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Mission Wissenschaft

Gesellschaft|Psychologie

Mission Wissenschaft
Wie die Initiative „Wissenschaft im Dialog“ Forscher und ihre Leistungen in Szene setzt.

„Zutritt verboten!“ mahnen die Lettern auf der Labortür. Forscher im weißen Kittel stecken die Köpfe zusammen, spähen durchs Mikroskop und kritzeln kryptische Zeichen aufs Papier. Wissenschaft als Geheimsache – ein Credo, das noch vor wenigen Jahren die Szene beherrschte. Die Akademiker erhoben den Exklusivblick aufs zischende Gebräu, und viele Laien waren an chemischen Reaktionen und physikalischen Gesetzen nicht interessiert. Mittlerweile sind sich die beiden Parteien näher gekommen. Die einen zeigen sich weltoffen, die anderen begeistert. Die deutsche Wissenschaftsriege hat den Willen zur Kooperation sogar vertraglich festgelegt – und 1999 ein Memorandum unterzeichnet. Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft hatte damals zur „Wissenschaft im Dialog“ (WiD) aufgefordert. Das Ergebnis: eine gemeinnützige GmbH, die die forschende Zunft seither publikumswirksam in Szene setzt.

Von der Deutschen Forschungsgemeinschaft über die Max-Planck-Gesellschaft bis hin zur Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte haben sich insgesamt zwölf Institutionen (siehe Kasten „Die 12 Apostel) zum Gang an die Öffentlichkeit verpflichtet. Dreimal jährlich tagen diese WiD-Mitglieder, um die Marschroute für den „Wissenschaftssommer“ festzulegen. Eine Woche lang finden Ausstellungen und Symposien, Talkshows und Kulturveranstaltungen statt. Kinofreaks werden zum forschungsnahen Filmfest geladen, Kinder ins Puppentheater.

Dieses Wissenschaftsfestival zieht jedes Jahr in eine andere Stadt und folgt dabei dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ausgerufenen Motto: Im Jahr 2000 wurde in Bonn der Physik gefrönt, 2001 standen in Berlin die Lebenswissenschaften auf dem Programm, 2002 ging es in Bremen um die Geowissenschaften. 2003 drehte sich in Mainz alles um die Chemie. Dieses Jahr steht Stuttgart vom 25. September bis 1. Oktober im Zeichen der Technik. 70 000 Menschen werden dort erwartet.

Was den modernen Wissensfreak lockt, sind keine biederen Bildungsveranstaltungen, sondern actionreiche Attraktionen. Wenn es bei Experimentalvorträgen schäumt und knallt, ist der Zuschauer gebannt. Hoch im Kurs stehen interaktive Ausstellungen, wo jedermann selbst Hand anlegen kann. Auch das Ausstellungsschiff, das mittlerweile schon in der dritten Saison durch deutsche Gewässer schippert, zieht Zehntausende Schaulustige an. Außerdem im Programm: eine „Lange Nacht der Wissenschaften“. „An diesem Abend kann jeder einen – normalerweise verbotenen – Blick in heilige Laborhallen erhaschen“ , sagt WiD-Pressereferentin Caroline Wichmann.

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Von der vermeintlich verstaubten Wissenschaftsstube ist nichts geblieben. Moderne Medien kommen zum Einsatz: Die WiD-Homepage hilft beim Trip durch den deutschen Veranstaltungsdschungel und das wissenschaftliche TV-Programm, präsentiert die neuesten Forschungsergebnisse seiner Mitglieder und beantwortet die Fragen der Wissensdurstigen. Etwa: Wie kommen die Farben in den Schmetterlingsflügel? Oder: Ist das Vakuum wirklich leer? Seit kurzem können die Online-Besucher im virtuellen Science-Center „ Scienox“ durchs All reisen und ihr Wissen testen.

Dabei sollen nicht nur Kinder und Jugendliche begeistert werden, sondern auch Lehrer und Studenten, Journalisten und Politiker. Ein Spagat, der von den Wissenschaftlern Rhetorik und Routine verlangt. Medienseminare, denen WiD ein Qualitätssiegel verpasst hat, machen die Forscher fit für das bunte Publikum. „In einer Demokratie wird es immer wichtiger, über Fragen der Wissenschaft zu diskutieren“, meint Herbert Münder, der Geschäftsführer von WiD.

Die Kommunikationsfreudigkeit zeigt Wirkung – auch im deutschen Hochschulwesen. „Wer für Werbemaßnahmen sorgt, kann mit mehr Studenten rechnen“, sagt Prof. Axel Haase, Präsident der Universität Würzburg. Dort wird in der Fakultät für Physik und Astronomie seit acht Jahren ein Tag der offenen Tür veranstaltet – und damit der wissenschaftliche Nachwuchs ins Haus gelockt. Mit Erfolg: Die Zahl der Studierenden steigt kontinuierlich an – was bei anderen Universitäten nicht selbstverständlich ist.

In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre macht sich an vielen deutschen Hochschulen Krisenstimmung breit. Die Zahl der Studienanfänger bei der Physik etwa sackte 1997 bundesweit auf ein historisches Tief von 5128 – auf fast die Hälfte wie zu Beginn des Jahrzehnts. „Die Vertreter von Industrie und Wirtschaft haben Physikern Mitte der neunziger Jahre eine arbeitslose Zukunft prophezeit und dadurch viele abgeschreckt“, sagt Haase. Heute wird wissenschaftlicher Nachwuchs dringend gesucht. Lediglich die Hälfte der in Deutschland gebrauchten Physiker wird hierzulande ausgebildet.

Doch nicht nur die Jobsituation, auch die Studentenzahlen haben sich erholt. Insgesamt 8685 Newcomer haben sich im Wintersemester 2003/04 und Sommersemester 2004 in die Physik gewagt. Zwar beginnen die Kandidaten für Diplom und Lehramt (insgesamt 7647) leicht zu schwächeln (minus 3,47 Prozent im Vergleich zum Vorjahr). Doch für Zuwachs sorgen neue Bildungsangebote wie Bachelor und Master sowie interdisziplinäre Studiengänge wie Biophysik und Nanostrukturtechnik: Mit einem Plus von über 58 Prozent – und insgesamt 1038 Neueinsteigern – bringen sie der Physik weiteren Aufschwung.

Dennoch: Appetitmacher sind kein Garant für dauerhaften Heißhunger – zumal das Studium schwierig ist. 40 Prozent der Physikneulinge des vergangenen Jahres haben ihr Studium bereits gesteckt – doppelt so viele wie vor zwei Jahren. „Sicherlich werden durch die Aktivitäten auch Studenten angelockt, die sich dann doch lieber einem anderen Fach zuwenden“, sagt Haase. „Aber das sollte den Dialog nicht unterbrechen.“

Auch im Ausland ist man dabei, die Wissenschaft einem breiten Publikum nahe zu bringen: In Großbritannien wird die „National Science Week“, in Frankreich die „Fête de la Science“, in Österreich die „ScienceWeek Austria“ veranstaltet.

Für den deutschen Wissenschaftssommer werden jährlich etwa 2,5 Millionen Euro aufgebracht – wenn man den Zeitaufwand aller Beteiligten mit einrechnet. Dafür greifen vor allem die WiD-Mitglieder, das BMBF sowie das Gastgeberland – in diesem Jahr die Landesstiftung Baden-Württemberg – ins Portemonnaie.

2005 soll ein besonderer Promi den Dialog mit der Wissenschaft ankurbeln: Albert Einstein. Vom 11. bis 26. Juni werden in Potsdam und Berlin zu Ehren des Genius Ausstellungen, Vorträge und ein eigenes Theaterstück inszeniert. „Dabei steht nicht nur Einsteins Werk, sondern auch sein Weltbild und seine Persönlichkeit im Vordergrund“, betont Caroline Wichmann. Angesichts des 50. Todesjahres Einsteins und des 100-jährigen Jubiläums seiner Speziellen Relativitätstheorie gibt sich das BMBF sehr spendabel: Ministerin Bulmahn stellt zehn Millionen Euro für alle bundesweiten Veranstaltungen im „Einstein-Jahr“ bereit. Auch WiD hofft auf eine kräftige Finanzspritze für den Wissenschaftssommer.

Zunächst war die WiD-Initiative lediglich bis 2005 geplant. Doch vor einem Jahr haben die Gesellschafter beschlossen, die Sache drei Jahre länger zu finanzieren. Einstein hätte sich gefreut. Meinte er doch: „Ich fand es nie wirklich schwierig, Kindern die Naturgesetze zu erklären. Wenn man sie in ihrer Sprache anspricht, kann man in ihren Augen ernsthaftes Interesse und Dankbarkeit lesen.“ ■

Bettina Gartner

COMMUNITY EVENTS

Wissenschaftssommer zum „Jahr der Technik“ in Stuttgart vom 25. September bis 1. Oktober 2004

Wissenschaftssommer zum „Einstein-Jahr“ in Potsdam/Berlin vom 11. bis 26. Juni 2005

INTERNET

www.wissenschaft-im-dialog.de

Kontakt

info@w-i-d.de

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> Leibniz-Gemeinschaft

> Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften

> Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft

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