ohrenschmerzen – ein Schrecken für Eltern mit kleinen Kindern. Oft steckt eine Mittelohrentzündung dahinter. Ist ein Infekt abgeklungen, steht oft schon der nächste vor der Tür. Schuld daran ist möglicherweise die erhöhte Feinstaubbelastung durch den Straßenverkehr, wie Wissenschaftler des Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit (GSF) in München jetzt herausgefunden haben.
In den ersten zwei Lebensjahren machen mindestens 35 Prozent aller Kinder eine oder mehrere, oft sehr schmerzhafte Entzündungen des Mittelohrs durch. In diesem Alter ist die Verbindung zwischen Rachenraum und Mittelohr, die Eustachische Röhre, noch relativ kurz und weit, sodass Bakterien leicht in das Hörorgan vordringen können. Kinder, die häufig erkranken, hören oft schlecht und hinken in der Sprachentwicklung hinterher. „ Bekannt ist, dass Kinder aus Raucherhaushalten besonders oft unter Mittelohrentzündungen leiden. Da lag es für uns nahe, auch andere Feinstaubquellen zu untersuchen“, erklärt Joachim Heinrich vom GSF. Mit seiner Arbeitsgruppe für Umweltepidemiologie wertete er die Daten von 665 Münchener Kindern aus, die zwischen 1996 und 1999 geboren wurden, und deren Gesundheitszustand die Forscher seitdem kontinuierlich erfasst haben. Für jedes Kind wurde anhand fein gerasterter Feinstaubmessungen und -berechnungen im Stadtgebiet die individuelle Belastung erfasst. Das Hauptaugenmerk der Forscher lag auf Partikeln mit einem Durchmesser unter 2,5 Mikrometern, wie sie für Abgase von Dieselfahrzeugen typisch sind. Die Umgebung der Kinder war im Durchschnitt mit etwa 13 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft belastet. Joachim Heinrich: „Aufgrund unserer genauen Datenbasis konnten wir eindeutig zeigen, dass Mittelohrentzündungen bis zum zweiten Lebensjahr häufiger auftreten, wenn die Kinder an viel befahrenen Straßen wohnen.“
Statistisch erhöht sich das Krankheitsrisiko um 24 Prozent, wenn die Partikelbelastung um 3 Mikrogramm pro Kubikmeter ansteigt. Dass es diesen Zusammenhang gibt, bestätigen die Daten von über 4000 niederländischen Kindern, die das Münchener Forscherteam zusätzlich ausgewertet hat. Bei ihnen stieg das Krankheitsrisiko ebenfalls, wenn auch mit 13 Prozent weniger drastisch.
Joachim Heinrich erklärt das Phänomen so: „Wir vermuten, dass Feinstäube die Atemwege reizen und dort Entzündungen hervorrufen. Die Schleimhäute schwellen an, und das behindert die Belüftung des Innenohrs durch die Eustachische Röhre.“ Bakterien finden dann geradezu ideale Bedingungen, um sich im Mittelohr festzusetzen. Außerdem könnten die Schadstoffe die fein abgestimmte Bewegung der Flimmerhärchen stören, die Krankheitserreger normalerweise wie auf einem Förderband aus den Atemwegen herauskomplimentieren, vermutet der Wissenschaftler.
Was können die Eltern tun? „Es bringt in der Regel wenig, die Schlafräume nach hinten zu legen“, meint Heinrich. Denn die Diesel-Feinstäube verteilen sich relativ gleichmäßig um das Haus herum. Er empfiehlt, die Fenster meist geschlossen zu halten und nur zum Stoßlüften zu öffnen – am besten mehrfach am Tag und zu verkehrsarmen Zeiten. Ulrich Fricke
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Aktuelle Informationen zur Feinstaubproblematik:
www.umweltbundesamt.de
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Annerose Keilmann
Hört mein Kind richtig?
Schulz-Kirchner, Idstein 2007, € 16,95
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GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit
Dr. Joachim Heinrich
Institut für Epidemiologie
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