Es klingt paradox: Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat klinische Studien mit einem neuen Medikament gestoppt – weil es zu gut wirkt. Das Mittel namens Tanezumab sollte unter anderem Menschen mit Arthrose, also Gelenkverschleiß, Schmerzlinderung bringen. Und darin ist es außerordentlich gut, wie die Medizi- nerin Nancy Lane von der University of California in Davis nach einer Studie an Patienten mit Kniearthrose berichtet: „Die Menschen, die den Wirkstoff einnahmen, tauschten ein Leben mit sehr begrenzter körperlicher Aktivität praktisch gegen eines auf dem Tanzparkett ein.“
Genau das könnte aber auch ein Problem sein: Bei einigen der mehreren Tausend Testpatienten verschlimmerte sich die Arthrose ungewöhnlich schnell, und sie brauchten künstliche Gelenke. „Wenn es nicht weh tut, belasten die Patienten möglicherweise ihre kranken Gelenke unbewusst zu stark“, erklärt Wolfgang Rüther, Direktor des Lehrstuhls für Orthopädie an der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf. Es gibt allerdings auch eine andere Erklärung: Tanezumab könnte die Empfindungsfähigkeit der Gelenke insgesamt herabsetzen. Eine solche Unempfindlichkeit sei auch die Ursache der Charcot-Arthropathie, die zum Beispiel beim Diabetiker-Fuß auftritt, sagt Rüther. Dabei kommt es zu einer massiven, sehr schnell fortschreitenden Gelenkschädigung. Den kompletten Stopp des Test-Programms bei Arthrose hält er dennoch für voreilig.
Ob das Schmerzmittel noch eine Chance auf eine Zulassung für andere Schmerzsyndrome hat, etwa bei Krebsschmerzen, lässt der Hersteller Pfizer offen. Man prüfe gerade, ob es in den entsprechenden Studienteilen Hinweise auf ähnliche unerwünschte Nebeneffekte gebe, teilt der Konzern mit.