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Antibiotikum-Alternative aus Kastanienblättern?

Gesundheit|Medizin

Antibiotikum-Alternative aus Kastanienblättern?
15-08-21 Kastanien.jpg
Credit: Photo by Marco Caputo
Die in Europa heimische Edelkastanie ist hierzulande vor allem für ihre essbaren Früchte bekannt. Doch der Baum hat weit mehr zu bieten als kulinarische Genüsse, wie eine Studie nun zeigt. In den Blättern der Kastanie stecken nämlich Inhaltsstoffe mit einem vielversprechenden medizinischen Potenzial. Diese sind in der Lage, gefährliche Bakterien unschädlich zu machen – und könnten eine sinnvolle Alternative für herkömmliche Antibiotika sein.

Das Extrakt aus den Blättern der Esskastanie macht krankmachende Staphylococcus aureus Bakterien unschädlich. Und anders als Antibiotika löst es dabei keine Resistenzen aus, wie Forscher nun im Fachmagazin PLOS ONE berichten. „Der pflanzliche Auszug, den wir identifiziert haben, tötet die Bakterien im Gegensatz zu herkömmlichen Medikamenten nicht”, sagt Studienautorin Cassandra Quave von der Emory University in Atlanta. „Er nimmt ihnen lediglich ihre Waffe, also ihre Fähigkeit, gewebeschädigende Gifte zu produzieren.”

Diese Entdeckung macht die Inhaltsstoffe der Edelkastanie zu einem möglichen Hoffnungsträger für die Medizin. Denn Staphylococcus aureus besiedelt zwar viele Menschen und löst dabei meist gar keine Krankheitssymptome aus. Doch der Erreger kann insbesondere bei Personen mit einem geschwächten Immunsystem, wie Alten oder Kranken, unter anderem auch Wundinfektionen und Entzündungen der Atemwege hervorrufen. Besonders gefährlich macht ihn dann seine Resistenz gegen viele Antibiotika – gerade in Krankenhäusern wird diese Eigenschaft immer wieder zum Problem. So entwickeln manche Bakterienstämme gleich gegen mehrere wichtige Antibiotikagruppen Resistenzen. Sie sind besonders schwer zu eliminieren und können durch eine Übertragung auch für Dritte zur Gefahr werden.

Pflanzlichen Heilmitteln auf der Spur

Das Mittel aus der Kastanie könnte  nun helfen, solche sogenannten Methicillin-resistenten Keime, kurz MRSA, zu bekämpfen und gleichzeitig der Entstehung neuer Resistenzen vorbeugen. Zumindest im Labor zeigt sich das Extrakt bisher vielversprechend. Den Wissenschaftlern zufolge wirkt es sogar gegen die aggressivsten MRSA-Stämme, die selbst fitte Athleten ernsthaft krank machen können. Dabei zerstört das Extrakt die gesunden, nicht pathogenen Staphylokokken auf der menschlichen Haut nicht.

Das Team wurde auf die Edelkastanie durch eine aufwändige Recherche aufmerksam: Jahrelang haben die Forscher Bewohner ländlicher Gebiete des Mittelmeerraums zu bewährten traditionellen Heilmitteln befragt. Auffällig oft kam dabei Castanea sativa zur Sprache. „Einheimische erzählten uns wiederholt, dass sie aus den Blättern der Kastanie Tee zubereiten würden, um damit Hautinfektionen und Entzündungen zu behandeln”, so Quave.

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Inhaltsstoffe mit schlagkräftiger Wirkung

Gemeinsam mit dem Mikrobiologen Alexander Horswill von der University of Iowa in Iowa City begab sich das Team deshalb auf die Suche nach medizinisch wirksamen Inhaltsstoffen in den Blättern dieser Pflanze. Am Ende eines zeitintensiven methodischen Prozesses kamen die Forscher schließlich zu einem Extrakt aus 94 chemischen Inhaltsstoffen. Es besteht zu einem großen Teil aus Komponenten auf der Basis von Ursanen und Oleananen, die zu den sogenannten Saponinen gehören. Das sind Stoffe, die den Pflanzen wahrscheinlich als Abwehrstoffe dienen – zum Beispiel gegen Pilzbefall oder gefräßige Insekten.

Tests zeigten, dass dieses Extrakt die Staphylococcus aureus Bakterien unfähig macht, miteinander zu kommunizieren. Diese Kommunikationsprozesse sind für die Erreger aber wichtig, um Gifte zu produzieren und ihre Infektionskraft zu erhöhen. „Unser Extrakt blockiert die Toxinproduktion komplett”, sagt Quave. „Dieser Effekt macht das Extrakt so interessant. Denn es wirkt nicht nur gegen ein bestimmtes Gift, sondern kann eine Reaktionskette unterbinden, die für die Produktion einer Vielzahl von Giften verantwortlich ist.”

Test-Erfolg bei Mäusen

Im Experiment reichte schon eine einzige 50 Mikrogramm-Dosis des Mittels, um keimbefallene Wunden auf der Haut von Mäusen zu heilen. Laut den Wissenschaftlern verlor das Extrakt mit der Zeit weder an Aktivität, noch wurden die Erreger resistent – auch nicht nach zweiwöchigem Gebrauch. Tests an menschlichen Hautzellen zeigten zudem, dass die Pflanzenstoffe der Haut und ihrer normalen Mikroflora nicht schaden.

Für ihre Entdeckung haben Quave und ihre Kollegen bereits ein Patent angemeldet. Nun gilt es, das Extrakt und seine einzelnen Inhaltsstoffe weiter zu untersuchen. Die Forscher wollen den Auszug weiter vereinfachen und ihn auf die wirksamsten Bestandteile reduzieren. Ihr ehrgeiziges Ziel: Das Extrakt aus der Edelkastanie soll künftig einmal von der US-amerikanischen Arzneimittelzulassungsbehörde als Medikament anerkannt und für den Markt freigegeben werden.

Originalarbeit der Forscher: Quave, Cassandra (Emory University Atlanta, Georgia) et al., PLOS ONE

© wissenschaft.de – Daniela Albat
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