung schenkten. Dieses Ergebnis interpretieren sie als Bestätigung dafür, dass sich die Tiere bei ihren Erwartungen zum Wissen und Verhalten anderer auch auf ihre eigenen Erfahrungen verlassen.

„Wir haben uns gefreut, dass Menschenaffen auch diesen schwierigen Test tatsächlich bestanden haben“, sagt Kano. „Die Ergebnisse verdeutlichen nun, dass wir die Fähigkeit zur Theory of Mind mit unseren evolutionären Verwandten teilen. Wir planen, unsere Methoden nun noch zu verfeinern, um weitere Aspekte dieser Fähigkeit bei Tieren zu testen“, so der Wissenschaftler.

Quellen: Kyoto University, Fachartikel: PNAS, doi: 10.1073/pnas.1910095116

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