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Extrem früher „Glacier Loss Day“

Gletscherschmelze

Extrem früher „Glacier Loss Day“
Blick auf den Hintereisferner am 23. Juni 2018 (links) und am 23. Juni 2022 (rechts). 2018 war bisher das Rekordjahr beim Eisverlust. 2022 wird aber wohl schlimmer, denn bereits im Juni war kaum mehr eine Schneedecke vorhanden. © www.foto-webcam.eu

Ein Eisriese im Bann des Klimawandels: So früh wie nie zuvor hat einer der am besten untersuchten Alpengletscher den Tag des Jahres erreicht, ab dem seine Eismassen-Bilanz ins Minus rutscht: Normalerweise fällt dieser „Glacier Loss Day“ des Tiroler Hintereisferner in den August – doch in diesem Jahr schon auf den 22. Juni. Der Sommer wird nun wahrscheinlich weiter heftig an dem Eisgiganten nagen. 2022 wird er wohl einen noch nie dagewesenen Massenverlust erleiden, befürchten die Gletscherforscher. Wenn der Trend anhält, wird der Hintereisferner in den nächsten 10 bis 15 Jahren die Hälfte seines Eises verlieren.

Aktuell reicht seine Zunge noch etwa 8,6 Kilometer weit ins Tal: Der Hintereisferner in den Ötztaler Alpen wird seit mehr als 100 Jahren genau beobachtet und gilt als ein besonders eindrucksvoller Zeuge des Klimawandels. Bereits 1952 begannen Wissenschaftler mit der kontinuierlichen Erfassung seiner Massenbilanz-Entwicklung. „Wir messen dabei, wie viel Masse der Gletscher im Winter gewinnt und im Sommer verliert“, sagt Rainer Prinz von der Universität Innsbruck. Die Gletschermassenbilanz wird dabei immer vom 1. Oktober des Vorjahres bis zum 30. September des aktuellen Jahres berechnet. „Vergleichbar mit den Ein- und Auszahlungen auf einem Bankkonto ist die Jahresbilanz positiv, wenn der Gletscher in diesem Zeitraum an Masse gewinnt, und negativ, wenn er verliert“, erklärt Prinz.

Schon seit dem 22. Juni im Minus

Seit 2016 erfassen die Gletscherforscher die Veränderung der Masse des Hintereisferners auch auf täglicher Basis: Sogenannte terrestrische Laserscanner tasten die Oberfläche des Gletschers detailliert ab. Dieses Verfahren ermöglicht genaue Aussagen über die Massenbilanz und eine präzise Ermittlung des Tages, ab dem der Gletscher bis zum Beginn der kälteren Jahreszeit nur noch an Masse verliert. Je früher im Jahr dieser Tag – der Glacier Loss Day – erreicht ist, desto schlechter ist das für die Massenbilanz des Gletschers, erklären die Forscher. „Um bei dem Beispiel mit dem Bankkonto zu bleiben: Ideal wäre eine ausgeglichene Bilanz, oder sogar eine positive. Eine ausgeglichene Bilanz hätten wir, wenn der Gletscher nach einem Jahr gleich viel Masse verloren wie gewonnen hat. Das Konto des Hintereisferners rutscht allerdings immer früher ins Minus“, sagt Annelies Voordendag von der Universität Innsbruck.

Und in diesem Jahr ist es besonders schlimm, wie aus den Untersuchungen hervorgeht: Der Glacier Loss Day wurde am Hintereisferner bereits am 22. Juni erreicht, so früh wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen. „Der Hintereisferner hat aufgrund des schneearmen Winters und des warmen Frühlings bereits zur Sommersonnwende seine ausgeglichene Bilanz im Vergleich zum vorigen Herbst erreicht. In den letzten zwei Jahren war der Glacier Loss Day erst etwa Ende August. Selbst in den Jahren mit negativen Bilanzextremen – wie zum Beispiel 2003 und 2018 – wurde dieser Tag erst Ende Juli erreicht“, so Prinz.

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Enormes Schrumpfen befürchtet

Insgesamt rechnet der Gletscherforscher daher mit einer extrem negativen Massenbilanz für den Hintereisferner. „Selbst wenn der Sommer 2022 ein ‚normal warmer’ Sommer werden sollte, wird sehr viel Gletschereis schmelzen. Es ist jetzt bereits mehr als die Hälfte des Gletschers nicht mehr mit Schnee bedeckt und somit der Sonnenergie schutzlos ausgeliefert“, sagt Prinz. „Diese Entwicklung liegt außerhalb von bisher bekannten Schwankungsbreiten – sowohl der Massenbilanz als auch des Klimas. Es handelt sich um eindeutige Klimawandel-Signale, die auf die menschengemachte Klimaerwärmung zurückzuführen sind. Das sind Folgen unserer Treibhausgasemissionen, die uns heute bereits voll treffen“, betont der Wissenschaftler.

Auch die weitere Prognose fällt düster aus: „Warme Frühlinge und Sommer werden künftig weiter zunehmen. Effektive und rasche Klimaschutzmaßnahmen können noch einen entscheidenden Einfluss auf viele Gletscher der Welt haben, zum Beispiel in Hochasien. Allerdings wissen wir jetzt schon, dass der Hintereisferner in den nächsten Jahren im Schnitt jährlich fünf Prozent seines heutigen Volumens verlieren wird. Damit wird schon bis zur Hälfte des Jahrhunderts bestenfalls nur noch extrem wenig Gletschereis übrig sein“, sagt Fabien Maussion von der Universität Innsbruck.

Quelle: Universität Innsbruck

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