Seit Jahren laufen Menschenrechtler Sturm dagegen, dass Frauen in Indien gezielt weibliche Föten abtreiben lassen, weil Jungen ein höheres Ansehen genießen. Zwar hatte die indische Regierung 1996 Ultraschalluntersuchungen zur Bestimmung des Geschlechts verboten, doch das Gesetz wird nicht beachtet. Die selektiven Abtreibungen werden weiterhin durchgeführt, wie eine Studie von Forschern um Prabhat Jha von der kanadischen University of Toronto belegt. Inzwischen hat sich in Indien ein erhebliches Ungleichgewicht von Mädchen und Jungen eingestellt.
Jha hatte die indischen Volkszählungen von 1991, 2001 und 2011 analysiert. Bei der Auswertung der Daten konzentrierte er sich auf das Geschlechterverhältnis der zweitgeborenen Kinder. Es zeigte sich, dass die Zahl der Mädchen über die Jahre hinweg kontinuierlich abnahm, wenn die Eltern zuerst eine Tochter bekommen hatten. Kamen beispielsweise 1990 bei den Zweitgeborenen noch 906 Mädchen auf 1000 Jungen, waren es 2005 nur noch 836.
Vor allem wohlhabende und gebildete Familien versuchen offenbar, die Geburt einer Tochter zu vermeiden. Inzwischen gibt es bei den unter Sechsjährigen 7,1 Millionen mehr Jungen als Mädchen. Jha schätzt, dass zwischen 1980 und 2010 bis zu 12,1 Millionen Mädchen gezielt abgetrieben wurden, die meisten in den 1990er-Jahren.