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KUMMER MIT DER FRAUENLUST

Gesundheit|Medizin

KUMMER MIT DER FRAUENLUST
Wenn Frauen Medikamente gegen Luststörungen nehmen, haben sie stets mit Nebenwirkungen zu kämpfen, bedauert Sexualwissenschaftler Uwe Hartmann.

MIT DEM POTENZMITTEL Viagra hat das Unternehmen Pfizer Millionen Männern zu mehr Standfestigkeit im Bett verholfen – und allein 1998, im ersten Verkaufsjahr, 788 Millionen Dollar Umsatz damit gemacht. Es lag nahe, dass Pharmafirmen sogleich auch die weibliche Hälfte der Welt beglücken und zur Kasse bitten wollten. Immerhin berichtet in einigen Studien etwa jede dritte Frau von geringer sexueller Lust. 2004 schien ein entsprechendes Medikament für Frauen zum Greifen nah (bild der wissenschaft 9/2004, „Viagra für Frauen”). Das Präparat hieß PT-141 und stammte aus einem Labor der amerikanischen Firma Palatin. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Viagra-Entdecker bei Pfizer die Jagd bereits aufgegeben – mit der Begründung: „Die weibliche Luststörung ist viel komplexer als die männliche Erektionsstörung.”

Zwar hatte der Viagra-Wirkstoff Sildenafil auch bei Frauen für starke Durchblutung der Genitalregion gesorgt. Doch dadurch stieg keineswegs ihre Lust auf Geschlechtsverkehr. „Das wichtigste Geschlechtsorgan liegt nicht zwischen den Beinen, sondern zwischen den Ohren”, wusste schon der Sexualwissenschaftler Milton Diamond. Ebendort, direkt im Gehirn, setzte Palatins Wirkstoff PT-141 an. Als Nasenspray sollte der Stoff über die Schleimhaut und die Blutbahn ins weibliche Denkorgan gelangen. Tatsächlich steigerte das Arzneimittel bei den Probandinnen die sexuelle Lust.

Indes: Die entfachte Libido wurde von Nebenwirkungen begleitet. Die amerikanische Zulassungsbehörde für Arzneimittel, die Food and Drug Administration (FDA), kritisierte, dass der Wirkstoff – nachgewiesen in früheren Studien – den Blutdruck erhöht. „Bei Frauen mit bestimmten Luststörungen muss man die Botenstoff-Systeme im Gehirn manipulieren”, erläutert Sexualwissenschaftler Uwe Hartmann von der Medizinischen Hochschule Hannover, „mit der Folge, dass man immer mit Nebenwirkungen zu kämpfen hat.” 2008 entschied sich Palatin, PT-141 als Mittel gegen weibliche Luststörungen nicht weiterzuentwickeln. Den Frauen blieb die Hoffnung auf eine andere Lustdroge: Das Präparat Flibanserin von der Firma Boehringer Ingelheim versprach – täglich eingenommen –, das sexuelle Verlangen zu steigern. Doch auch dieses Pharmaunternehmen scheiterte am Widerstand der FDA: Die Effektivität sei fraglich und die Nebenwirkungen seien zu stark.

„Die Haltung der FDA ist eine Mischung aus amerikanischer Doppelmoral beim Thema Sex und aus begründeter Vorsicht, was die Nebenwirkungen betrifft”, kommentiert der Psychologie-Professor Hartmann. „Gleichzeitig ist die FDA beim Thema Luststörungen sehr kritisch, ob es sich womöglich um ein Lifestyle-Problem statt um eine Krankheit handelt – also um den Wunsch, das eigene Leben und den eigenen Körper immer weiter zu optimieren.”

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Den Vorwurf, eine Krankheit erfunden zu haben, musste sich die Pharma-Branche schon 2003 von Ray Moynihan gefallen lassen. Dass viele Frauen an sexuellen Funktionsstörungen erkrankt seien, halte er für völlig übertrieben, schrieb der Journalist im „ British Medical Journal”. Vorsichtigere Schätzungen besagen, dass nicht jede dritte, sondern nur jede zehnte Frau tatsächlich unter Libidoverlust leidet. „Es ist ein Dilemma”, sagt Hartmann. „Wer kann bestimmen, wie viel Lust zu wenig Lust ist?”

Derzeit gibt es in Deutschland als luststeigerndes Medikament für Frauen nur das Testosteron-Pflaster Intrinsa. Medizinische Indikation: für Patientinnen, denen beide Eierstöcke entfernt wurden. In den USA ist nicht einmal dies zugelassen. „Für uns Sexualmediziner ist das Ganze eine traurige Geschichte, weil das Gebiet jetzt für lange Zeit tot sein wird”, bedauert Hartmann. Alternativen? „Sexual- und Psychotherapie.” Hanna Drimalla ■

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