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GÜRTELROSE: WARTEN AUF DEN IMPFSTOFF

Gesundheit|Medizin

GÜRTELROSE: WARTEN AUF DEN IMPFSTOFF
Gegen die schmerzhafte Viruskrankheit gibt es jetzt einen Impfstoff. Aber noch ist er teuer und nicht überall erhältlich.

Praktisch jeder in Deutschland hat Antikörper gegen die Windpocken. Entweder wurde er geimpft, oder er hat die Krank-heit in der Kindheit durchgemacht. Windpocken-Viren sind sehr ansteckend und finden – per Tröpfcheninfektion – auch noch nach einem Flug von zehn Metern ein Opfer. Wenn Kinder die Feuchtblattern, wie sie auch genannt werden, überstanden haben, zieht sich das Varizella-Zoster-Virus, ein Herpes-Virus, zurück in die Nervenwurzeln des Rückenmarks und der Hirnnerven – zunächst nur als harmloser Schläfer. Doch mit zunehmendem Alter, bei einem geschwächten Immunsystem, aber auch in Stressphasen oder nach einer Grippe, kann das Virus wieder aufwachen – und eine höchst schmerzhafte Nervenerkrankung auslösen, die „ Gürtelrose” (Herpes Zoster).

Seit 2004 wird in Deutschland die Windpocken-Impfung für Kinder empfohlen. Sie senkt vermutlich auch das Risiko für eine spätere Gürtelrose. Seit 2009 ist bei uns zudem ein Impfstoff zugelassen, der den Ausbruch eines Herpes Zoster bei bisher ungeimpften Erwachsenen verhindern soll. Der neue Hoffnungsträger „Zostavax” wurde in einer großen placebokontrollierten Studie getestet. Über 38 000 ältere Menschen nahmen daran teil. Die Ergebnisse sind vielversprechend, meint Peter Wutzler, Direktor des Instituts für Virologie und Antivirale Therapie am Universitätsklinikum Jena. „Das Risiko, einen Zoster zu bekommen, hat sich in der Gruppe der Geimpften um die Hälfte reduziert. Besonders wichtig ist, dass die Schmerzbelastung der Patienten, die trotz Impfung an einer Gürtelrose erkrankten, um zwei Drittel niedriger war als bei denjenigen Probanden in der Placebogruppe, die an Zoster erkrankten.”

In absoluten Zahlen sieht die Erfolgsmeldung allerdings weniger beeindruckend aus: 315 von 19 254 Patienten erkrankten nach der Impfung an Gürtelrose, in der Placebogruppe waren es 642 von 19 247 Patienten. 27 der geimpften Patienten (gegenüber 80 aus der Placebogruppe) bekamen die gefürchtete Folgeerkrankung des Zoster, die postherpetische Neuralgie (PHN). Dabei entwickeln sich heftige Nervenschmerzen, die sehr schwer zu behandeln sind und die über Monate und Jahre anhalten können. „Trotzdem ist die Impfung der beste Weg zur Vorsorge, um Herpes Zoster und vor allem die PHN zu verhindern”, sagt auch Regina Allwinn, Leiterin der Impfambulanz des Instituts für medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt am Main.

BEI VERDACHT SOFORT ZUM ARZT

350 000 Menschen erkranken jährlich in Deutschland an Gürtelrose. Meist sind es ältere Menschen, denn im Alter schwinden die Abwehrkräfte. Während das Risiko für 60-Jährige noch relativ gering ist, steigt es mit jedem Lebensjahr an, sodass 80-Jährige schon ein 60- bis 70-prozentiges Risiko haben. Sofort zum Arzt gehen, lautet die dringende Empfehlung bei Verdacht auf Gürtelrose. „Wenn der Patient innerhalb von 72 Stunden behandelt wird, lassen sich der Krankheitsverlauf verkürzen und die Nervenschmerzen mildern”, sagt Wutzler. Zunächst fühlen sich die Kranken müde und schlapp, manchmal leiden sie an Kopfschmerzen, Durchfall und Fieber. Nach einigen Tagen brennen und jucken die Hautstellen, an denen das Virus entlangwandert. Bei etwa der Hälfte der Erkrankten bilden sich die typischen rötlich schimmernden Pusteln, die sich meist halbseitig von der Wirbelsäule bis zum Brustkorb gürtelförmig um den Körper winden. Auch andere Körperstellen können befallen sein: Arme und Beine, beim Zoster ophthalmicus das Gesicht und die Augen.

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Antivirale Medikamente wie Aciclovir oder Brivudin halten die Viren unter Kontrolle und verhindern, dass sie sich weiter vermehren. Oft müssen zusätzlich starke Schmerzmittel verschrieben werden. Menschen mit einem intakten Immunsystem haben meist nach einigen Wochen die Krankheit überstanden, der Schorf fällt ab – und „die Rose ist verblüht”. Wird jedoch nicht schnell genug behandelt, besteht bei etwa einem Fünftel der Patienten die Gefahr, an einer postherpetischen Neuralgie zu erkranken.

Für die Windpocken-Schutzimpfung werden abgeschwächte Varizella-Zoster-Viren, also lebende Viren, verwendet, bei der Gürtelrose-Impfung ebenfalls, allerdings sind sie dabei 14 Mal so hoch dosiert. Nur so schafft es das Immunsystem, sich wirksam gegen die Herpes-Viren zu verteidigen. An Nebenwirkungen sind bisher nur Reizerscheinungen und Schmerzen an der Einstichstelle aufgetreten, bei einem von zehn Geimpften. Zugelassen ist der Impfstoff für Menschen ab 50 Jahren. Patienten, deren Immunsystem unterdrückt ist wie bei einer Chemo- oder einer Kortisontherapie, können nicht geimpft werden, weil sonst die Gefahr besteht, dass sich die Viren unkontrolliert vermehren. Wer sich impfen lassen will, bekommt den Stoff – nach Vorlage eines Rezeptes – zurzeit nur bei Versandapotheken, die das Mittel aus den USA für etwa 150 Euro ins Haus liefern. „Aus produktionstechnischen Gründen können wir nur sehr kleine Mengen liefern, da in den USA die Nachfrage sehr groß ist”, erklärt Edith Gasser von der Herstellerfirma Sanofi Pasteur. Vermutlich werde das Präparat erst im Jahre 2012 allgemein verfügbar sein, meint Ärztin Gasser.

BEI DEN ENKELN INFIZIEREN?

Aber schon ein Besuch bei den windpockenkranken Enkeln kann helfen, das Immunsystem älterer Menschen vor dem Virus zu schützen, glauben einige Mediziner. Der erneute Kontakt mit den Viren soll den Körper an den Erreger erinnern. „Doch ob Boosterungen, also natürliche Wildinfektionen, wirklich eine bessere Immunität schenken, ist umstritten”, sagt Regina Allwinn.

Werden die gesetzlichen Krankenkassen die Impfkosten übernehmen? „Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut empfehlen wird, die Impfung in die Schutzimpfungsrichtlinie aufzunehmen”, ist Peter Wutzler überzeugt. Entscheiden wird sich die Kommission erst, wenn der Impfstoff offiziell eingeführt und überall erhältlich ist. Allerdings: Das Bundesamt für Gesundheit der Schweiz hat sich 2010 gegen die Zoster-Impfung für Senioren entschieden. Die Begründung war unter anderem: Der Nutzen der Impfung für die öffentliche Gesundheit sei beschränkt, und der Wirksamkeitsgrad biete keinen optimalen individuellen Schutz. Menschen mit schlimmen nachinfektiösen Nervenschmerzen könnten das durchaus anders sehen. ■

von Angelika Friedl

NEUER IMPFSTOFF IM TEST

Vielleicht gibt es in absehbarer Zeit eine Alternative für Impfwillige: Das Pharma-Unternehmen GlaxoSmithKline testet zurzeit einen neu entwickelten Impfstoff gegen Herpes Zoster, der im Gegensatz zu Zostavax nicht aus abgeschwächten Viren, sondern aus einem von Bakterien produzierten Oberflächenprotein des Virus besteht. Allerdings wird erst in drei Jahren mit Ergebnissen der klinischen Tests gerechnet. JR

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