Doch offenbar funktioniert das Prinzip auch ohne diesen Sinneseindruck, zeigt nun die neue Studie. Darin hatten Elisa Tartaglia und ihr Team Freiwilligen beigebracht, möglichst schnell auf kleine Veränderungen in einem Strichmuster zu reagieren. Eine Gruppe hatte dazu immer wieder ein Bild aus drei Linien gesehen, von denen die mittlere mal etwas näher an der rechten und mal etwas näher an der linken auftauchte. Die andere Gruppe sah hingegen nur die beiden äußeren Linien und sollte sich den dritten Strich dazwischen vorstellen. In diesem Test zeigte ein hoher oder ein tiefer Ton an, ob die Linie gedanklich eher nach rechts oder eher nach links verschoben werden sollte.
Überraschenderweise schnitten beide Gruppen nach der Trainingsphase besser ab als zuvor, berichten die Forscher. Die Verbesserung in der Gruppe mit dem echten Strich-Training war allerdings etwas größer als in der anderen. Nichtsdestotrotz half ganz offensichtlich auch das mentale Üben dabei, die Wahrnehmungsfähigkeit zu verbessern. Und noch ein weiteres Phänomen zeigte sich bei der Auswertung: In beiden Fällen umfasste der Lerneffekt nicht nur die trainierten senkrechten Linien, sondern auch zuvor nicht getestete waagerechte ? ein Effekt, der beim perzeptuellen Lernen gewöhnlich nicht auftritt und den die Wissenschaftler bisher nicht erklären können.