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Dem „Glückseffekt“ von Alltagsbewegung auf der Spur

Hirnforschung

Dem „Glückseffekt“ von Alltagsbewegung auf der Spur
Wer sich schlapp und antriebslos fühlt, sollte besser die Treppe statt den Lift nutzen. (Bild: verbaska_studio/iStock)

Sport kann die Stimmung bekanntlich deutlich heben, doch auch simple Alltagsaktivitäten wie Treppensteigen wirken sich günstig auf die psychische Gesundheit aus, verdeutlicht nun eine Studie. Sie zeigt zudem, welche Gehirnstrukturen an diesem Effekt beteiligt sind. Demnach können Menschen besonders intensiv von alltäglicher Bewegungsaktivität profitieren, die aufgrund ihrer neurologischen Merkmale verstärkt zu psychiatrischen Erkrankungen neigen.

Ruhe ist wichtig – doch dabei gibt es bekanntlich auch ein Zuviel des Guten: Wer übermäßig inaktiv ist, fühlt sich oft nicht nur körperlich schlapp und energielos, sondern auch geistig niedergedrückt – depressive Zustände können sich entwickeln. Durch die Corona-Beschränkungen und die trübe Witterung hat dieses Problem momentan eine besondere Relevanz. Dass körperliche Aktivität hingegen das Wohlbefinden steigert, können viele Menschen aus eigener Erfahrung bestätigen und auch wissenschaftliche Studien belegen bereits diesen Effekt. Doch bisher lag der Fokus dabei vor allem auf dem gezielten Training. Wie sich hingegen schon alltägliche Bewegungsaktivitäten wie Treppensteigen, Einkaufen- oder Spazierengehen auf das persönliche Wohlbefinden auswirken, wurde bisher eher wenig untersucht. Unklar ist bisher außerdem, welche Gehirnstrukturen an den Effekten von mangelnder oder gesteigerter Aktivität auf die geistige Gesundheit beteiligt sind.

Wacher und energiegeladener

Der Erforschung dieses Themas hat sich nun ein Forscherteam unter der Leitung des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim (ZI) gewidmet. „Die Untersuchungen wurden durch eine neuartige Kombination verschiedener Forschungsmethoden im Alltag und im Labor möglich“, sagt Co-Autor Ulrich Ebner vom ZI. Um den Effekten der Aktivitäten auf die Spur zu kommen, die den größten Anteil unserer täglichen Bewegung ausmachen, haben die Wissenschaftler zunächst 67 Freiwillige über einen Zeitraum von einer Woche mit Bewegungssensoren ausgerüstet. Diese Geräte wurden anhand von Geolokalisationsdaten ausgelöst, sobald sich die Studienteilnehmer bewegten.

Zudem wurden sie durch eine spezielle Smartphone-App zu verschiedenen Zeiten nach ihrem Befinden befragt. Sie sollten dabei angeben, wie sie das eigene Niveau der Wachheit und Energiegeladenheit einschätzten, und Informationen über ihre psychische Verfassung abgeben. Durch dieses Nachweissystem konnten die Wissenschaftler nun deutlich aufzeigen: Auch alltägliche Aktivitäten haben eine Wirkung. Demnach fühlten sich die Probanden etwa nach dem Treppensteigen deutlich wacher und energiegeladener, ging aus den Auswertungen der Daten hervor. Diese Empfindung war wiederum mit wichtigen Komponenten des Wohlbefindens und der psychischen Gesundheit der Studienteilnehmer verbunden, berichten die Wissenschaftler.

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Relevantes Hirnareal identifiziert

Im zweiten Teil ihrer Studie gingen die Wissenschaftler der Frage nach, welche Areale im Gehirn bei diesem Prozess eine Rolle spielen. Sie wiederholten dazu die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Alltagsaktivität und Wohlbefinden bei 83 weiteren Probanden. Von ihnen waren allerdings durch Scans mittels Magnetresonanztomografie die persönlichen Merkmale der Hirnstrukturen bekannt. In den kombinierten Auswertungen der Daten zeichnete sich dann schließlich ab: Wichtig für das Zusammenspiel von Alltagsbewegung und affektivem Wohlbefinden ist der sogenannte subgenuale Anteil des Anterioren Cingulären Cortex.

Von dieser Hirnregion ist bereits eine Rolle bei der Regulation von Emotionen und der Widerstandsfähigkeit gegenüber psychiatrischen Erkrankungen bekannt: Wer ein vergleichsweise geringes Volumen an grauer Hirnsubstanz in dieser Region aufweist, neigt eher zur Entwicklung von psychiatrischen Erkrankungen. Wie die Forscher erklären, zeichnet sich nun auch eine Rolle dieser Hirnregion beim Zusammenhang von körperlicher Aktivität und subjektiver Energiegeladenheit ab: „Personen, die ein geringeres Volumen an grauer Hirnsubstanz in dieser Region aufwiesen, fühlten sich einerseits weniger energiegeladen, wenn sie körperlich inaktiv waren. Andererseits fühlten sie sich aber auch nach alltäglicher Bewegung deutlich energiegeladener als Personen mit größerem Hirnvolumen“, resümiert Co-Autorin Heike Tost vom ZI das Ergebnis der Auswertungen. Ihr Kollege Andreas Meyer-Lindenberg ergänzt dazu: “Die Ergebnisse verweisen somit auf einen spezifischen Nutzen von körperlicher Aktivität im Alltag für das Wohlbefinden – insbesondere bei Menschen, die anfällig für psychiatrische Erkrankungen sind“, so der Wissenschaftler.

Dem Co-Autor Urs Braun von der University of Pennsylvania liefert das Studienergebnis nun auch Ansatzpunkte für weitere Forschung: „Langfristig ist in Studien zu klären, ob sich durch Alltagsbewegung kausal das Wohlbefinden und das Hirnvolumen verändern lassen und inwieweit diese Ergebnisse helfen könnten, psychiatrische Erkrankungen zu vermeiden und zu therapieren,“ so Braun. Möglicherweise lohnt sich auch der Einsatz einer auf dem Smartphone installierten App, die bei sinkender Energie die Nutzer zu Bewegung stimulieren soll, um das Wohlbefinden zu steigern. „Aktuell leiden wir unter starken Einschränkungen des öffentlichen Lebens und unserer sozialen Kontakte, was sich auf unser Wohlbefinden niederschlagen kann. Um sich etwas besser zu fühlen, kann dabei offenbar schon helfen, öfter mal eine Treppe zu steigen“, sagt Tost abschließend.

Quelle: Karlsruher Institut für Technologie, Fachartikel: Science Advances, 2020. doi: 10.1126/sciadv.aaz8934

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