Wissenschaftler der Universität Kiel haben erstmals ein Knochentransplantat aus Stammzellen des Knochenmarks geschaffen. Die Mediziner um Patrick Warnke stellten für einen 56-Jährigen einen neuen Unterkiefer her. Der Knochen war dem Mann 1997 bei einer Krebsoperation entfernt worden. Seitdem konnte er nur noch Suppe und weiche Nahrungsmittel zu sich nehmen.
Die Forscher entwarfen zunächst am Computer ein dreidimensionales Modell des Transplantats und fertigten danach ein Maschengehäuse aus Titan an, das die Form vom Unterkiefer des Patienten besaß. Dieses Netz wurde mit mineralischen Blöcken aus Rinderknochen gefüllt, die als Gerüst für das wachsende Implantat dienen sollten. Auf die Blöcke brachte das Team eine Kombination aus Puder, flüssigem Knochenmark des Mannes, das Stammzellen enthielt, und des Proteins BMP auf. Das gentechnisch hergestellte BMP lässt die Zellen verknöchern. Anschließend wurde der Titanrahmen in eine Muskelschicht am rechten Schulterblatt des Patienten eingesetzt, um Gewebe- und Blutgefäßverbindungen zum Muskel zu schaffen.
Als die Wissenschaftler nach sieben Wochen das Implantat wieder entfernten, zeigte sich eine deutliche Knochenumgestaltung und Mineralisation. Danach wurde die Kieferstruktur gemeinsam mit dem umgebenden Muskelgewebe eingepflanzt und mittels Mikrochirurgie eine Verbindung zu den vorhandenen Kiefermuskeln und Blutgefäßen hergestellt. Warnke: „Das Ergebnis unseres Verfahrens ist überzeugend. Erstmals nach sieben Jahren kann der Mann jetzt wieder feste Nahrung essen. Seine erste Mahlzeit bestand aus Würstchen mit Brot.“
Zufriedenstellend sei auch das ästhetische Ergebnis der Operation, da die Kontur der Kieferlinie etwa der ursprünglichen Gesichtsform entspreche, meint der Mediziner. Nächstes Jahr wollen die Kieler Forscher die Titan-Hülle entfernen, um auf dem neuen Knochen Zahn-Implantate aufzubauen, sodass der Patient wieder ein richtiges Gebiss besitzt.