Kein Buch für zarte Gemüter: Den Anfang etwa macht eine detaillierte Reportage darüber, wie ein Mediziner und ein Präparator einer toten 90-jährigen Frau Oberschenkelknochen und weitere Körperteile entnehmen und ihren Leichnam anschließend für die Beerdigung herrichten. Auch einem Angestellten des Deutschen Instituts für Zell- und Gewebeersatz, der später die Knochen zerschneidet und die entstandenen Quader sterilisiert, schaut der Leser über die Schulter. Die Schilderung geht unter die Haut, gerade weil die Journalistin Martina Keller nicht auf billige Effekte setzt, sondern schlicht und sachlich schreibt.
Die Medizin kann heute fast sämtliches Gewebe einer Leiche nutzen – neben Knochen auch Haut, Sehnen, Knorpel und Gefäße: zum Beispiel für die Zahnimplantologie, die Augenchirurgie und die Orthopädie. Keller zeigt in ihrem Buch akribisch auf, wie die Gewebe verwertet werden und welche Preise die Produkte daraus auf dem Markt erzielen. Brisant: Auf der Rückseite des Organspendeausweises werden „Organe und Gewebe“ stets gemeinsam genannt. Wer dort einfach nur „Ja“ ankreuzt, gibt auch die Gewebe seines Körpers zur Entnahme frei, was sehr selten der Lebensrettung dient.
Die Autorin bezieht klar Position: Sie kritisiert die Kommerzialisierung des menschlichen Körpers, bemängelt die Nähe gemeinnütziger Organisationen zu gewinnorientierten Firmen und fordert eine bessere Aufklärung über die Ge- webespende. Völlig unnötig allerdings, dass sie bestimmte Informationen – etwa die, dass Hautlappen von Toten auch zur Penisverdickung eingesetzt werden – an verschiedenen Stellen ihres Buches wiederholt. Frank Frick
Martina Keller AUSGESCHLACHTET Econ, Berlin 2008 250 S., € 18,– ISBN 978–3–430–20040–0