Kichern bis zum Kreischen – bei Berührung bestimmter Körperstellen reagiert der Mensch bekanntlich kitzlig. Das Phänomen weckte sogar schon die Neugierde des antiken Gelehrten Aristoteles – er fragte sich: Warum können wir uns selbst nicht kitzeln? Mysteriös scheint auch, warum wir Kitzeln einerseits als unangenehm empfinden, es andererseits aber auch zu genießen scheinen. Neue Einblicke in die Mechanismen der Kitzligkeit liefert nun eine Studie an Ratten. Demnach löst Selbstberührung eine Art Empfindungs-Bremse im Gehirn aus und auch bei den Nagern scheint es das ambivalente Verhältnis zwischen Lust und Qual beim Gekitzeltwerden zu geben.
Kitzel-Forschung an Ratten? Man könnte meinen, dass Kitzligkeit etwas typisch Menschliches ist – doch das ist nicht der Fall: Manche Tiere reagieren auf Fremdberührung in ähnlicher Weise wie wir. Studien zufolge geben auch Ratten charakteristische Laute von sich, wenn sie von Artgenossen oder dem Menschen gekitzelt werden. Forscher sehen darin ein Pendant zu unserem Lachen. Dieser Reaktion liegt ein Effekt im sogenannten somatosensorischen Kortex des Gehirns zugrunde, zeigen Studien. Dabei handelt es sich um das Areal des Gehirns, in dem taktile Reize verarbeitet werden.
Bisher ging man davon aus, dass der fehlende Kitzeleffekt bei Selbstberührung auf unserer Fähigkeit beruht, zwischen eigenen Stimulationen und der Berührung durch Andere zu unterscheiden. In den Studienergebnissen der Forscher um Michael Brecht von der Humboldt-Universität zu Berlin zeichnet sich nun allerdings ein einfacherer Mechanismus ab. Sie fanden heraus, dass die Kitzelreaktion bei Ratten während einer Selbstberührung wie etwa beim Putzen, unterdrückt wird. Durch fremde Berührung wird sie hingegen verstärkt, so die Beobachtung.
Wenn Forscher Ratten kitzeln…
Durch ihre Experimente konnten die Forscher zudem zeigen: Wenn Fremdberührung und Selbstberührung gleichzeitig erfolgen, wird die Kitzelreaktion ebenfalls unterdrückt. Ein Bremsmechanismus zeichnet sich folglich als der Hauptfaktor der Unterdrückung der Selbstkitzlichkeit ab. Diese Schlussfolgerung bestätigten anschließende Testergebnisse: Als die Forscher den neuronalen Bremseffekt pharmakologisch ausschalteten, wenn sich die Ratten putzten und gleichzeitig gekitzelt wurden, reagierten die Tiere wieder mit „Lachen“. Die Ergebnisse legen somit nahe, dass wir uns nicht selbst kitzeln können, weil die Selbstberührung einen neuronalen Bremseffekt im Berührungszentrum des Großhirns auslöst, resümieren die Forscher.
Wie sie berichten, fanden sie auch Hinweise darauf, dass die Ambivalenz in Bezug auf das Kitzeln offenbar eine Verhaltensreaktion ist, die sowohl beim Menschen als auch bei der Ratte auftritt. Wir wehren uns, wenn wir gekitzelt werden – endet das „zwiespältige Vergnügen“ dann allerdings, provozieren wir es oft erneut. Ähnlich scheint dies bei Ratten zu sein, berichten die Forscher: Die intelligenten Nager initiieren Kitzelinteraktionen freiwillig. Sie brechen das Gekitzeltwerden allerdings auch oft ab, zeigen Fluchtverhalten und geben mit negativen Emotionen assoziierte Laute von sich, geht aus der Studie hervor. Es handelt sich somit um ein Verhalten, das dem menschlichen ähnelt, sagen die Wissenschaftler.
Quelle: Humboldt-Universität zu Berlin, Fachartikel: Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2019.07.085