Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Welche Zellen das Coronavirus befällt

Gesundheit|Medizin

Welche Zellen das Coronavirus befällt
Lunge
Welche Zellen in Lungen und Bronchien greift Sars-CoV-2 an? (Bild: alex_mit/ iStock)

Als Leitsymptome von Covid-19 gelten Husten, Fieber und vor allem Entzündungen des Lungengewebes. Diese Krankheitszeichen entstehen, weil das Coronavirus Sars-CoV-2 primär Zellen in den Atemwegen und der Lunge befällt. Welche Zellen dies konkret sind, darüber gibt nun eine Studie näheren Aufschluss. In ihr haben Forscher untersucht, welche Zellen im Atemtrakt die vom Coronavirus benötigten Andockstellen und Kofaktoren ausbilden. Es zeigte sich, dass ein Zelltyp in den Lungenbläschen sowie  Vorläuferzellen für die Schleimhaut der Bronchien dem Virus die nötigen Einfallstore bieten. Zudem haben Männer und ältere Menschen offenbar mehr Andockstellen für das Virus auf diesen Zellen – das könnte ihre größere Anfälligkeit erklären.

Damit das Coronavirus in unsere Zellen eindringen kann, muss es zunächst an einen Rezeptor auf der Oberfläche der menschlichen Zellen binden. Aus früheren Studien ist bereits bekannt, dass es sich bei dieser Andockstelle um das sogenannte Angiotensin-Converting Enzyme 2 handelt – kurz ACE2. Dieser Rezeptor wurde auch schon vom eng verwandten Sars-Coronavirus zum Zelleintritt genutzt. Dafür klappt das Coronavirus sein hervorstehendes Hüllprotein, das Spike-Protein, so um, dass die Bindungsstelle freiliegt und es an den ACE2-Rezeptor andocken kann. Zusätzlich benötigt das Virus wahrscheinlich einen oder mehrere auf der Zellmembran sitzende Kofaktoren, die ihm dabei helfen, in die Wirtszelle einzudringen. Analysen zeigen, dass ACE2 im Gewebe der Lunge, der Niere, dem Herzen und auch dem Verdauungstrakt vorhanden ist, was erklären könnte, warum Sars-CoV-2 bei manchen Patienten Durchfälle und Herzprobleme auslösen kann.

RNA-Fahndung in Lungen- und Bronchialgewebe

Doch welche Zelltypen den ACE2-Rezeptor sowie die nötigen Kofaktoren tragen, ist bislang erst in Teilen geklärt. „Wir wollten wissen, welche Zellen genau es sind, die das Coronavirus befällt“, erklärt Seniorautor Christian Conrad von der Charité Universitätsmedizin Berlin. Um das zu klären, nutzten die Forscher Gewebeproben aus der Lunge und Bronchien von 16 Patienten, die sich wegen eines Verdachts auf Krebs einer Biopsie oder Bronchoskopie unterzogen hatten. Keiner der Patienten war an Covid-19 erkrankt oder mit dem Coronavirus infiziert. Die Forscher untersuchten die Proben mithilfe von RNA-Analysen auf Kopien der Gene, die den ACE2-Rezeptor sowie den Kofaktor TMPRSS2 kodieren. Durch ergänzende Analysen konnten sie auch eingrenzen, welche der Zellen in den Geweben diese Faktoren tragen und wie viele davon.

„Wir haben insgesamt fast 60.000 Zellen daraufhin untersucht, ob sie die Gene für den Rezeptor und eventuelle Kofaktoren angeschaltet haben, somit also prinzipiell vom Coronavirus infiziert werden können“, berichtet Erstautor Soeren Lukassen von der Charité und dem Berlin Institute of Health. Die Analysen ergaben, dass im Lungengewebe vor allem ein in den Lungenbläschen sitzender Zelltyp den ACE2-Rezeptor ausbildet. Diese sogenannten Alveolozyten des Typs 2 (AT2) bedecken rund fünf Prozent der Innenfläche in den Lungenbläschen und sorgen vor allem dafür, dass die für das Atmen wichtige Austauschfläche zwischen Blutgefäßen und Luft mit einer speziellen Flüssigkeit befeuchtet bleibt. Die AT2-Zellen zeigten die höchste ACE2-Expression in der Lunge sowohl in Bezug auf die Zahl wie auf den Anteil der positiven Zellen“, berichten die Forscher. Für den auch auf anderen Lungenzellen vorkommenden Kofaktor TMPRSS2 fanden sie ebenfalls leicht erhöhte Werte auf den AT2-Zellen.

Zellen der Lungenbläschen und bronchiale Vorläuferzellen

Etwas anders sahen die Ergebnisse für die Bronchien aus: „Das hervorstechendste Ergebnis dieser Studie war der Nachweis der ACR2-Expression bei einer Population von Vorläuferzellen für die Atemwegsschleimhaut“, berichten Lukassen und seine Kollegen. Diese Vorläuferzellen entwickeln sich normalerweise zu den Zellen im Atemtrakt, die mit ihren Flimmerhärchen dafür sorgen, dass Schleim und Bakterien aus der Lunge heraustransportiert werden. Aus den aktuellen Analysen geht hervor, dass diese sowohl den ACE2-Rezeptor als auch den Kofaktor TMPRSS2 in besonders starkem Maße produziert. Diese Vorläuferzellen könnten daher gegenüber der Sars-CoV-2-infektion besonders anfällig sein, wie die Forscher erklären. „Diese Ergebnisse zeigen uns, dass das Virus sehr gezielt vorgeht, und auf bestimmte Zellen im Körper angewiesen ist, um sich ausbreiten und vermehren zu können“, erklärt Co-Seniorautor Roland Eils von der Charité und dem Berlin Institute of Health.

Anzeige

Als interessanten Nebenbefund stellte das Team zudem fest, dass die Dichte des ACE2-Rezeptors auf den Zellen mit dem Alter der Patienten offenbar ansteigt. Zudem scheint diese Andockstelle auf den Zellen von Männern stärker vorhanden zu sein als bei Frauen. „Das war nur ein Trend, könnte aber erklären, warum mehr Männer als Frauen infiziert werden“, sagt Eils. „Für eine belegbare Aussage hierzu sind allerdings unsere Fallzahlen noch viel zu gering. Diese Untersuchung müssen wir an größeren Patientenkohorten wiederholen.“ Im nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler nun Covid-19 Patienten daraufhin untersuchen, ob bei ihnen tatsächlich diese Zellen vom Virus befallen sind. „Wir wollen verstehen, warum die Infektion bei manchen Patienten so harmlos verläuft und warum andere so schwer erkranken. Dazu werden wir uns auch die Immunzellen im befallenen Gewebe genauer ansehen“, erklärt Eils. „Je besser wir die Wechselwirkungen zwischen dem Virus und seinem Wirt verstehen, desto besser kann es uns gelingen, Gegenstrategien zu entwickeln.“

Quelle: Soeren Lukassen (Charité Universitätsmedizin Berlin) et al., EMBO Journal, doi: 10.15252/embj.20105114

Mehr zum Coronavirus und Covid-19 lesen Sie in unserem Themen-Special zur Pandemie

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

sto|chas|tisch  〈[–xas–] Adj.; Math.〉 dem Zufall unterworfen, von ihm abhängig ● ~er Automat 〈Kyb.〉 A., dessen Verhalten nicht genau vorhersagbar ist, sondern auf einer gewissen Wahrscheinlichkeit beruht; … mehr

Kli|ma|er|wär|mung  〈f. 20〉 weltweites Ansteigen der Durchschnittstemperatur von Luft u. Wasser infolge des durch vermehrten Austoß von Treibhausgasen verursachten Klimawandels ● Maßnahmen gegen die globale ~

Nar|ko|se  〈f. 19; Med.〉 Betäubung, künstl. herbeigeführter, schlafähnl. Zustand mit Bewusstseinsaufhebung u. daraus folgender Schmerzunempfindlichkeit ● aus der ~ erwachen; in ~ liegen; jmdn. in ~ legen; eine Untersuchung, Operation unter ~ durchführen; ohne ~ operieren [<grch. narkosis … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige