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SPORT IST GESUND, ABER WARUM?

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SPORT IST GESUND, ABER WARUM?
Sport ist nicht nur Spaß. Bewegung ist notwendig für den Erhalt des Körpers und aller seiner Funktionen. Davon ist Georg Duda vom Julius Wolff Institut der Charité in Berlin überzeugt. Das Gespräch führte Susanne Donner Georg Duda studierte Feinwerk- und Medizintechnik an der Technischen Universität Berlin und promovierte an der Technischen Universität Hamburg-Harburg. 2002 kehrte der 1966 geborene Berliner in seine Heimatstadt zurück. Er trat eine Professur zur Biomechanik und Biologie der Knochenheilung an der Charité an. Wie Zellen auf molekularer Ebene und Knochen auf makroskopischer Ebene auf mechanische Reize reagieren, untersucht er im Labor und an Sportlern. Bisher wurde die Frage, wie Bewegung zur Prävention beiträgt, in der Forschung vernachlässigt, findet Duda. Er wirbt für eine Trendwende.

bild der wissenschaft: Herr Duda, Sie haben Feinwerk- und Medizintechnik studiert, arbeiten aber heute an der Charité in der Sportwissensschaft und Sportmedizin. Was hat sie unter die Ärzte geführt?

Georg Duda: Ich war fasziniert von einem scheinbaren Gegensatz: In der Physik kann ich alles ganz exakt messen, beispielsweise die Geschwindigkeit von Läufern. Auf der anderen Seite ist der Mensch ein biologisches System mit Zellen und Geweben, die scheinbar chaotisch und ungeregelt miteinander in Verbindung stehen. Auf den ersten Blick scheinen diese Welten nichts gemeinsam zu haben. Dann stellt man aber fest: Physikalische Reize steuern maßgeblich das Verhalten von Zellen. Zellen wiederum formen Knochen und Muskeln, also Strukturen, die mechanische Kompetenz haben, die Kraft aufbringen und aushalten können. Die Physik beeinflusst also die Biologie, und die Biologie schafft und gestaltet die Physik. Das passiert im Körper – und das fasziniert mich.

Gab es ein bestimmtes Ereignis, das Ihnen diesen Zusammenhang klar gemacht hat?

Nein. Ich war nur nie ein Fan von armdicken Schrauben und großen Pressen wie einige meiner Freunde aus den Ingenieurwissenschaften. Ich wollte mit Feinwerktechnik beim Patienten etwas bewirken, zum Beispiel mit Gelenkprothesen und Herzschrittmachern. Als ich dann aber eine Vorlesung über Biomechanik und Knochenqualität hörte, fand ich die fürchterlich verstaubt. Ich sagte mir damals: Knochenforschung mache ich sicher nie. Doch genau das mache ich heute!

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Wie kam es zu diesem Umschwung?

Ich wollte ein bisschen Leben in die Sache bringen. Ein Knochen ist nicht starr. Er verändert sich durch mechanische Belastung, beispielsweise um ein Implantat herum. Wie, das hängt davon ab, wie der Patient sich verhält, was er isst und wie alt er ist. Der Knochen ist nicht verstaubt, sondern ein lebendes Organ. Er passt sich an. Er hat wie fast kein anderes Organ die Fähigkeit zu heilen, ohne eine Narbe zu bilden.

War denn ihr Studium der Feinwerktechnik in dieser Welt der Biologie und Medizin trotzdem hilfreich?

In gewisser Weise ja. Wir haben zum Beispiel ein Implantat entwickelt, das Osteoporose-Patienten bei Brüchen des Oberarms eingesetzt wird. Weil die Schulter ein primär durch Muskeln geführtes Gelenk ist, darf man keinen Eingriff vornehmen, der den Muskel massiv schwächt. Das Ziel gerade beim älteren Patienten ist, dass er sich so schnell wie möglich wieder selbst versorgen kann. Deshalb muss eine Behandlung möglichst minimal-invasiv sein, zugleich aber den Knochen stabilisieren, der durch die Osteoporose zerbrechlich wie eine Eierschale geworden ist. Wir haben Metall-Pins und eine resorbierbare Platte als Stützgerüst entwickelt, die dieses Gelenk wieder aufrichtet und stabilisiert. Sie können über einen winzigen Schnitt eingesetzt werden. Das ist ein Lösungsansatz, der auf dem Verständnis der Muskeln und Knochen basiert. An dieser Stelle haben meine Erfahrungen aus der Ingenieurwissenschaft sehr geholfen.

Welche Vorteile hat der Patient von dieser neuen Operationsmethode?

Die Operationszeit ist sehr kurz und weniger belastend. Der Patient kann sich gleich nach der Operation wieder bewegen. Das Ganze ist muskelschonend, sodass auch die Bewegungskompetenz sofort wieder da ist. Der Patient kann sich morgens alleine fertig machen, beispielsweise alleine die Haare kämmen.

Das ist ein Beispiel dafür, wie Medizin Menschen wieder mobil macht. Wie wichtig ist es denn, dass der Mensch, auch der ältere Mensch, sich bewegt?

Der Knochen, die Gelenkknorpel, die Muskeln und die Bänder sind nötig für Bewegung – und umgekehrt brauchen sie Bewegung. Wenn der Knochen nicht mehr belastet wird, weil wir nicht mehr laufen, dann verabschiedet er sich. Er schwindet. Das kann man verallgemeinern: Nur wenn die Strukturen in unserem Körper beansprucht werden, bleiben sie erhalten. Das gilt vom Gehirn bis zum Herzmuskel.

Wie schnell geht dieser Schwund?

Das passiert beim Knochen schon in wenigen Tagen der Schwerelosigkeit, wie wir von Astronauten wissen. Die verlieren viel Knochensubstanz. Der Schwund ist aber individuell unterschiedlich. Und: Wir verlieren mit dem Alter Knochen. Es gibt eine Reihe von Wissenschaftlern, die fest daran glauben, das rühre primär daher, dass wir uns im Alter weniger bewegen.

Und was glauben Sie?

Ich glaube, das ist nicht der einzige Faktor. Das soziale Umfeld spielt eine Rolle, und die Ernährung ist im Alter auch eine andere. Es ist eine Kombination verschiedener Faktoren.

Kann Bewegung vor diesem Verlust schützen?

Grundsätzlich reagieren wir auf gesteigerte Belastung positiv: Ich trainiere und bekomme mehr Muskeln. Dem passt sich der Knochen an und wird stärker. Dann werden die Bänder stärker. Diese Fähigkeit der Stärkung von Körperstrukturen durch Training ist ein Vorteil im Sinn der Prävention: Ich baue etwas auf und beuge damit vor. Die schlechte Nachricht ist: Diese Fähigkeit verlieren wir im Alter ein Stück weit, oder anders gesagt: Wir müssen im Alter mehr für unseren Körper tun.

Wie viel Bewegung ist denn nötig, um uns gesund zu halten?

Darüber scheiden sich die Geister. Für die Erhaltung des Knochens reichen wenige Abfolgen von Be- und Entlastung. Kollegen aus den USA ließen Leute springen und laufen. Sehr wenige Wiederholungen genügten, um eine Woche lang Wachstum im Knochen zu er-zielen. Wenn ich eine besonders hohe Belastung aufbringe, etwa beim Stemmen von Gewichten, reicht es sogar, wenn ich das vier, fünf Mal mache. Das bedeutet, dass es einen Grenzwert gibt, den ich überschreiten muss. Unterhalb dieses Wertes reagiert der Knochen nicht oder baut sich sogar ab, darüber baut er sich auf. Das ist das Wolffsche Gesetz, das Julius Wolff, der Namensgeber unseres Instituts, formuliert hat.

Heißt das, beim Sport ist eine starke Belastung wie heftiges Springen gut? Eine sanfte Bewegung, zum Beispiel eine Yoga-Übung, so oft man sie auch macht, hilft dagegen nichts?

Das würde ich so nicht sagen, und im Detail wissen wir das auch noch nicht. Es gibt auf jeden Fall individuelle Unterschiede: Bei Rauchern ist der Aufbauprozess deutlich abgeschwächt, bei Diabetikern ebenfalls. Es gibt auch Menschen, die dazu neigen, im Alter mehr Knochenmasse zu verlieren, ohne gleich osteoporotisch zu werden. Die brauchen eine andere Belastung.

Wie sähe denn der optimale Sport, die optimale Belastung, für diese Personen aus?

Das ist genau das Thema unserer Forschung. Wir wissen, dass Zellen von Diabetikern im Labor weniger stark auf mechanische Reize reagieren. Aber wir sind noch nicht so weit zu sagen, dass die Patienten deshalb zum Beispiel 50 Mal mehr trainieren müssen. Auf eine so platte Formel können wir das nicht bringen.

Aber letztlich kann man doch sagen: Bewegung ist immer gut.

Genau! Bewegung ist immer sinnvoll. Bei vielen Krankheiten – etwa des Herzkreislaufsystems, des Nervensystems, aber auch bei Demenz und anderen schleichenden systemischen Erkrankungen – ist Bewegung deshalb ein wesentliches Element des Therapiekonzepts. Bewegung ist die Basis für den Erhalt des gesamten menschlichen Organismus. Sie spielt eine ganz zentrale Rolle für unsere Gesundheit.

Aber ist das nicht seit Langem bekannt?

Dass Bewegung wichtig ist, weiß jeder. Trotzdem klafft momentan ein Spalt zwischen der älteren Generation, die sich aktiv bis ins hohe Alter sportlich betätigt, und der Jugend. Sportstunden in den Schulen werden massiv reduziert. Viele Studien belegen, dass die Kinder dicker werden, dass die Deutschen zunehmen. Wir sind zurzeit Spitzenreiter beim Übergewicht in Europa. Die jüngere und mittlere Generation bewegt sich zu wenig.

Es gibt also eine Schere zwischen Jung und Alt – und andersherum als man spontan denken würde. Aber welche Folgen hat das aus medizinischer Sicht?

Der größte Kostenfaktor im Bereich Gesundheit sind bereits jetzt die Erkrankungen des Bewegungsapparates: Krankheiten der Gelenke, der Wirbelsäule, Rheuma, Verletzungen, in höherem Alter auch Osteoporose. Und diese Kosten steigen drastisch.

Können Sie das beziffern?

16 Prozent der Kosten im Gesundheitssystem entfallen derzeit auf Erkrankungen des Bewegungsapparates. Das sind rund 36 Milliarden Euro jährlich. Rechnet man die Folgekosten hinzu, geben wir 5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für diese Erkrankungen und Verletzungen aus. Das Bruttoinlandsprodukt für Forschung und Entwicklung beträgt im Vergleich dazu 2,8 Prozent. Wenn wir nur ein Prozent bei den Erkrankungen einsparen könnten, hätten wir viel mehr Geld für die Forschung zur Verfügung. Damit könnten beispielsweise dringend notwendige Präventionsmaßnahmen entwickelt werden, die vor Verletzungen schützen. Da muss ein Umdenken stattfinden.

Wenn die Kosten derartig hoch sind, warum ist dann bisher nichts passiert, um Geld einzusparen?

Weil man in der Regel an Erkrankungen des Bewegungsapparates nicht stirbt. Man humpelt, die Lebensqualität ist eingeschränkt. Dabei wurde bisher etwas übersehen: Die Lebensqualität ist etliche Zeit vermindert. Doch derzeit findet ein Umdenken statt: Krankheiten, die nicht unmittelbar zum Tod führen, aber die Lebensqualität lange beeinträchtigen, sollen in der Gesundheitsversorgung künftig stärker berücksichtigt werden. Noch etwas wird oft außer Acht gelassen: Patienten, die einen Bruch im hohen Alter erleiden, sterben oft im ersten Jahr danach. Sie kommen schlichtweg nicht mehr auf die Beine. Das Herz-Kreislauf-System leidet erheblich unter dem Bewegungsmangel. Es folgt eine Lungenentzündung, an der die Patienten sterben können. Wenn ein Mensch zum Pflegefall wird, nimmt seine Lebensqualität drastisch ab. Bewegung ist deshalb vor allem bei Älteren Voraussetzung für Gesundheit.

Welchen Beitrag kann Ihre Forschung leisten, um Menschen zu Sport zu motivieren?

Wir haben heute noch keine wissenschaftlich solide Basis, um zu erklären, wie Bewegung vorbeugend wirkt. Bei einer Aspirintablette wissen wir, dass und wie sie wirkt. Bei Sport ist nur klar, dass er nützt. Wir brauchen hier mehr Grundlagenverständnis, ein molekularbiologisches Verständnis sowie Erkenntnisse über die funktionellen Auswirkungen. Wir wissen einiges aus dem Leistungssport, aber relativ wenig über die Konsequenzen für die breite Masse.

Wie kann man diese Lücke schließen?

Das kann keiner alleine. Dafür brauchen wir eine nationale Initiative. Doch die gibt es noch nicht. In unserem Centrum für Sportwissenschaften und Sportmedizin in Berlin bringen wir die verschiedenen Disziplinen zusammen: die Sportwissenschaft mit ihrem Fokus auf Spitzensport und die Medizin mit ihrer Ausrichtung auf den Patienten. Denn das sind zwei Seiten einer Medaille.

Können Sie das an einem Beispiel erklären?

Wir starten gerade ein EU-Projekt mit der Volleyball-Nationalmannschaft. Es geht um die Arthrose des Kniegelenks. Wir schauen uns den Gelenkstatus der Sportler jetzt an und verfolgen ihn über die nächsten zwei Jahre. Wir beobachten, wie sich das Training auf die Gelenke auswirkt. Denn beim Volleyball gibt es sehr viele Sportler, die weiche Bänder und deshalb ein großes Risiko für Verletzungen der Gelenke und für eine frühe Degeneration haben. Wir untersuchen aber auch die Bänder einer 20 Jahre älteren Mannschaft und vergleichen sie mit einer Gruppe, die normal sportlich aktiv ist, aber keinen Leistungssport betreibt.

Was ist das Ziel der Untersuchung?

Wir haben zwei Ziele. Erstens wollen wir Sportler mit einem Arthrose-Risiko früher identifizieren. Zweitens wollen wir ein angepasstes Trainingskonzept entwickeln, um Degeneration und Verletzungen zu vermeiden.

Herr Duda, der Sport beschäftigt Sie den ganzen Arbeitstag lang. Jetzt müssen Sie uns noch verraten, welchen Sport Sie selbst treiben, um gesund zu bleiben?

Ich gehe ins Fitnessstudio, und ich laufe viel und gerne.

Was können die bdw-Leser beim Sport beherzigen, damit sie gesund bleiben?

So aktiv und fit wie möglich bleiben, am besten regelmäßig bewegen und Sport treiben. Sie sollten darauf achten, was ihnen gut tut und was nicht. Wenn man das nicht genau weiß, kann man einen Arzt aufsuchen und um Rat fragen. Der alte Slogan aus den Siebzigern „Trimm dich fit“ war gar nicht so dumm. Eine Initiative wie diese würde heute vielen sehr gut tun. ■

Ohne Titel

Bewegende Medizin

Dass Sport gesund hält, ist eine Binsenweisheit. Doch wie effektiv Bewegung Erkrankungen vorbeugt und sogar lindert, wird Forschern erst nach und nach klar. Beispielsweise tariert Bewegung den Stoffwechsel aus und schützt so vor der Zuckerkrankheit Diabetes. Präventiv wirkt Sport auch gegen Herz-Kreislauferkrankungen und Krebs. Bei körperlicher Aktivität legt die weiße und graue Substanz des Gehirns deutlich an Gewicht zu. Zwischen den Nervenzellen werden neue Verbindungen geknüpft. Trainierte Menschen sind deshalb ein Stück weit vor den Folgen einer Demenz gefeit.

In der Therapie hält Sport sogar mit gängigen Arzneien mit – nur ohne Nebenwirkungen. Eine halbe Stunde Laufband täglich lindert Depressionen und Panik. Funktionelle Störungen bei Schizophrenie verschwinden mit regelmäßigem Bewegungstraining zum Teil. Beim täglichem Gehen sprießen sogar neue Blutgefäße, was bei Patienten mit schweren Durchblutungsstörungen therapeutisch genutzt wird.

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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