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Großangriff auf die Malaria

Gesundheit|Medizin

Großangriff auf die Malaria
Lange Zeit haben die Industrieländer kaum Medikamente gegen die Malaria entwickelt. Jetzt stellen sie Geld bereit – und haben neue Erfolg versprechende Wirkstoffe in der Pipeline.

Der kleine Alex brüllt, als ginge es um sein Leben. Dicke Tränen kullern aus den großen braunen Augen des Einjährigen. Doch scheinbar ungerührt sticht Tropenmediziner Bertrand Lell mit feiner Nadel in den winzigen Zeigefinger und sammelt einen Tropfen Blut, um es unter dem Mikroskop zu beäugen. Der Arzt sucht Malaria-Parasiten. „Weil Alex Fieber hatte“, sagt Lell.

Man versteht den Arzt kaum: Sechs weitere Säuglinge haben in Alex‘ Gebrüll eingestimmt. Baby an Baby reiht sich im Behandlungszimmer der Forschungsstation im weltberühmten Albert-Schweitzer-Hospital mitten im Dschungel des zentralafrikanischen Landes Gabun. Sie alle nehmen teil an einer der wichtigsten Malaria-Studien weltweit. Die Ärzte wollen möglichst viele Kleinkinder mit Medikamenten vor der schweren Malaria schützen – vorbeugend. „Wenn das klappt – und dafür gibt es erste Anzeichen –, wäre das eine große Sache“, sagt Peter Kremsner, Tropenmediziner an der Universität Tübingen, der die Malaria-Forschung in Lambaréné leitet.

Noch immer wütet die Epidemie vor allem auf dem afrikanischen Kontinent. Hier sterben pro Jahr etwa eine Million Menschen an der Krankheit – trotz der so genannten Roll-Back-Malaria-Kampagne, die die Weltgesundheitsorganisation vor neun Jahren begonnen hat. Das hoch gesteckte Ziel: die Zahl der Malaria-Toten bis 2010 zu halbieren. „Das werden wir nicht schaffen“, meint Kremsner. Dennoch sieht er neue Hoffnung, die Katastrophe in den kommenden Jahren zumindest einzudämmen:

So genannte Public-Private Partnerships sammeln Dutzende Millionen Dollar, die sie gezielt für die Entwicklung neuer Wirkstoffe gegen die Malaria investieren. Ein halbes Dutzend neuer Medikamente werden derzeit klinisch getestet, darunter die ersten wirklich neuen Wirkstoffe seit mehreren Jahrzehnten.

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Die USA und andere Industriestaaten bringen bis 2010 zusätzlich 1,2 Milliarden Dollar als Sonderhilfe auf, um Infrastruktur und Aufklärung zu verbessern – allerdings nur in ausgewählten Staaten. Zudem steckt die Stiftung von Microsoft-Gründer Bill Gates Hunderte Millionen Dollar in Projekte gegen die Malaria.

Was die Krankheit für die erkrankten Menschen bedeutet, erlebt man in der Kinderstation des Schweitzer-Hospitals. Die kleine Cécile kann nicht mehr weinen und brüllen. Ihr bewusstloser Körper zuckt, als litte sie an Epilepsie. Vor gut einer Woche wurde sie von einem der unzähligen Moskitos gestochen, die in weiten Teilen Afrikas eine gefährliche Fracht tragen: Malaria-Parasiten, einzellige Tiere mit dem Fachnamen Plasmodium falciparum. „Erst hat sie hohes Fieber bekommen und nichts mehr gegessen“, erzählt die Mutter, die Céciles Hand hält. Die Dreijährige wurde schwächer, fing an zu zittern. Nach ein paar Tagen stieg das Fieber auf 40 Grad. Sie redete wirres Zeug, dann wurde sie bewusstlos. „Da bin ich mit ihr ins Hospital gefahren“, sagt die Mutter erstaunlich gefasst.

Zu spät? Cécile leidet an der so genannten zerebralen Malaria – für Kremsners Mitarbeiter Bertrand Lell „eines der bösesten Gesichter der Krankheit.“ Von den vier Plasmodien-Arten, die beim Menschen Malaria auslösen, ist der Erreger Plasmodium falciparum der gefährlichste. Er verursacht die komplizierte Malaria tropica, die zu Kreislaufschock, einem Lungenödem und akutem Nierenversagen führen kann. Die zerebrale Malaria stellt die schwerste Verlaufsform der Malaria tropica dar. Bei ihr kann es zu Bewusstseinsstörungen und Verwirrtheit kommen, bis zum Koma. In vielen Fällen führt sie zum Tod.

Der Erreger attackiert in diesen Fällen das Gehirn. Daran oder an Blutarmut sterben die meisten der Malaria-Opfer – weltweit etwa zwei Millionen Menschen jährlich, die meisten davon Kleinkinder in Afrika, die wegen ihres schwachen Immunsystems besonders anfällig sind. Jetzt fließt aus einem Tropf Chinin in Céciles Blut – das älteste Malaria-Medikament überhaupt. Wegen seiner zuweilen heftigen Nebenwirkungen wie einer Unterzuckerung wird es nur noch in schweren Fällen eingesetzt. Aber „Chinin wirkt fast immer“, sagt Lell, „wir kennen kaum Resistenzen“.

Chinin ist in dieser Beziehung die große Ausnahme. Was immer der Mensch ansonsten gegen die Malaria in seinen Labors erfindet – der Parasit Plasmodium weiß nach einigen Jahren eine Antwort, die ihn gegen die Medikamente unangreifbar macht. Der Mechanismus ist einfach, aber effektiv: Der einzellige Erreger verändert sein molekulares Gesicht an genau jenen Stellen, an denen die Arzneien ihn angreifen. Erst zählen nur wenige unter den Parasiten zu den Widerstandsfähigsten, dann werden es ständig mehr. Die Mediziner können an dieser ernüchternden Erkenntnis längst nicht mehr vorbeisehen:

• Chloroquin, die einstige, mit zehn Cent pro Behandlung auch für Drittweltländer erschwingliche Wunderwaffe ist weitgehend wirkungslos.

• Auch SP (Sulfadoxin-Pyrimethamin), ein anderer billiger Wirkstoff, versagt inzwischen bei jeder dritten Behandlung – auch wenn die Situation regional noch unterschiedlich ist.

Studien zeigen, dass einige Stämme von Plasmodium falciparum heute tausendmal schneller resistent werden als vor 40 Jahren. Deshalb gilt: „Je mehr neue Medikamente wir bekommen, desto besser!“, bringt es der Molekularbiologe Michael Lanzer von der Universität Heidelberg auf den Punkt.

Das sieht auch die gemeinnützige Vereinigung „Medicines for Malaria Venture“ (MMV) so, die Public-Private Partnerships für die Entwicklung neuer Medikamente organisiert. Über Spenden etwa aus der Gates-Stiftung finanziert, fördert die MMV mittlerweile rund 20 Malaria-Projekte von Universitäten und seit kurzem auch von Pharma-Unternehmen. Bisheriges Budget: über 250 Millionen US-Dollar. Im Gegenzug stellen die Konzerne ihr Know-how und weitere Gelder zur Verfügung. Damit soll sich die Industrie für Projekte engagieren, die sich rein marktwirtschaftlich nicht rechnen würden und die sie bislang meist gemieden hat wie der Teufel das Weihwasser. Die jetzigen Partner: Novartis, SanofiAventis, GlaxoSmithKline und Roche, aber auch die größte indische Pharmafirma Ranbaxy.

„Wir hoffen, dass der Enthusiasmus nicht vergeht“, sagt MMV-Chef Christopher Hentschel und stellt dann fest: „Zum ersten Mal seit Jahrzehnten sind völlig neue Malaria-Wirkstoffe in der Pipeline.“ Einige Beispiele:

• Falcipaine genannte Substanzen blockieren einen Prozess, mit dem Plasmodium falciparum den roten Blutfarbstoff des Menschen für seine eigene Entwicklung nutzt.

• Pyridone kappen die Energieerzeugung des Malaria-Parasiten und schwächen ihn so.

• Fosmidomycin attackiert mehrere Stoff- wechselwege des Parasiten gleichzeitig.

Ein großes Problem bei der Plasmodium-Bekämpfung ist, dass der Erreger ein Tier und darum dem Menschen biochemisch recht ähnlich ist. Was dem Parasiten schadet, ist meist auch für Homo sapiens giftig. Die Forscher müssen darum Stoffwechselwege finden und attackieren, die Plasmodium hat, aber dem Menschen fehlen. Mit Fosmidomycin ist dies Gießener Wissenschaftlern gelungen. Darum ist die Substanz besonders gut verträglich.

„Alles hervorragende Ansätze“, findet Michael Lanzer, der „in den nächsten zehn Jahren optimistisch gesehen drei bis fünf neue Medikamente“ erwartet. Inzwischen wollen die Ärzte ihre bislang neueste Trumpf-Karte ausspielen. Aus der in China wachsenden Pflanze Artemisia annua wird mühsam ein Artemisin genannter Stoff isoliert. Die Pharmafirma Novartis hat ihn zu einem Medikament weiterentwickelt. Nach eigenen Angaben gibt sie das Mittel zum Herstellungspreis an die Weltgesundheitsorganisation ab. Die WHO wiederum koordiniert gemeinsam mit den Behörden vor Ort den Einsatz der neuen Arzneien, sobald die bisherigen Malaria-Medikamente wie Fansidar nicht mehr wirken. Stets werden die Artemisin-Substanzen mit einem zweiten Medikament kombiniert. Denn der Doppelangriff verlangsamt zumindest die Bildung von Resistenzen.

Als Erste hat die Regierung der südafrikanischen Provinz KwaZulu-Natal eines der neuen Kombinationspräparate eingeführt. Unter anderem deshalb ist binnen drei Jahren die Zahl der Malaria-Erkrankungen und -Todesopfer auf fast null gesunken. Auch anderswo in Afrika, erzählt Peter Kremsner, liefern die Hoffnungsträger exzellente Ergebnisse – selbst wenn die Forscher den Müttern der Kinder, wie es in Afrika üblich ist, nur spärliche Informationen zur Therapie gaben. Und selbst wenn die Pillen nicht so genau verabreicht wurden, wie es sein sollte. „ Damit kommen wir zumindest einigermaßen an die Realität in Afrika heran“, erklärt der Tübinger Tropenmediziner.

Das Problem: der Preis. Die Artemisin-Kombinationspräparate zu produzieren, ist schwierig und entsprechend teuer. So kostet das bisher verfügbare Präparat mit etwa einem US-Dollar pro Pille mindestens zehnmal mehr als die Behandlung mit Chloroquin – zu viel für die meisten Afrikaner. Lösungen für ein billiges, gutes und leicht herzustellendes Malaria-Medikament sind gefragt. Im letzten Jahr ist es US-Medizinern geglückt, mit gentechnischen Methoden ein Vorprodukt von Artemisin in Hefe herzustellen – ein Durchbruch, findet das Fachblatt „Nature“. Diese Technik wird mittelfristig die Herstellungskosten erheblich drücken. Inzwischen läuft eine Studie mit einem neuen Artemisin-Kombinationspräparat, das billiger als das derzeit eingesetzte ist und das obendrein nur eine dreitägige Therapie erfordert. Langfristig hingegen könnte Oz277 – so der Laborname – der Hoffnungsträger sein. Von der indischen Pharmafirma Ranbaxy praxisreif gemacht, wirkt das Medikament ähnlich wie die Artemisine und wird schon erfolgreich in Studien am Menschen getestet.

Während Christopher Hentschel vom „größten Durchbruch der Malariaforschung in unserer Generation“ spricht, schlagen Experten des „US Institute of Medicine“ ein neues Subventionssystem vor. Die Idee: Die Artemisin-Medikamente mit Mitteln eines globalen Fonds schon beim Einkauf durch die afrikanischen Staaten so zu subventionieren, dass sie nicht mehr kosten als Chloroquin. Dann könnte man sie als erschwingliche „ Allerweltspräparate“ an die Kioske abgeben. Tatsächlich kaufen viele Menschen ihre Medizin am Kiosk – auch das nicht mehr wirkende Chloroquin. Nur mit diesem neuen Subventionssystem lasse sich die Epidemie rasch stoppen.

Der Hintergrund: Obwohl inzwischen weltweit 32 Länder die Artemisin-Medikamente zur offiziellen Erstbehandlung erklärt haben, kommen sie nur schleppend in der Praxis an. In Sambia beispielsweise „erhält derzeit nur jedes vierte Kind die Therapie“ , erklärt Chris Whitty von der Universität London. Der Experte plädiert für „eine Partnerschaft zwischen den jeweiligen Ministerien und Forschern vor Ort, um die Einführung der Medikamente richtig hinzukriegen“.

Was solche Partnerschaften bewirken, zeigt sich in Lambaréné. „ Seit wir hier sind, stirbt kaum jemand an Malaria“, sagt Peter Kremsner. Die kleine Cécile hat gerade noch überlebt, weil sie im Schweitzer-Hospital richtig behandelt wurde. Am nächsten Tag schon staunt sie lächelnd über die Pinocchio-Figur, die an der Decke ihres sonst kahlen Dreibettzimmers baumelt. Ihre Mutter kann es kaum fassen. „Es geht ihr gut“, sagt sie erleichtert.

Später am Nachmittag geht Bertrand Lell auf Visite, um sechs Familien zu besuchen, die an den gerade laufenden Malaria-Studien der Tübinger Tropenmediziner teilnehmen. Wir treffen auch die 18 Jahre alte Chandelle Mpolo, die Mutter des kleinen Alex. Sie lebt am Stadtrand, schon fast im Dschungel. Überall stehen achtlos abgestellte Fässer voller Wasser – in denen schon winzige Mückenlarven zucken. „Das sind ideale Brutplätze für die Moskitos, die die Malaria-Parasiten übertragen“, erklärt Lell der Frau.

Es dämmert schon, und wie auf Signal schwirren die ersten Moskitos aus. Doch die Familie ist zumindest zur Schlafenszeit gewappnet. Chandelle Mpolo zeigt die Betten in ihrem kleinen Haus. „Wir haben Moskitonetze“, sagt sie, „obwohl wir sie uns kaum leisten können.“ Dank der Schweitzer-Ärzte weiß inzwischen fast jeder in Lambaréné, wie wertvoll Moskitonetze sind – und dass man sie alle sechs bis zwölf Monate neu mit Insektenschutzmitteln besprühen muss. Behandelte Netze schützen nicht nur vor Stichen, sondern töten die Mücken, wenn diese die Maschen berühren. Allerdings werden in einigen Regionen Afrikas die Moskitos resistent gegen das meist benutzte Insektizid Pyrethroid. Doch schon stehen Alternativen bereit. Die BASF testet in Feldstudien ein Netz, das mit dem neuen Insektizid Fendozin beschichtet ist und das mehrmals ohne Wirkungsverlust gewaschen werden kann – was unter dem Strich billiger kommt als die herkömmlichen Netze. Den Start der Routine-Produktion erwartet Ulrich Karl von der BASF noch in diesem Jahr.

„Jetzt müssen wir die Netze auch in entlegenen Gebieten fördern und finanzieren“, sagt Christian Lengler vom Schweizer Institut für Tropenmedizin in Basel. Denn nach Schätzungen schläft in ganz Afrika höchstens jedes zehnte Kind unter den potenziellen Lebensrettern. Die Gründe des Missstands: Armut und mangelnde Aufklärung. Zudem erheben viele Länder noch immer Steuern auf Netze und Insektizide, obwohl sie im Jahr 2000 deren Abschaffung versprachen.

Schon einfache Maßnahmen helfen gegen die Unwissenheit. Mobile Theater, Plakate auf Bussen, Botschaften bei Fußballspielen und in Gemeindeversammlungen steigern nachweislich den Gebrauch von Moskitonetzen. Ein Großteil der von den Industriestaaten, der Weltbank und der Gates-Stiftung bewilligten zusätzlichen Malariahilfe soll dazu dienen, die Netze zu kaufen und zu verbreiten, „weil sie die Zahl der Infektionen und Todesfälle erheblich drücken könnten“, sagt Kremsner.

Ähnliches erhofft sich der Tropenmediziner von der neuen Vorbeugungs-Strategie mit Medikamenten, die unter dem Titel „IPTI“ firmiert (Intermittent Preventive Treatment in Infants). Interessanterweise werden nicht nur Malaria-Parasiten resistent gegen Medikamente, sondern auch Menschen gegen den Malaria-Parasiten. „Wer sich jedes Jahr mehrfach mit der Malaria infiziert, baut in der frühen Kindheit einen lebenslangen Teilschutz auf.“ Etwa ab dem fünften Lebensjahr werden die Mädchen und Jungen zwar noch krank, doch die Malaria bringt sie nicht mehr um. Nun wollen die Mediziner die Kinder mit den wirksamen Medikamenten so schützen, dass sie trotz Infektionen die ersten kritischen Lebensjahre überstehen, bis sie semi-immun geworden sind.

In einer Pilotstudie in Tansania wurden die Medikamente im zweiten, dritten und neunten Lebensmonat zu den regulären Impfterminen verabreicht, die in vielen Regionen Afrikas sehr gut wahrgenommen werden. Ergebnis: Noch im zweiten Lebensjahr waren ein Drittel der Kinder geschützt. Da Malariaparasiten und -häufigkeit aber von Land zu Land variieren, testen jetzt mehrere Forscherteams die Strategie mit abgewandeltem Procedere – unter anderem in Lambaréné. Kleinkinder wie Alex nehmen die Arzneien im Alter von 3, 9 und 15 Monaten. So rechnet Kremsner mit noch besseren Ergebnissen als in Tansania und setzt vor allem deshalb darauf, „weil diese Vorbeugung auch wirklich umsetzbar ist.“ Das würde heißen: 30 bis 50 Prozent weniger tote Kinder – Hunderttausende gerettete Menschenleben Jahr für Jahr.

Die Bedingung hierfür: Die Industriestaaten müssen sich weiterhin ihrer Verantwortung bewusst sein und in den kommenden Jahren das Geld für eine flächendeckende weltweite Kampagne aufbringen. Die Allianz gegen die Malaria hat ermutigende Erfolge vorzuweisen – doch bislang erst lokal oder regional. ■

bdw-Autor Klaus Wilhelm hat es bei seiner Recherche in Afrika sehr zu schaffen gemacht, so viele malariakranke Kinder zu sehen.

Klaus Wilhelm

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Wie Forscher und Ärzte den Kampf gegen die tödliche Infektionskrankheit Malaria führen, hat auch die Kollegen vom TV-Wissensmagazin nano auf 3Sat fasziniert. In Zusammenarbeit mit bild der wissenschaft haben sie einen Fernsehfilm zum Thema produziert. Er wird am Donnerstag, den 28. September um 18.30 Uhr das erste Mal in 3Sat ausgestrahlt. Weitere Informationen und Sendetermine finden Sie auf:

www.3sat.de/nano

Internet

Die Weltgesundgesundheitsorganisation über Malaria:

www.who.int/topics/malaria/en/

So schützen Sie sich auf Reisen vor dem Wechselfieber:

www.gesundes-reisen.de/

Ohne Titel

Tropisches Klima und Armut sind die größten Risikofaktoren für Malaria. Afrika leidet besonders stark unter der gefährlichen Infektionskrankheit. 90 Prozent der über eine Million Malaria-Toten jährlich sind Afrikaner. Auf ihrem Kontinent wütet Plasmodium falciparum, der tödlichste Erreger des Wechelfiebers. Vor allem Kinder unter fünf Jahren fallen ihm zum Opfer.

Ohne Titel

Er trägt den Namen „RTS,S“ und ist vielleicht der erste Malaria-Impfstoff, der jemals zugelassen wird – schon in fünf oder sechs Jahren, glaubt Jean Stéphenne, Präsident von GlaxoSmithKline Biologicals. Das Unternehmen will zusammen mit der gemeinnützigen Organisation „Malaria Vaccine Initiative“ (MVI) bald eine neue Großstudie mit dem Produkt in Afrika starten. Vor kurzem hat die Gates-Stiftung dafür weitere 107 Millionen Dollar genehmigt.

Eine zunächst sechs Monate laufende Studie in Mosambik zeigte: In der mit RTS,S geimpften Gruppe von Kindern reduzierten sich die Malaria-Fälle mit den typischen Krankheitssymptomen um etwa 30 Prozent – im Vergleich zu einer Kontrollgruppe mit Mädchen und Jungen, die ein Placebo bekommen hatten. Im mittlerweile eineinhalbjährigen Untersuchungszeitraum erkrankten zudem knapp 50 Prozent weniger Kinder an schwerer, lebensbedrohlicher Malaria. Die Daten zeigten, „dass ein Impfstoff möglich ist“, erklärt Studienleiter Pedro Alonso von der Universität Barcelona.

Die Vakzine enthält einen CSP genannten Eiweißstoff aus den „ Sporozoiten“ von Plasmodium, dem Entwicklungsstadium, in dem es von der Mücke auf den Menschen übertragen und in der Leber vermehrt wird. Die Immunantwort soll die Sporozoiten töten, bevor sie ihr erstes Opfer, die menschlichen Leberzellen, befallen können. Zweifellos ein „interessanter Impfstoff“, kommentiert Hermann Bujard von der Universität Heidelberg. Allerdings sei „ problematisch“, dass er nur teilweise wirke und auf das Leber-Stadium der Infektion abziele. Denn die Krankheitssymptome werden von den „Merozoiten“ ausgelöst, die zu Zehntausenden aus jeder infizierten Leberzelle schlüpfen (siehe Grafik auf Seite 30).

Bujard zielt mit einem eigenen Produkt auf das Blutstadium der Infektion. Seine Hoffnung: Die Kinder so weit zu schützen, dass sie schon im ersten statt im fünften Lebensjahr semi-immun gegen den Erreger werden. Dann erkranken die Mädchen und Jungen zwar noch, sterben aber nicht mehr an der Malaria. Die Ergebnisse der Labor- und Tierexperimente waren vielversprechend. Momentan laufen Vorbereitungen für erste klinische Studien am Menschen, die noch dieses Jahr starten sollen.

Rund 20 solcher „rekombinanter“ Impfstoffe mit Proteinen des Erregers werden derzeit in Labors oder klinischen Versuchen getestet. Eines allerdings scheint klar: Sie können nicht 80 oder 90 Prozent der Menschen vollständig vor der Infektion schützen, weil Teile eines Erregers nur bedingt wirken – anders als etwa ein Grippe-Impfstoff, der den gesamten abgetöteten Erreger enthält. „Da sieht es bei der Malaria ganz düster aus“, klagt Molekularbiologe Michael Lanzer von der Universität Heidelberg, obwohl seine Mitarbeiter zumindest bei Mäusen einen „ganz fantastischen“ Ansatz kreiert haben. Die Forscher um Kai Matuschewski haben den Parasiten abgeschwächt, indem sie ein bestimmtes Gen ausgeschaltet haben, das Plasmodium für die Entwicklung in der Leber braucht. Er befällt zwar noch das Organ, kann sich aber nicht vermehren. Impft man Mäuse mit den derart veränderten Erregern, reagiert ihr Immunsystem so stark, dass sie auch vor einer folgenden echten Infektion geschützt sind. Doch „ bis wir das am Menschen anwenden können, vergehen noch viele Jahre“, dämpft Lanzer überzogene Erwartungen.

Ohne Titel

• Zum ersten Mal seit Jahrzehnten gibt es gute Aussichten auf neue Anti-Malaria-Medikamente.

• Auch in der Impfstoff-Forschung gibt es inzwischen Präparate, die zumindest einen teilweisen Schutz vermitteln.

• Mit Kombinationspräparaten wollen Ärzte Resistenzen verhindern.

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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Steu|er|ver|güns|ti|gung  〈f. 20; meist Pl.〉 Steuervorteil, der aus sozialen od. wirtschaftspolitischen Gründen gewährt wird ● der Abbau von ~en für die Landwirtschaft

In|kom|pa|ti|bi|li|tät  〈f. 20; unz.〉 Ggs Kompatibilität 1 Unvereinbarkeit, z. B. mehrerer öffentl. Ämter in einer Person … mehr

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