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„Technologisch sind wir ganz weit vorne“

Elektroautos

„Technologisch sind wir ganz weit vorne“
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Stromtankstelle
Wenn es nach der Regierung geht, soll der gesamte Verkehr in der Bundesrepublik im Jahr 2050 mit Elektroautos bewältigt werden. Doch in der Praxis droht dieses Vorhaben zu scheitern, sagt Markus Lienkamp, Leiter des Lehrstuhls für Fahrzeugtechnik an der TU München. Im Interview mit natur.de erklärt der Ingenieur, warum sich der Kauf eines Elektroautos jetzt noch nicht lohnt

Was macht Elektromobilität technologisch eigentlich aus?

Das ist natürlich die Batterie selbst, der Motor, die Leistungselektronik, aber auch das gesamte Fahrzeugkonzept. All das trägt dazu bei, dass ein Fahrzeug nachher als Elektrofahrzeug gut funktioniert. Es gibt in Deutschland Firmen wie Siemens und Bosch, die seit Jahrzehnten Elektromotoren herstellen und darin sehr kompetent sind. Wir haben Unternehmen der Leistungselektronik, die ihr Gebiet wirklich gut beherrschen. Alle Automobilhersteller haben in der Anfertigung von Batteriepacks Kompetenz aufgebaut. Was uns immer noch fehlt, ist eine Massenproduktion von Akkus direkt in Deutschland.

Wieso funktioniert die Massenanfertigung von Zellen hier in Deutschland nicht?

Das ist in erster Linie historisch begründet. Die Lithium-Ionen-Zellen sind in den letzten 10 bis 15 Jahren hauptsächlich in Handys, MP3-Player oder Kameras eingesetzt worden. Diese Unterhaltungselektronik wird in Japan und Südkorea gefertigt. Und deshalb hat man dort auch die Zellproduktion aufgebaut. Aber auch in der Batterietechnologie sind die deutschen Firmen durchaus führend. Deutsche Zulieferfirmen liefern viele Grundmaterialien, die in der Batterie verwendet werden und ganze Fertigungsmaschinen für die Batterieproduktion. Von daher haben wir sehr viel Technologie und Know-how in Deutschland. Und ich bin davon überzeugt, dass sich die Produktion nach Deutschland verlagern würde, wenn man jetzt in die Elektroautoherstellung einsteigen würde.

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Wie lange dauert das noch?

Ich denke, dass der richtige Schub mit großen Stückzahlen erst 2025 kommen wird. Die Gesetzgebung in der EU sieht vor, dass wir ab diesem Jahr einen CO2-Ausstoß von 130 Gramm pro Kilometer haben. Das entspricht ungefähr fünf Liter Benzinverbrauch auf 100 Kilometern. Ab 2020 soll der Ausstoß dann bei 95 Gramm liegen, also bei unter vier Litern. Das ist mit der heutigen Technologie und sinnvollem Einsatz von Hybriden noch gerade so lösbar. Wahrscheinlich wird diese Regelung 2025 noch einmal verschärft. Wenn wir die heutigen Fahrzeuge vom Komfort und der Sicherheit in etwa beibehalten wollen, ist das mit konventionellen Antrieben einfach nicht mehr zu schaffen. Für mich sieht es so aus, dass ab dem Jahr 2025 schon mindestens 10 bis 20 Prozent der Neuwagen Elektrofahrzeuge sein müssen, um diese Werte zu erreichen.

Auf dem Elektromobilitäts-Weltmarkt stehen die USA, Japan und Frankreich an oberster Stelle. Hat die deutsche Automobilindustrie in Sachen Elektromobilität also nicht doch nachgelassen?

Wenn wir uns das gesamte Fahrzeug anschauen, sind wir weltweit immer noch führend. Ich kenne momentan keinen Hersteller, der ein Elektroauto auf dem Markt hat, was wirklich rund und konzeptionell sauber ist – Tesla mal ausgenommen. Es ist besser, zwei oder drei Jahre später mit ausgereifter, sicherer und auch bezahlbarer Technik auf den Markt zu kommen. Ich denke, dass das auch die Strategie der deutschen Automobilhersteller ist.

In Frankreich, Norwegen und der USA erzielt man heute bereits hohe Umsätze durch den Verkauf von Elektroautos. Warum gelingt das in Deutschland noch nicht?

In den von Ihnen beschriebenen Ländern wird massiv mit staatlichen Programmen der Verkauf in Schwung gebracht. In dieser Hinsicht muss man aber volkswirtschaftlich gesehen viel Geld ins Handschuhfach legen, damit die Autos überhaupt verkauft werden. Für diese Vorgehensweise haben wir uns in Deutschland glücklicherweise nicht entschieden, denn durch so eine Förderung wird der Druck reduziert, neue betriebswirtschaftlich tragbare Lösungen zu finden. Wenn wir den Verkauf zu früh subventionieren, dann bewegt sich die Technologie nicht schnell genug. Dies kann man am Beispiel der Photovoltaik-Anlagen sehen, die über zu lange Zeit zu hoch gefördert wurden. Im Nachhinein kam dann der Einbruch. Letztendlich soll der Kunde und nicht der Steuerzahler das Produkt bezahlen. Diesen Weg halte ich für den richtigen.

Fahren Sie selbst bereits ein Elektrofahrzeug?

Nein. Elektrofahrräder sind mir zu langsam, da verlasse ich mich lieber auf die normalen Zweiräder. Und attraktive Elektroautos gibt es auf dem Markt noch nicht, daher heißt es erst einmal abwarten.

Das Ziel der Bundesregierung ist es, im Jahr 2050 den gesamten Verkehr mit Elektrofahrzeugen zu bewältigen. Wie realistisch ist diese Zielsetzung?

Daran habe ich noch Zweifel. Langstrecken mit Elektrofahrzeugen zu bewältigen, ist technisch und wirtschaftlich nicht sinnvoll. Ich denke, dass dort Erdgas nochmal verstärkt zum Einsatz kommen wird. Im Schwerlastverkehr mit Reisebussen und Lastwagen wird es unendlich schwierig sein, auf batteriebetriebene Fahrzeuge umzusteigen.

Weil dafür die nötige Kompetenz fehlt?

Das hat nichts mit der Kompetenz zu tun. Uns begrenzen die chemischen Möglichkeiten der Speicherfähigkeit von Batterien. Man weiß, was man kombinieren könnte und müsste. Wir sind aktuell bei 200 Wattstunden pro Kilogramm. Wir brauchen also ungefähr 100 Kilo Batteriegewicht für 100 Kilometer Fahrtstrecke bei sehr kleinen Fahrzeugen. Mit neuen Materialien kann man diesen Wert vielleicht noch um den Faktor Zwei steigern. Aber viel mehr traut sich niemand zu. Auch in den nächsten 10 bis 15 Jahren sehe ich das nicht. Und dann ist man bei 200, 300 Kilometern, die man mit dem PKW schafft. Bei LKW oder Bussen müsste man tonnenweise Batterien einsetzen. Deshalb wird man das für Langstrecken voraussichtlich nicht machen.

Wird Elektromobilität von unseren Bürgern überhaupt richtig wahrgenommen? Oder könnte es, auch aus der Politik heraus, eine bessere PR geben?

Ich glaube, man muss im Moment eher vorsichtig sein, dass man nicht zu viel PR macht und die Erwartungen so weit nach oben schraubt. Wir hatten vor drei Jahren einen richtigen Hype um das Thema Elektromobilität, die Bundesregierung hatte das optimistische Ziel, bis zum Jahr 2020 eine Millionen Elektroautos auf die Straßen zu bringen. Jetzt kommt so langsam die Ernüchterung. Man sieht, dass Elektromobilität viel Geld kostet und nicht ganz so schnell voran geht wie wir uns das vorstellen. Mittlerweile werden die Ziele schon wieder heruntergeschraubt. Man muss also aufpassen, dass man die Technologie durch zu hohe Ziele nicht verbrennt.

Inwiefern trägt die Politik die Verantwortung, den Bürgern den Kauf eines Elektroautos näherzubringen?

Die Politik muss eine klare Meinung dazu äußern, welche zukünftigen Technologien man sich wünscht. Wobei ich in dieser Hinsicht vorsichtig bin. Man sollte den Wettbewerb immer offen für Technologien halten, Gesetzesanforderungen formulieren und dann den Firmen überlassen, wie sie das schaffen. Es ist bisher immer schiefgegangen, wenn die Politik eine Technologie vorgeschrieben hat.

Also sollen die Firmen bestimmen, für welche Konzepte Werbung gemacht wird?

Ja, denn Firmen suchen immer den betriebswirtschaftlich besten Weg. Dieser ist bei politisch richtig gesetzten Rahmenbedingungen auch volkswirtschaftlich sinnvoll.

Ist Elektromobilität die beste Alternative für die Zukunft?

Man muss den Einsatzzweck von Fahrzeugen stark im Auge behalten. Die Diesel und Benziner waren Universalwerkzeuge und für alles tauglich, egal ob Kurz- oder Langstrecke. Bei den alternativen Antriebstechnologien muss man sehr genau hinschauen, wie das Fahrzeug bewegt wird. Wenn wir zum Beispiel ein Fahrzeug nehmen, das relativ schwer ist und größere Strecken fährt, dann sehe ich weiterhin Dieselmotoren als sinnvollste Lösung. Als Alternative wird man hier auf die Erdgasschiene ausweichen. Auf der anderen Seite brauchen wir für Kurzstrecken und den Stadtverkehr kleine und leichte Fahrzeuge. Hier wird sich also wirtschaftlich das Elektroauto durchsetzen.

Und unter welchen Voraussetzungen?
Strombetriebene Autos brauchen sehr hohe Kilometerleistungen. Im Kauf sind sie teuer, im Betrieb relativ günstig. Wenn wir es aber schaffen, ein Elektroauto viele Kurzstrecken fahren zu lassen, wird es sehr wirtschaftlich. Wir müssen uns also zuerst auf die Einsatzfälle konzentrieren, in denen das Elektroauto häufig gefahren wird. Das ist der Taxi-Bereich, Car-Sharing und das sind die Kurzstrecken. Oder wir sehen das Fahrzeug als Image-Träger, wie der Tesla. Da sagen die Leute: „Ich fahre dieses Fahrzeug, weil ich es cool und nachhaltig finde und dafür gern den Preis zahle.“

Interview: Janosch Leuffen und Marcel Cichon

Lienkmap.jpgZur Person

Prof. Dr. Markus Lienkamp hat Maschinenbau an der TU Darmstadt studiert. Bevor er die Leitung des Lehrstuhls für Fahrzeugtechnik an der TU München übernahm, war er unter anderem Hauptleiter der Abteilung „Forschung Fahrzeug“ bei VW.

Foto: Matthias Buehner, fotolia; TU Darmstadt

 

 

 

 

Zukunft Leben: die Interview-Serie der Hochschule Darmstadt
Genau 300 Jahre, nachdem der Begriff der Nachhaltigkeit in der sächsischen Fortwirtschaft erfunden wurde, sind nachhaltige Themen in aller Munde: Ob Energiewende, Klimapolitik, Agrarreform, E-Autos oder urbanes Gärtnern – überall grünt es. Wie vielschichtig die Diskussion geworden ist, macht die neue Interview-Reihe auf natur.de deutlich. Unter der Überschrift „Zukunft Leben“ haben 23 Journalismus-Studierende der Hochschule Darmstadt führenden Experten zu unterschiedlichsten grünen Fragen interviewt – sachlich, kritisch und mit dem Blick nach vorn. Sie haben auch selbst gefragt, wie sich grüner leben lässt und ließe. Über ihre Versuche, Utopien und Fragen bloggen sie unter „Zukunft Leben“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Me|tall|ar|bei|ter  〈m. 3〉 in der metallverarbeitenden Industrie tätiger Arbeiter

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