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Covid-19-Risikogruppen: Hinweis auf Hintergründe

Gesundheit|Medizin

Covid-19-Risikogruppen: Hinweis auf Hintergründe
Je älter COVID-19-Patienten sind, desto mehr auf das Virus gerichtete Immunzellen bilden sie aus. Immer weniger dieser T-Helferzellen produzieren jedoch einen antiviralen Botenstoff. Die gleiche Korrelation liegt auch bei einem erhöhten Komorbiditätsindex vor. (Bild: Constanze Gutwasser/Charité)

Warum sind Ältere und Menschen mit bestimmten Grunderkrankungen besonders gefährdet? Einer der Gründe für die häufiger schwer verlaufenden Sars-CoV-2-Infektionen bei den Risikogruppen könnte eine Art „Immunbremse“ sein, geht aus einer Studie hervor: Bei den Risikopatienten werden demnach zwar auf den Erreger geeichte Abwehrzellen besonders häufig gebildet, sie sind aber in ihrer Funktion eingeschränkt. Die Ergebnisse könnten zur Entwicklung eines Therapieansatzes bei schweren Covid-19-Verläufen beitragen, sagen die Wissenschaftler.

„Du solltest besonders aufpassen, dich nicht anzustecken!“ Im Rahmen der Corona-Pandemie bekommen dies bestimmte Menschen immer wieder zu hören. Denn schon früh im Verlauf der Ausbreitung des Virus zeichnete sich ab, dass bei älteren Personen und Menschen mit Gesundheitsproblemen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes die Krankheit besonders häufig einen kritischen Verlauf nimmt. Diese Menschen sind eben geschwächt, könnte man meinen. Doch ganz so simpel lässt sich die Ursache wohl nicht erklären. Wahrscheinlich gibt es eine Reihe medizinischer Gründe dafür, dass der Körper bei den Risikogruppen vergleichsweise schlecht mit der Infektion fertig wird. Ein Faktor ist dabei möglicherweise eine ungünstige Reaktion des Immunsystems. Die Ergebnisse des interdisziplinären Teams um Arne Sattler von der Charité–Universitätsmedizin Berlin liefern nun neue Hinweise auf diesen Aspekt.

T-Helferzellen im Visier

Im Rahmen ihrer Studie untersuchten die Wissenschaftler das Blut von 39 Patienten, die aufgrund einer Sars-CoV-2-Infektion in die Charité aufgenommen worden waren. Aus jeder Blutprobe extrahierten sie die sogenannten T-Helferzellen. Dabei handelt es sich um Schlüsselelemente unseres Immunsystems, die für die Steuerung der Abwehr verantwortlich sind. Die T-Helferzellen der jeweiligen Patienten brachten die Wissenschaftler im Labor mit künstlich hergestellten Bruchstücken des Sars-CoV-2-Erregers in Kontakt. Mithilfe von spezifischen Farbstoffen machten die Forscher dann gezielt diejenigen T-Helferzellen sichtbar, die auf die Virus-Bruchstücke reagierten. Auf diese Weise konnten sie zunächst feststellen, ob es einen Zusammenhang zwischen der Menge der aktivierten T-Helferzellen und den Risikofaktoren der Patienten gab.

Dies führte zu einem zunächst erstaunlich wirkenden Befund: Je älter die Patienten waren, desto mehr Virus-spezifische T-Helferzellen fanden sich in ihrem Blut. Ähnliches galt auch im Hinblick auf den sogenannten Komorbiditätsindex – einer Maßzahl für die Schwere von 19 verschiedenen Grunderkrankungen. Je höher dieser Einstufungswert lag, desto mehr Sars-CoV-2-spezifische T-Helferzellen zirkulierten im Blut der Betroffenen. Mit anderen Worten: Die Risikopatienten bilden sogar ausgesprochen viele auf den Erreger geeichte T-Helferzellen.

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Viele – aber „ausgebremste“ Immunzellen

Die weiteren Untersuchungen zeigten dann allerdings: Die T-Helferzellen der Risikogruppen sind offenbar in ihrer Funktion eingeschränkt. Sie produzieren mit zunehmendem Alter sowie bei zunehmender Belastung durch Grunderkrankungen immer weniger des Botenstoffes Interferon gamma (IFNγ). Wie die Forscher erklären, geben die Immunzellen diesen Botenstoff normalerweise ab, um andere Komponenten der Immunabwehr in Gang zu setzten, wenn sie ein Virus detektiert haben. „Die übermäßig vielen gegen das neue Coronavirus gerichteten T-Helferzellen, die wir im Blut von Covid-19-Betroffenen mit Risikofaktoren gefunden haben, sind also teilweise nicht mehr richtig funktionstüchtig“, sagt Sattler.

Die Wissenschaftler fanden auch Hinweise darauf, was dem Effekt zugrunde liegen könnte: Das bekannte Protein PD-1 fungiert offenbar als molekulare „Bremse“. Von diesem Faktor ist bekannt, dass er auf der Oberfläche von T-Zellen dafür sorgt, dass Immunantworten nicht verrückt spielen – sich beispielsweise gegen den eigenen Körper richten. Aus den Untersuchungsergebnissen der Forscher ging nun hervor, dass die Virus-spezifischen T-Helferzellen während einer starken Sars-CoV-2-Erkrankung deutlich mehr PD-1 bilden als nach einer Infektion mit vergleichsweise milden Symptomen. „Die T-Helferzellen werden bei Menschen mit Risikofaktoren also möglicherweise ausgebremst. Wir gehen davon aus, dass das hinderlich für eine effiziente Bekämpfung des Erregers sein könnte“, so Sattler.

Er und seine Kollegen sehen in den Ergebnissen der Studie und früheren Hinweisen nun medizinisches Potenzial: „Zusammen mit Beobachtungen anderer Wissenschaftler weisen unsere Daten darauf hin, dass PD-1 mitverantwortlich dafür sein könnte, dass das Immunsystem bei einigen Covid-19-Betroffenen zu wenig Botenstoffe zur Erregerabwehr ausschüttet“, sagt Sattler. „Möglicherweise könnten Covid-19-Patienten von Therapien profitieren, die darauf abzielen, eine solche ‚Immunbremse‘ wieder zu lösen. Um das zu klären, sind aber noch zahlreiche Studien nötig“, gibt der Wissenschaftler abschließend zu bedenken.

Quelle: Charité–Universitätsmedizin Berlin, Fachartikel: J Clin Invest., doi: 10.1172/JCI140965

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