Geburt und Tod haben etwas Wichtiges gemeinsam: Man sollte sie möglichst wenig stören, damit sie gut verlaufen. Doch zum „ liebevollen Unterlassen am Lebensende” gehört Mut, weiß Gian Domenico Borasio. Er beklagt, dass sich viele Ärzte nicht auskennen, wenn sie mit dem Sterben konfrontiert werden. Sie fürchten, die Patienten könnten am Lebensende qualvoll verdursten oder ersticken, und versorgen sie mit Sauerstoff und Flüssigkeit. Doch der Sauerstoff geht durch den Mund wieder hinaus und lässt die Schleimhäute austrocknen, was Durst erzeugt. Und Flüssigkeit kann der Körper nicht mehr ausscheiden, da die Nieren früh ihre Funktion einstellen. Die Flüssigkeit gerät in die Lunge und erzeugt Atemnot. Borasio nennt viele solche Irrtümer, die die letzte Lebenszeit zur Qual machen.
Der Neurologe und Professor für Palliativmedizin wünscht sich, dass die Menschen über ihre Ängste und Wünsche beim Sterben miteinander sprechen. Erst das macht die medizinische, psychosoziale und spirituelle Begleitung in der letzten Phase des Lebens möglich. Immerhin hat Borasio durchsetzen können, dass Palliativmedizin in die deutsche Studienordnung der Medizin aufgenommen wurde, und er hatte Erfolg mit seinem Engagement für ein Gesetz über Patientenverfügungen. Auch zu Hirntod, Morphiumgaben und Sterbebegleitung hat Borasio Wichtiges zu sagen. Beeindruckend ist, wie einfühlsam, sachlich und tabulos er schreibt. Uta Altmann
Gian Domenico Borasio ÜBER DAS STERBEN C.H. Beck, München 2011 207 S., € 17,95 ISBN 978–3–406–61708–9 E-Book für € 13,99 ISBN 978–3–406–62979–2