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DOPING FÜR PEKING

Gesellschaft|Psychologie Gesundheit|Medizin

DOPING FÜR PEKING
„Es gibt immer Leute, die dumm genug sind, das auszuprobieren”: Der Genetiker Peter Schjerling ist überzeugt, dass bei den Olympischen Sommerspielen 2008 auch genetisch gedopte Sportler antreten.

DIE ERBANLAGEN EINES SPITZENSPORTLERS bekommt man in die Wiege gelegt – oder intravenös verabreicht: durch Gen-Doping. Bereits vor den letzten Olympischen Spielen in Athen prophezeiten Doping-Experten und Sportwissenschaftler: Solche Versuche, die Natur zu korrigieren, könnten bei den Olympischen Sommerspielen 2008 Realität werden. „In vier Jahren in Peking werden wir Athleten am Start sehen, die sich durch Gen-Doping fit gemacht haben”, prophezeite damals der Genetiker Peter Schjerling vom Muskelforschungszentrum der Universität Kopenhagen in bild der wissenschaft (Heft 8/2004, „Ererbter Lorbeer”).

„Wir nehmen die mögliche Gefahr sehr, sehr ernst”, unterstreicht jetzt Ulrike Spitz von der deutschen Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) in Bonn. Die führende Instanz hierzulande im Kampf gegen das Doping treibt die Entwicklung sicherer Nachweisverfahren voran. Gleichzeitig erhoffen die Hüter des sauberen Sports durch zeitiges Aufklären mehr Sachlichkeit bei der Berichterstattung. Denn so brisant die potenziellen Gefahren auch seien – „manche Szenarien überholen einfach die Realität”, bedauert Spitz: Wassersportler mit Schwimmhäuten oder Schützen mit Adleraugen kann es nur auf der Kinoleinwand geben.

Was real droht, offenbarte sich schon im September 2004. Da fanden sich in E-Mails des inzwischen wegen Doping von Minderjährigen verurteilten Leichtathletiktrainers Thomas Springstein deutliche Hinweise auf das Gen-Dopingmittel Repoxygen – eine zuvor nur im Tierversuch getestete Substanz, die gentechnisch in die Regulation des körpereigenen Blutbildungshormons Erythropoietin („Epo”) eingreift. Gesteigerte Aufnahmekapazität für Sauerstoff und dadurch mehr Leistungskraft als die Konkurrenten wären die Trümpfe des Repoxygen-Gedopten. Ob das noch unausgereifte Medikament damals bereits auf dem Schwarzmarkt erhältlich war, konnten die Fahnder nie aufklären. Der dänische Experte Peter Schjerling hält das Epo-Gen-Doping – nur eine von vielen Varianten – für Russisches Roulette: „Die Nebenwirkungen sind so unkalkulierbar, dass jeder Sportler mit gesundem Menschenverstand die Finger davon lassen sollte.”

Warnsignale ersten Ranges sind die Rückschläge bei der medizinischen Gentherapie, nach deren Grundmuster das Gen-Doping funktioniert: Ein defekter oder unerwünschter Genabschnitt im Erbgut bestimmter Zellen, zum Beispiel Muskelzellen, wird durch Einschleusen neuer DNA-Fragmente ausgetauscht – meist durch Verpacken der neuen Erbinformation in Viren, die dem Patienten injiziert werden. Bei klinischen Studien in den letzten Jahren starben einige derartig Behandelte. Darauf müssten sich auch genetisch dopende Sportler gefasst machen: „Die Beherrschung der Nebenwirkungen und die Steuerung der genetisch veränderten Funktionen sind noch immer problematisch”, formuliert behutsam Klaus Müller, vormals Direktor des Instituts für Dopinganalytik Dresden und Vorstandsmitglied der NADA.

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Also doch kein Gen-Doping in Peking? Schjerling bleibt von der Machbarkeit überzeugt: „Das ist kinderleichtes Handwerk.” Wie simpel die molekularbiologischen Arbeitsschritte tatsächlich sind, demonstrierte der Wissenschaftler im vergangenen Herbst: Einen 17-jährigen Schüler, ungeübt im Umgang mit Pipette und Petrischale, ließ er unter seiner Anleitung ein Gen-Konstrukt klonieren, mit dem man theoretisch auch den Stoffwechsel im menschlichen Muskel hätte aufpäppeln können. „Prinzipiell kann man die nötigen Substanzen überall herstellen”, unterstreicht Schjerling. Und sobald die erst einmal auf dem Markt zirkulieren, ist der dänische Forscher sicher, „wird es immer Leute geben, die dumm genug sind, so etwas auszuprobieren”. Simon Beuck ■

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