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Neuer Marker für den Schweregrad von Covid-19

Gesundheit|Medizin

Neuer Marker für den Schweregrad von Covid-19
Lymphozyten
Die Bläschen auf der Zelloberfläche dieser Lymphozyten von Covid-Patienten und ihr Inhalt verraten die Schwere der Infektion. (M. Schifferer/ DZNE)

Wie schwer ist der Verlauf von Covid-19? Und wer wird eine Beatmung benötigen? Einen neuen Marker für den Schweregrad der Coronavirus-Infektion haben nun Münchener Forscher identifiziert. Demnach verrät ein Molekül auf der Oberfläche von weißen Blutkörperchen, wie es um einen Patienten steht – und dies offenbar zuverlässiger als die herkömmlichen Marker, wie das Team berichtet. Das Phosphatidylserin genannte Molekül wird bei der Aktivierung von Blutplättchen und der Zerstörung von Blutzellen freigesetzt und sammelt sich dann zusammen mit Zelltrümmern auf den Blutzellen an.

Wenn sich ein Mensch mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 infiziert, kann dies sehr unterschiedliche Folgen haben: Während vor allem junge Menschen oft kaum Symptome entwickeln, erkranken andere schwer an Covid-19. Dabei sind neben der Lunge und anderen Organen oft auch das Blut und das Gefäßsystem betroffen: Entzündungsreaktionen führen zu Veränderungen der Gefäßwände und einer vermehrten Aktivierung von Blutplättchen. Dies führt dann zu einer verstärkten Neigung zu Blutgerinnseln und Thrombosen. Parallel dazu ist bei schwer an Covid-19 erkrankten Patienten oft auch die Immunreaktion dereguliert: Es werden übermäßig viele Entzündungsbotenstoffe wie Zytokine ausgeschüttet, parallel dazu kommt es zu einer Erschöpfung der für die Abwehr nötigen T-Zellen. Bei schweren Verläufen von Covid-19 führt oft nicht das Virus selbst zu den schweren Symptomen und im Extremfall zum Tod, sondern diese von ihm ausgelösten Reaktionen im Körper.

Markermolekül auf weißen Blutkörperchen

Auf der Suche nach einem Anzeiger dafür, wie schwer die Infektion das Blut- und Immunsystem in Mitleidenschaft zieht, haben Lisa Rausch vom Biomedizinischen Centrum der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und ihre Kollegen ein im Blut vorkommendes Molekül näher in Augenschein genommen. Das Phosphatidylserin genannte Molekül kommt normalerweise auf der Innenseite von Zellwänden vor. Wenn jedoch eine Zelle stirbt oder von einem Virus befallen ist, gelangt das Phosphatidylserin von der Innenseite zur Außenseite der Zellmembran. „Dort kann es nun mit extrazellulären Proteinen wechselwirken, darunter auch der Gerinnung oder dem Komplementsystem der Immunabwehr“, erklärt das Forschungsteam. Als Komplementsystem wird ein Teil der Abwehr bezeichnet, bei dem sich Proteine an Erreger oder befallenen Zellen anlagern, mit diesen verklumpen und sie für eine Zerstörung markieren. Parallel dazu werden Entzündungsbotenstoffe ausgeschüttet.

Für die Studie untersuchte das Forschungsteam Blutproben von 54 Patienten, die zwischen April 2020 und Februar 2021 mit unterschiedlichen Schweregraden von Covid-19 behandelt wurden. Zum Vergleich nahmen sie Proben von 35 gesunden und 12 genesenen Spendern hinzu. Aus allen Proben wurden die sogenannten mononukleären Zellen des peripheren Blutes (PMBC) isoliert, dabei handelt es sich um bestimmte Weiße Blutkörperchen wie Lymphozyten und Monozyten. Diese wurden mithilfe einer speziellen Variante der Durchflusszytometrie untersucht, bei denen die Zellen durch eine dünne Kanüle strömen und dabei auf Phosphatidylserin analysiert und fotografiert werden. Dadurch konnten Rausch und ihre Kollegen bestimmen, wie viel Phosphatidylserin sich auf der Oberfläche dieser Immunzellen des Blutes befand.

Anzeiger der Erkrankungsschwere

Es zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Schweregrad von Covid-19 bei den Patienten und der Menge an Phosphatidylserin auf den Immunzellen ihres Blutes. Diese trugen nicht nur vermehrt das Markermolekül auf ihrer Oberfläche, sondern waren auch mit Bruchstücken von Blutplättchen beladen. „Damit könnte Phosphatidylserin als Signalgeber für fehlgeleitete entzündliche Prozesse oder Störungen der Blutgerinnung bei Covid-19 dienen“, sagt Seniorautor Thomas Brocker von der LMU. Das Entscheidende jedoch: Der neue Molekülmarker erwies sich als verlässlicher Prognosefaktor für den Verlauf eines Patienten. „Als Marker übertraf Phosphatidylserin etablierte Labormarker für Entzündungsvorgänge im Körper, für Leukozyten und für Gerinnungsfaktoren, die momentan zur klinischen Bewertung von Covid-19 herangezogen werden“, so Brocker. Als besonders prognostisch erwies sich das Markermolekül für die Notwendigkeit einer Beatmung, aber auch für den späteren Tod durch Covid-19.

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Nach Ansicht der Wissenschaftler ist Phosphatidylserin damit gut als Marker für die Schwere von Covid-19 bei einem Patienten geeignet – möglicherweise sogar als prognostischer Anzeiger für den weiteren Verlauf der Erkrankung. Weil Geräte zur Durchflusszytometrie in vielen Krankenhauslaboren schon vorhanden sind, könnte dies als neues analytisches Werkzeug eignen.

Quelle: Lisa Rausch (Ludwig-Maximilians-Universität München) et al., Journal of Extracellular Vesicles, doi: 10.1002/jev2.12173

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