Stellen Sie sich vor, man könnte nach einer Operation mit einem Blick erkennen, ob die Wunde richtig verheilt – ohne den Verband abzunehmen. Was nach Zukunftsmusik klingt, nimmt in Regensburg in einer Arbeitsgruppe der Münchner Fraunhofer-Einrichtung für Modulare Festkörper-Technologien (EMFT), Gestalt an: Wie bereits im Februar-Heft kurz gemeldet (bdw-Nachrichten: „Pflaster gibt Auskunft”), arbeitet ein Team um den Chemiker Gerhard Mohr an einem Verbandsstoff, der sich bei einer Infektion lila verfärbt.
Das Prinzip dahinter kennt jeder aus dem Chemieunterricht: An die Fasern des Verbandsmaterials ist ein Säure-Base-Indikator gekoppelt, der bei einer Veränderung des pH-Wertes die Farbe wechselt. „Gesunde Haut und fast abgeheilte Wunden haben einen sauren pH-Wert von etwa 5″, erläutert Mohr. Vor dem Abheilen liegt er dagegen bei ungefähr 7, weil der Säureschutzmantel fehlt. Und eine Infektion macht die Wunde sogar basisch. Der pH-Wert steigt auf 8 bis 9.
Zwei Prototypen des schlauen Materials gibt es bereits: ein Pflaster und einen Verband. Wie das endgültige Produkt aussehen wird, wissen die Regensburger allerdings noch nicht. Zum einen suche man für die Herstellung einen Partner aus der Industrie, sagt Mohr. Und zum anderen sei bisher unklar, ob der Indikator die Wundheilung stört, was die Forscher zwar nicht glauben, weil der Farbstoff extrem fest an die Fasern gekoppelt ist. Sicher könne man jedoch ohne klinische Studie nie sein, sagt Mohr.
Aus diesem Grund kann er auch nicht abschätzen, was der Verband kosten wird. Das hänge davon ab, ob das gesamte Material behandelt wird oder nur ein kleiner Teil, der dann wie eine Art Sensor fungieren würde. Mohr glaubt, dass diese Variante das Verbandsmaterial nur „um einige zig Cents teurer” machen würde.