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Tiere mit eingebauter Genschere gezüchtet

Gesundheit|Medizin

Tiere mit eingebauter Genschere gezüchtet
Hühnerei
Blutentnahme bei einem Hühnerembryo zur Genkontrolle. (Bild: Andreas Heddergott / TUM)

In der biomedizinischen Forschung spielen genetisch veränderte Tiere eine große Rolle. Am häufigsten werden Mäuse eingesetzt, da diese leicht zu züchten und zu halten sind. Dem Menschen ähnlicher sind zwar Schweine, doch bisher war es zeitaufwendig und ineffizient, so große Tiere genetisch zu verändern, aufzuziehen und zu vermehren. Als mögliche Alternative haben Forscher nun Schweine und Hühner erzeugt, die schon in allen Zellen ihres Körpers die Genschere Cas9 herstellen. Das ermöglicht, die Gene mit geringem Aufwand im lebenden Tier zu bearbeiten, statt für jedes Ziel-Gen ein neues Tiermodell erzeugen zu müssen.

Die Genschere Crispr/Cas9 erlaubt es, gezielte Eingriffe an der DNA vorzunehmen. Durch Ausschneiden und Einfügen lassen sich Gene punktgenau verändern oder inaktivieren. Das System besteht aus zwei Bausteinen: Zur Erkennung des richtigen DNA-Abschnitts dient die sogenannte gRNA (guide RNA, also leitende RNA). Diese kurze Sequenz bindet an den Abschnitt eines Gens, der modifiziert werden soll. Das Enzym Cas9-Nuklease, die eigentliche Genschere, bindet an die gRNA und schneidet den jeweiligen Abschnitt der Ziel-DNA. Die Methode zählt zu den wichtigsten Werkzeugen der Gentechnik und ist einfach und kostengünstig anzuwenden. Um damit genetisch veränderte Tiere zu erzeugen, etwa für die medizinische Forschung, ist es allerdings notwendig, in die Keimbahn einzugreifen und die auf diese Weise erzeugten Tiere zu züchten. Gerade bei größeren Tieren ist dieser Prozess langwierig und ineffizient.

Normal entwickelt und fruchtbar

Forscher um Beate Rieblinger von der Technischen Universität München haben nun Schweine und Hühner geschaffen, die bereits einen Baustein des Crispr/Cas9-Systems mitbringen: „Die von uns generierten Tiere liefern die Genschere – das Cas9-Protein – gleich mit“, erklärt Rieblingers Kollege Benjamin Schusser. „Es müssen also nur noch die leitenden RNAs eingebracht werden, um Tiere zu bekommen, die bestimmte genetische Eigenschaften haben.“ Um die Cas9-transgenen Tiere herzustellen, brachten die Forscher Cas9 in das Erbgut von frühen Schweine- und Hühnerembryos ein. Die lebend geborenen Tiere, bei denen die Genveränderung funktioniert hatte, vermehrten sie weiter. Rund drei Jahre dauerte dieser Prozess.

„Sowohl die Cas9-transgenen Hühner als auch die Schweine entwickelten sich normal, zeigten keine offensichtlichen Abnormalitäten, zum Beispiel bei der Gewichtszunahme, und waren fruchtbar“, berichten die Forscher. Weil die Cas9-Gene im frühen Stadium der Embryonalentwicklung eingeschleust wurden, tragen auch die Keimzellen und Nachkommen dieser Tiere die gewünschten Eigenschaften. „Cas9 kann nun in allen Entwicklungsstadien der Tiere verwendet werden, da jede Zelle des Körpers dauerhaft das Cas9 Protein besitzt“, sagt Schusser. Das zeigten die Forscher anhand von Proben aus vielen unterschiedlichen Gewebetypen der Tiere, darunter Herz, Niere, Muskeln, Leber, Lunge und Gehirn.

Flexible Einsatzmöglichkeiten

Testweise führten die Forscher verschiedene Genveränderungen durch, sowohl an Hühnerembryos und lebenden Schweinen, als auch an Zellproben, die sie von den Cas9-Tieren gewonnen hatten. Die Ergebnisse bestätigten: Allein durch Hinzufügen der gRNA ließen sich die jeweiligen Zielgene in einem relevanten Prozentanteil der Zellen bearbeiten. „Das Vorhandensein von Cas9 in den Zellen beschleunigt und vereinfacht die Prozesse deutlich“, sagt Rieblingers Kollegin Angelika Schnieke. Das ermöglicht einen unkomplizierteren Einsatz in der biomedizinischen Forschung. „Unsere Gruppe hat ein Interesse daran, menschliche Krebsarten in Schweinen zu modellieren, zum Beispiel Darmkrebs“, schreiben die Forscher. Dabei können die neu erzeugten Tierlinien helfen. „Die mit Cas9 ausgestatteten Tiere ermöglichen etwa, dass tumor-relevante Gene gezielt inaktiviert werden und die Krebsentstehung simuliert werden kann“, erklärt Schnieke.

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Durch den flexiblen Einsatz der Genmanipulationen können die Forscher außerdem direkt am Tier testen, welche Gene beispielsweise an der Entstehung von Krankheitsresistenzen beteiligt sind. Das ist unter anderem für die Nutztierforschung interessant. „Unsere Cas9-exprimierenden Hühner und Schweine stellen eine innovative Ressource für Genom-Editierungen in den biomedizinischen und landwirtschaftlichen Wissenschaften dar“, fasst Schnieke zusammen. Die von ihnen gezüchteten Tiere würden sie auch anderen Forschungsgruppen zur Verfügung stellen. „Die biomedizinische und landwirtschaftliche Forschung kann somit durch effiziente Genom-Editierung im lebenden Tier vorangebracht werden.“

Quelle: Beate Rieblinger (Technische Universität München) et al., Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.2022562118

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