In Deutschland befassen sich Rechtsmediziner jährlich mit etwa 40 000 Vorwürfen von Behandlungsfehlern. Bei nahezu einem Drittel der Fälle mit Todesfolge geht es um chirurgische Fehlgriffe. Medizinische Probleme oder Ärztepfusch – was ist der Grund? Hartwig Bauer, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, fordert eine neue „Fehlerkultur“ bei Medizinern.
Warum hat die Chirurgie bei vielen so einen schlechten Ruf?
Die in den Medien viel beachtete Aussage, in der Chirurgie würden die meisten Fehler gemacht, stimmt nur oberflächlich betrachtet. Denn erstens ist Chirurgie ohne medizinische Komplikationen nicht möglich. Und zweitens sind Komplikationen und Behandlungsfehler in der Chirurgie viel offensichtlicher als fehlerhafte medikamentöse oder konservative Behandlungen, weil man Täter, Tatort und Tatzeit kennt.
Was ist das größte Problem?
Neben den Komplikationen ist das die mangelnde Kommunikation. Je mehr Personen an der Behandlung beteiligt sind, desto mehr Schnittstellen entstehen und um so größer ist das Risiko von zu wenig Kommunikation. Leider fördern Sparzwänge, zu viel Bürokratie und überlange Arbeitszeiten unerwünschte Ereignisse. Hier muss unbedingt gegengesteuert werden. Der Arzt muss mehr Zeit für den einzelnen Patienten bekommen.
Was meinen Sie mit der Aussage, die Chirurgen bräuchten eine neue Fehlerkultur?
Die Luftfahrt hat vorgemacht, dass man Fehler reduzieren kann, wenn man offen darüber diskutiert. Deshalb wollen wir ein Meldesystem etablieren, wo Chirurgen anonym über Fehlerquellen und Probleme berichten können. Ab Anfang 2006 stellen wir dazu auf unserer Homepage unter www.dgch.de ein entsprechendes Formular zur Verfügung.