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Beherzt zum Erfolg

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Beherzt zum Erfolg

ALS FOLGTEN SIE einer verborgenen Choreographie, zuckten die Zellen in der Petrischale im gleichen Rhythmus – genauso, wie es sich für Herzmuskelzellen gehört. Auch die bdw-Leser werden sich an die Bilder erinnern, die vor drei Jahren durch die Medien gingen. Durch das Mikroskop konnte man einen Zellhaufen beobachten, in dem zunächst eine einzelne Zelle mit Kontraktionen begann – und bald „schlug“ der ganze Zellverband synchron, als wäre er ein Stück Herz.

Diese jungen Herzmuskelzellen hatten mehrere Arbeitsgruppen von Forschern unabhängig voneinander aus adulten Stammzellen gezüchtet. Die Fachwelt machte sich Hoffnungen, solche Zellen eines Tages zur Bekämpfung von Herzinfarkt-Folgen einzusetzen. Der Markt dafür wäre riesig, denn immerhin ist der Herzinfarkt mit 13 Prozent aller Todesfälle die häufigste alleinstehende Todesursache überhaupt. Bei jedem Infarkt sterben Areale von Herzmuskelzellen, was die Funktion des ganzen Organs infrage stellt. Eine „Frischzellenkur“ mit jungen Herzstammzellen könnte die abgestorbenen Zellen ersetzen und die Herzen Infarktgeschädigter neu kräftigen.

Keine andere Stammzell-Vision lockte seither so viele Wissenschaftler und Firmen an wie die Entwicklung von Herzinfarkt-Therapien. Auch der promovierte Biologe Jan-Heiner Küpper fand die Idee derart faszinierend, dass er 2001 mit Prof. Reinhard Kandolf und Anne Kuhn in Tübingen die Firma Heart BioSystems gründete – heute in Heidelberg ansässig. „Unser Ziel ist es nach wie vor, Herzmuskelzellen aus Stammzellen zu gewinnen und zu vermarkten“, berichtet Küpper. Solche Zellen zu züchten, ist Küpper und seinen Kollegen tatsächlich gelungen, was ihnen mehr als nur Medienrummel einbrachte. Denn bei ihrer Arbeit entdeckten sie zufällig etwas anderes, mit dem sie vermutlich sehr viel schneller Geld verdienen werden, als sie bei der Firmengründung dachten.

Küpper: „Wir standen vor einem Problem – die Stammzellen teilten sich nicht häufig genug. Für eine Zelltherapie braucht man wenigstens 100 Millionen Zellen. Eine adulte Stammzelle teilt sich aber nur 10- bis 15-mal, das ist einfach viel zu wenig. Also haben wir nach Möglichkeiten gesucht, die Zellen anzuregen, sich häufiger zu teilen.“ Und die Wissenschaftler wurden fündig: Mit einem bestimmten Protein lässt sich der Vermehrungsprozess exakt steuern, ein- und auch wieder ausschalten. Genauere Auskünfte erteilt Küpper nicht. Denn auch wenn die neue Technologie inzwischen patentiert wurde, will er sie nicht gleich von Konkurrenten kopiert sehen.

Die aus der Not geborene „Ein/Aus-Technologie“ wurde zur Keimzelle einer weiteren Geschäftsidee. Denn nicht nur Stammzellen, sondern auch bereits differenzierte Zellen wie Leber-, glatte Muskel- und Hautzellen lassen sich so zur Teilung anregen. Diese Zelltypen sind normalerweise nur sehr begrenzt teilungsfähig, weshalb es schwierig ist, sie über längere Zeit im Reagenzglas zu halten. Herzmuskel- und Nervenzellen teilen sich in Zellkultur überhaupt nicht.

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„Wir können heute Herzmuskelzellen und bestimmte Bindegewebszellen mit unserer Technologie über einen definierten Zeitraum kontrolliert zur Teilung anregen“, freut sich Küpper. Damit steht den Unternehmern ein neues, riesiges Feld potenzieller Kunden offen: die forschende Biotechnologie- und Pharma-Industrie, die für wissenschaftliche Untersuchungen und für Toxikologie-Tests große Mengen an menschlichen Zellen braucht. Der Zellkultur-Markt ist heute weltweit über 250 Millionen Euro schwer.

Langfristig, meint Küpper, habe Heart BioSystems erst recht glänzende Aussichten: wenn die weiterentwickelte Stammzelltechnologie für die Herzregeneration eingesetzt wird. Dieser Markt, meinen Experten, werde satte 30 Milliarden Euro umfassen. Eine Perspektive, die die Herzen von Küpper und seinen Kollegen höher schlagen lässt. Karin Hollricher■

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