Weltweit werden jährlich Antidepressiva im Wert von über 20 Milliarden US-Dollar verbraucht. Die Mittel stehen damit auf Platz drei der Umsatz-Hitliste. Lediglich Cholesterinsenker und Magensäureblocker bringen den Pharma-Firmen mehr Einnahmen. Doch ausgerechnet die Substanzen, die derzeit als besonders wirksam gegen Depressionen gelten – die selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) –, sind möglicherweise vollkommen wirkungslos. Davon gehen britische Wissenschaftler aus, die die Ergebnisse der Studien zu den Wirkstoffen kritisch analysiert haben.
Das aktivierende Serotonin wird von bestimmten Nervenzellen ausgeschüttet und wirkt dann im Gehirn als „Glückshormon“. Die SSRI verhindern, dass der Botenstoff wieder in die Zellen zurückgeschleust wird und verlängern so seine Wirksamkeit. Doch dass dies tatsächlich die Laune von depressiven Patienten hebt, lasse sich aus den vorliegenden Studien nicht zweifelsfrei ableiten, meint die Neurologin Joanna Moncrieff vom University College in London. „Ich bin skeptisch, ob Depressionen überhaupt auf biochemischen Prozessen beruhen, obwohl Pharmafirmen und manche Lehrbücher das verbreiten.“ Ist das aber nicht der Fall, lassen sich Depressionen auch nicht gezielt mit Medikamenten beeinflussen. Diese können dann höchstens Begleitsymptome verbessern, wie Schlafprobleme, unter denen die Patienten häufig leiden.