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Aids-Sprechstunde am Victoria-See

Gesellschaft|Psychologie Gesundheit|Medizin

Aids-Sprechstunde am Victoria-See
Endlich gute Nachrichten aus Afrika: Die Zahl der HIV-Neuinfektionen sinkt, und immer mehr Aids-Kranke können erfolgreich behandelt werden. bdw-Korrespondent Thomas Willke hat sich in Tansania umgesehen.

DrauSSen wummert die mobile Disco-Anlage, drinnen bereitet Schwester Anna ihre Test-Utensilien vor. Es ist dunkel im „ Igabilo Inn“, dem größten Gasthaus im tansanischen Fischerdorf Igabilo am Victoria-See nahe der ugandischen Grenze. Elektrisches Licht gibt es hier nicht, ebenso wenig einen heilen Fußboden. Schwester Anna hat ihren Tisch zwischen die Lehm- und Steinbrocken so gestellt, dass sie Licht von einem der beiden Fenster bekommt. Einige junge Männer haben sich bereits davor aufgestellt. Immer mehr drängen herein. Wenn alles gut läuft, wird Schwester Anna heute 100 bis 200 Menschen auf das Immunschwächevirus HIV testen – und damit einen wichtigen Beitrag leisten in einem Kampf, der allmählich Erfolge zeigt.

Afrika ist bei Aids und HIV immer noch die Krisenregion Nummer 1 auf der Welt. Etwa 68 Prozent der weltweit 34 Millionen mit HIV infizierten Menschen leben südlich der Sahara. Und 70 Prozent aller Neuinfektionen ereignen sich dort. Aber es gibt Hoffnung, wie der aktuelle Bericht von UNAIDS, dem HIV/Aids-Programm der Vereinten Nationen, feststellt: Die Zahl der Neuinfektionen sinkt, in manchen Regionen – zum Beispiel in Südafrika – sogar stark. Außerdem nimmt die Zahl der Menschen ab, die an Aids sterben.

Nur wenige Politiker Afrikas können sich für diese ersten Erfolge auf die Schulter klopfen. Viele von ihnen haben das Problem lange ignoriert oder schlicht Unsinn verbreitet. Der heutige Präsident Südafrikas Jacob Zuma gab 2006 an, dass er zum Schutz vor Aids nach dem Sex geduscht habe, und die damalige Gesundheitsministerin Manto Tsabalala-Msimang empfahl Rote Beete und Knoblauch. Auch Tansanias Regierung begann erst 2007 mit einem Bekämpfungsprogramm – 25 Jahre nach den ersten Aids-Erkrankungen in Ostafrika.

KRANKEnSCHWESTERN gefragt

Die Hauptarbeit leisteten bis dahin afrikanische und internationale Organisationen. In Regionen, in denen es kaum Ärzte gibt, sind Krankenschwestern und angelernte Freiwillige die Stützen der Aids-Bekämpfung. Schwester Anna und ihr Team arbeiten für die Nichtregierungsorganisation „Tadepa“ (Tanzania Development and Aids Prevention). Sie wurde 1997 von Tansaniern mit Unterstützung der französischen Hilfsorganisation Médecins du Monde gegründet. Heute wird sie unter anderem von der Bristol-Myers Squibb Foundation „Secure the future“ unterstützt.

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Tadepa arbeitet am Westufer des Victoria-Sees vom kleinen Ort Bukoba aus. Die nächste größere Stadt ist Mwanza, eine Gründung aus der deutschen Kolonialzeit. Bukoba liegt zwischen See, Uganda und Ruanda. Jonathan Stephen, Executive Director von Tadepa, erklärt: „Diese Region ist schlecht zu erreichen. Die internationalen Hilfsorganisationen kommen meist nur bis Mwanza, und dann ist Schluss.“

Noch schwieriger ist die Situation in den Dörfern. Schwester Anna und ihrem Team gelingt es erst seit einigen Wochen, mit dem Allradfahrzeug das Fischerdorf Igabilo zu besuchen. Bis zum Sommer endete die Straße oben auf der Hochebene, und noch immer ist es ein atemberaubender Moment, wenn das geländegängige Fahrzeug über die Kante der Ebene kippt, um die steile Schotterpiste hinunter zu kriechen.

DAS VIRUS REIST MIT DEN FISCHERN

Dabei brauchen die Menschen hier dringend Hilfe, denn der Victoria-See ist quasi ein großer Viren-Umschlagplatz. „Das Problem sind die Fischer, die ohne ihre Familien draußen auf den Inseln leben“, sagt Beratungsschwester Agnes. Die 56-Jährige reist mit einer Kollegin und einem männlichen Begleiter regelmäßig hinaus auf die Inseln: „Die Fischer fangen nachts ihre Fische, verkaufen sie morgens, und mit dem Geld kaufen sie Bier und dann Sex bei Prostituierten – heute in diesem Hafen und morgen in jenem. So verbreiten sie das Virus rund um den See.“

Der Einstieg in die raue Männerwelt der Fischer war für Schwester Agnes schwer: „Die haben uns am Anfang nur ausgelacht. Keiner wollte mit uns reden. Aber wir sind immer wieder gekommen, und inzwischen hat sich die Situation geändert. Die Männer tun immer noch sehr cool und reden spöttisch daher – aber immerhin: Wir sprechen miteinander. Wir informieren sie über das Virus und erklären ihnen, wie man Kondome benutzt. Einige konnten wir sogar auf das Virus testen.“

Nach Igabilo kommen die sexhungrigen Fischer natürlich auch. Der Ort hat mehrere Hundert Einwohner, eine Schule und viele kleine Geschäfte, die wie alle Gebäude im Ort aus Holz gebaut sind. Nur wenige Gebäude wie der Igabilo Inn sind farbig angestrichen. Zwischen Hafen und Dorf liegt das Café „Half London“ – eines der typischen Etablissements, in denen Geld und Viren getauscht werden.

TESTERGEBNISSE UND KONDOME

Im Dorfzentrum hat sich der Testraum gefüllt. Laute, teils fröhliche Stimmen füllen das Zimmer, das kaum größer ist als ein deutsches Wohnzimmer. Manche scheinen aus reiner Neugier gekommen zu sein. Die mobile Disco erfüllt wohl ihren Zweck. Die Menschen lachen und schauen erwartungsvoll nach vorn. Andere blicken besorgt. Ihnen scheint in den Beratungsgesprächen, die die Tadepa-Mitarbeiter hier alle vier Wochen anbieten, klar geworden zu sein, dass sie krankheitsgefährdet sind. Die Menschen stehen dicht an dicht. Am Eingang nimmt eine Kollegin von Schwester Anna die Daten der Wartenden auf und vergibt eine Nummer, mit der sich die Menschen bei Schwester Anna vorstellen. Die Testergebnisse werden anonym registriert. Im Raum verteilen Annas männliche Kollegen kostenlose Kondome und Informationsbroschüren.

Inzwischen reicht die Schlange der Wartenden in mehreren Kurven von der Tür bis zum Tisch von Schwester Anna. Sie trägt sterile Handschuhe und desinfiziert den Finger eines jungen Mannes. Dann nimmt sie eine sterile Lanzette aus der Verpackung, sticht in den Finger und lässt einen Tropfen Blut auf einen Teststreifen fallen. Ein Tropfen Testlösung dazu – und Schwester Anna legt den Streifen zu den anderen Teststreifen. Der junge Mann gesellt sich zu den bereits Getesteten. Hier ist die Stimmung deutlich gedrückter als in der Schlange der Wartenden.

MODERNE KINDERKLINIK

„Nach 20 Minuten wissen wir Bescheid“, sagt Schwester Anna. „ Wenn der Test positiv ist, mache ich zur Sicherheit noch einen, und wenn der auch positiv ausfällt, schicke ich den Patienten in das nächste Behandlungszentrum zu einer abschließenden Diagnose. Dort findet auch die weitere Beratung statt.“ Solche Vor-Ort-Testkits gibt es erst seit wenigen Jahren. Zuvor mussten die Blutproben gleichmäßig temperiert in größere Kliniken oder Testzentren geschickt werden – unter afrikanischen Klima- und Straßenbedingungen eine schwierige Angelegenheit (siehe bild der wissenschaft 3/2006, „Afrikanische Lösungen“).

Immer wieder drücken sich Männer und Frauen mit ernsten Gesichtern aus dem Igabilo Inn. Sie haben eine schlechte Nachricht erhalten. Keiner möchte jetzt angesprochen werden. Für viele von ihnen wird das Leben erst dann wieder eine Perspektive haben, wenn sie in einer Klinik erfahren, dass sie nicht sterben müssen.

Die größte Aids-Klinik der Region liegt in der Großstadt Mwanza am Ost- ufer des Victoria-Sees. Es ist das Children’s Clinical Centre of Excellence, eine Gründung des Baylor College of Medicine in Houston, Texas: ein neuer Bau mit modernen Behandlungsräumen, in jeder Beziehung ein starker Kontrast zu den einfachen Lebensverhältnissen in Igabilo. Das Children’s Clinical Centre behandelt vor allem HIV-positive Kinder. „In Tansania tragen etwa 100 000 Kinder das Virus in sich, jedes Jahr kommen 25 000 Neuinfektionen dazu. Etwa eine Million sind Waisen, weil ihre Eltern an Aids gestorben sind“, sagt Mike Tolle. Der US-Amerikaner aus Dallas in Texas ist der neue Executive Director der Klinik. Bisher hat er das Schwesterinstitut in Botswana als klinischer Direktor geleitet.

Die Kinder infizieren sich während der Geburt durch das HIV-verseuchte Blut ihrer Mutter, wenn diese zuvor nicht entsprechend behandelt wurde. Tolle erklärt: „Wir durchbrechen mit Medikamenten die Weitergabe des Virus von einer Generation zur nächsten.“ Neben ärztlicher Kunst ist bei einer solchen Behandlung vor allem der Patient gefordert. Er muss seine Medikamente sehr regelmäßig nehmen, damit das HI-Virus nicht aus den Immunzellen ausbrechen kann, in die es sich zurückgezogen hat. Schlampt ein Patient bei der Einnahme seiner Medikamente, dann sinkt der Wirkstoffspiegel im Blut so weit, dass das Virus lernen kann, mit dem Wirkstoff zu leben. Es wird resistent – und das Medikament wirkungslos.

Das HI-Virus lässt sich mit Medikamenten nicht aus dem Körper vertreiben, aber die Krankheit Aids bricht bei einer konsequenten Behandlung nicht mehr aus. Die Patienten können zur Schule gehen oder arbeiten und ein relativ normales Leben führen. Aber sie müssen ihre Medikamente das ganze Leben lang strikt und regelmäßig einnehmen. Erstaunlicherweise gelingt dies in vielen Ländern Afrikas viel besser als in Europa oder den USA. „In Texas haben wir mit der Therapietreue viel mehr Probleme als hier“, sagt Tolle. „Einer der Gründe liegt in der Familienstruktur in Afrika. Man kümmert sich um einander.“

Rätselhafte Resistenzen

Resistenzen sollten deshalb kaum vorkommen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht davon aus, dass nur etwa 5 Prozent der HIV-positiven Afrikaner resistente Viren in sich tragen. Afrikanische Ärzte berichten jedoch immer häufiger, dass in manchen Regionen die Medikamente bei einem Drittel der Patienten nicht ansprechen. Forscher der Universität Würzburg und der angegliederten Missionsärztlichen Klinik haben das gemeinsam mit Kollegen aus Tansania und Südafrika überprüft. Die Wissenschaftler untersuchten dafür Patienten des Bugando Medical Center in Mwanza, der großen staatlichen Klinik gegenüber der Aids-Kinderklinik. Im Gegensatz zu bisherigen Untersuchungen haben die Würzburger auch Patienten getestet, die älter als 25 Jahre sind. Das erschreckende Ergebnis: 19 Prozent der Menschen trugen resistente Viren in sich.

„Die Ursache für diese hohe Resistenzrate ist bisher noch ein großes Rätsel“, sagt Projektleiter Carsten Scheller von der Universität Würzburg. Allerdings sind zwei Faktoren bei der Behandlung in Afrika anders als in den Industrieländern – und könnten ein Grund für die Resistenzen sein:

· Die HIV-Tests sind ebenso wie die Behandlung kostenlos. Die Kosten werden vom „Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria“ übernommen, der vor allem von den Industrieländern und privaten Geldgebern finanziert wird. Aber anders als in den industrialisierten Ländern, wo für HIV-Infizierte eine ganze Batterie von Medikamenten für eine maßgeschneiderte Therapie bereit steht, müssen sich die Mediziner in Afrika mit den wenigen Medikamenten begnügen, die von Hilfsprogrammen finanziert werden. Die Gefahr: Resistente Viren können sich leicht in der Bevölkerung ausbreiten. Denn es fehlt an Ausweichmedikamenten, um diese Virusstämme zu bekämpfen.

· In Europa werden die Patienten vor der Therapie auf Resistenzen getestet, und es wird ein passendes Medikament ausgewählt. Das ist in Afrika anders: „Dort erhält ein Patient die Standardmedikamente über einen langen Zeitraum hinweg. Eine Kontrolle der Virenlast im Blut kann in den meisten Therapiezentren allein schon aus Kostengründen nicht stattfinden“ , sagt Carsten Scheller.

TAGESBILANZ: 26 HIV-POSITIVE

Europäische Standards in Afrika einzuführen, hält Scheller finanziell für ausgeschlossen. Allerdings: Ob die erschreckenden Daten aus Mwanza für ganz Afrika gelten, können erst weitere Studien zeigen. Für die Ärzte der Tadepa sind solche Resistenzbildungen bislang kein großes Problem. Sie wollen vor allem mehr HIV-positive Menschen erreichen, diese behandeln und verhindern, dass das Virus von ihnen weitergegeben wird.

In Igabilo bauen die Tadepa-Mitarbeiter die mobile Disco ab. Ihr Einsatz ist für heute beendet. Schwester Anna hat die letzten Hilfesuchenden beraten und die Infizierten für abschließende Tests und die Behandlung an das nächste Zentrum überwiesen. 160 Menschen hat sie heute auf das Immunschwäche-Virus getestet. 26 von ihnen erwiesen sich als HIV-positiv. Der Kampf gegen das Aids-Virus hat hier gerade erst richtig begonnen. ■

THOMAS WILLKE reiste auf Einladung der Bristol-Myers Squibb Foundation nach Tansania und recherchierte in unabhängigen Quellen.

Kompakt

· Hilfsorganisationen wie Tadepa in Tansania gelingt es mit Überredungskunst und Disco-Musik, die Menschen für die Aids-Gefahr zu sensibilisieren.

· Ist HIV erst einmal diagnostiziert, kann eine konsequente Medikamententherapie den Ausbruch von Aids verhindern und Ansteckungen vermeiden.

Mehr zum Thema

Internet

Der „Global Fund to fight AIDS, Tuberculosis and Malaria“ ist mit Abstand der größte Geldgeber für HIV/Aids-Projekte weltweit: theglobalfund.org

Aktuelle Zahlen zum weltweiten Stand der Aids-Epidemie: unaids.org

Infos, Fotos und Filme zum Thema Aids in Afrika finden Sie auf bdw-Multimedia: www.wissenschaft.de

Sex, Musik und Geld

Die Südafrikanerin Phangisile Mtshali Manciya ist Direktorin der Bristol-Myers Squibb Foundation „Secure the Future“, die seit 1999 Aids-Projekte in Afrika fördert. Dazu gehören Aids-Kliniken, Selbsthilfegruppen sowie sogenannte Großmütter-Projekte: Sie unterstützen Großeltern, die sich um ihre Enkel kümmern müssen, weil deren Eltern an Aids gestorben sind. Eine wichtige Erkenntnis ihrer Arbeit: „Wenn man über so heikle Dinge wie Sex und Tod reden will – und das muss man bei HIV- Aufklärung – kann man den Menschen nicht irgendwelche mitgebrachten Konzepte aufdrängen, sondern man muss diese mit den Menschen vor Ort entwickeln.“ Sie nennt drei Beispiele:

· Thema Sex: „Bei uns in Südafrika sind die Jugendlichen ausgesprochen offen, was das Thema Sex angeht. Es ist überhaupt kein Problem, sie in die Dörfer oder Wohnbezirke zu schicken, um über HIV zu sprechen. Als wir das in Namibia zur Sprache brachten, meinte einer meiner Gesprächspartner völlig entsetzt: ‚ Ihr wollt doch nicht ernsthaft vorschlagen, dass mein 15-jähriger Sohn zu uns kommt und mit uns über Sex redet.‘“ In Namibia waren gestandene Frauen in reiferem Alter die idealen Vermittler für solch heikle Inhalte.

· Thema Musik: „In Südafrika braucht man keinen großen Aufwand zu betreiben, und schon tanzen und singen die Menschen. Hier in Tansania ist das nicht so einfach. Auf den Projektplänen der Jugendgruppen in Kagera (wo Igabilo liegt, Anm. d. Red.) stand stets eine mobile Disco-Anlage – die ich zunächst aus der Finanzierungsplanung rausgestrichen habe, nach dem Motto: Ihr wollt ja nur Party machen. Bis man mir erklärt hat, dass in dieser Region viele Menschen leben, die schwer zu erreichen sind und für die es einen Anreiz zur Teilnahme an den HIV-Aufklärungsveranstaltungen geben muss.“

· Thema Geld: „Hier in Tansania haben wir erfolgreich Mikrokreditsysteme für Aids-Waisen organisiert. Sie werden von den Kindern selbst verwaltet. Diese organisieren Minibanken, in die sie einzahlen und sich bei Bedarf, zum Beispiel für Schulbücher, Geld leihen. Das funktioniert hier sehr gut, weil wir intakte Dorfgemeinschaften mit einem ausgesprochenen Gemeinsinn haben.“ In Südafrika würde das so nicht gehen. Zum einen hat Südafrika ein gewisses soziales Netz: Aids-Waisen bekommen dort eine Rente. Außerdem haben Südafrikaner ein anderes Verhältnis zum Geld: „Ich würde dort nicht öffentlich erzählen, dass ich die Kasse verwalte und dass sie unter meinem Bett steht.“

Viren-Umschlagplatz

An den Victoria-See grenzen die drei Länder Tansania, Kenia und Uganda. Fischer verbreiten auf ihren Fahrten das HI-Virus von Ufer zu Ufer.

Aids: Russland ist das neue Afrika

Seit dem Ausbruch der Epidemie Anfang der 1980er-Jahre ist Aids auf die Liste der zehn weltweit häufigsten Todesursachen gerückt. Nach Schätzungen von UNAIDS, dem Programm der Vereinten Nationen zu HIV/Aids, starben 2010 etwa 1,8 Millionen Menschen an der Immunschwäche. Damit ist die Zahl der Todesfälle weltweit seit 2004 rückläufig. Gleichzeitig ist die Rate der Neuinfektionen mit HIV gesunken. Der globale Scheitelpunkt der Epidemie scheint überschritten zu sein. Oben die aktuellste Karte zur Verbreitung von HIV, Stand 2009.

Optimistisch stimmt die Trendwende in den afrikanischen Staaten südlich der Sahara. Diese Region, in der 68 Prozent aller Infizierten leben, hat zwar noch immer stark mit dem Virus zu kämpfen. Die Behörden melden jedoch einen Rückgang der Neuinfektionen um mehr als 26 Prozent seit 1997. Der Erfolg geht vor allem auf einen verbesserten Zugang zu Medikamenten zurück.

Inzwischen gibt es auch Hinweise darauf, dass eine medikamentöse Therapie gegen Retroviren die Wahrscheinlichkeit einer sexuellen Übertragung um beeindruckende 96 Prozent reduziert. Dieses Ergebnis wurde vom Wissenschaftsmagazin Science als Durchbruch des Jahres 2011 gefeiert.

Eine gefährliche Entwicklung beobachtet UNAIDS hingegen in Russland und der Ukraine. Hier hat sich die Zahl der Infizierten seit 2001 fast verdreifacht. Ursache ist vor allem die gemeinsame Nutzung von Drogenbesteck. Mindestens 37 Prozent der drogenspritzenden Menschen in Russland und der Ukraine tragen das Virus in sich. Zwar nehmen beide Regierungen das Problem ernst. UNAIDS stellt allerdings fest, dass die Ausgaben dieser Länder für die Aids- Bekämpfung gemessen an ihrer Wirtschaftskraft gering ausfallen. Kritisiert wird auch die Stigmatisierung der Risikogruppen (Homosexuelle und Drogensüchtige), die durch repressive Gesetze verstärkt wird. Nicht nur in Russland und der Ukraine registriert UNAIDS eine Zunahme der Aids-Epidemie, sondern auch in verschiedenen Staaten Zentralasiens, insbesondere in Usbekistan. mb

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