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Erste Einschätzungen zum neuen Wirkstoff

Redaktion - bild der wissenschaft

Erste Einschätzungen zum neuen Wirkstoff

Anle138b ist für die medizinische Forschung ein wichtiges Werkzeug. Es erlaubt den Wissenschaftlern zum einen, direkt im Reagenzglas zu verfolgen, wie der Wirkstoff die Oligomere verändert und auf welch spezifische Weise deren Bildung gehemmt wird. Zum anderen stehen etliche eigens gezüchtete Tiermodelle bereit, dies zu überprüfen. Die Wissenschaftler hoffen, auf diese Weise nicht nur generell wichtige Einblicke in jene Mechanismen zu erhalten, die charakteristisch sind für das Entstehen neurodegenerativer Krankheiten, sondern dass dies vor allem schnell und ohne größere Verzögerungen gelingt.

„Mit Anle138b könnten wir eine neue Klasse von Neuroprotektiva zur Hand haben, durch die sich Krankheiten wie Parkinson oder Creutzfeldt-Jakob bremsen oder sogar stoppen lassen könnten“, erläutert Griesinger. Doch er warnt davor, die Ergebnisse an Nagern unmittelbar auf den Menschen zu übertragen. Zunächst müsse Anle138b erst einmal bei anderen Tieren als den Labormäusen auf Wirkung und Verträglichkeit getestet werden. Erst wenn diese Versuche positiv verlaufen, rücken klinische Studien am Menschen in greifbare Nähe. „Es ist aber immer ein langer Weg, bis eine neue Substanz beim Menschen in der Therapie erfolgreich eingesetzt werden könne“, betont Giese.

Ihre Ergebnisse machten den Göttinger und Münchnern Forschern unterdessen Hoffnung, dass Anle138b möglicherweise auch das fatale Verklumpen anderer Proteine stoppen könnte – etwa das mit Alzheimer assoziierte Tau-Protein. Ihr Blick weitete sich entsprechend, und inzwischen sagen Griesinger und Giese: Der Wirkstoff Anle138b könnte sich durchaus als neuartiger Prototyp in der Entwicklung von Medikamenten gegen Alzheimer auszeichnen. Zumindest im Laborversuch habe er bei Mäusen entsprechende Krankheitsbeschwerden und deren kognitive Leistungen sichtlich verbessert. „Wir haben festgestellt: Dieser Wirkstoff verhindert das Verklumpen der Tau-Proteine, das typisch ist für Alzheimer und andere Hirnerkrankungen aus der Gruppe der Tauopathien“, erläutert Martin Fuhrmann, Neurologe an der Universität Bonn und für diesen Teil der Forschung von Griese und Giesinger mit ins Boot geholt. „Durch die Behandlung mit Anle138b scheint sich eine Möglichkeit aufzutun, in das Krankheitsgeschehen einzugreifen.“

Die Wirkung von Anle138b entschlüsseln

Im Normalzustand festigen die Tau-Proteine das Grundgerüst von Nervenzellen des Gehirns. Dieses Skelett verleiht der Zelle mechanische Stabilität und dient zugleich als Verkehrsnetz für Substanzen, die für den Stoffwechsel erforderlich sind. Bei Alzheimer und anderen „Tauopathien“ sind die Tau-Proteine jedoch verändert: Sie lösen sich vom Zellgerüst und legen sich zu Klumpen zusammen. Infolgedessen zerfällt das zelluläre Skelett allmählich und die Versorgung innerhalb der Zelle gerät ins Stocken. Die Hirnzelle verkümmert und kann sogar absterben.

Wie sich zeigte, wirkt der den erkrankten Mäusen über die Nahrung verabreichte Wirkstoff nicht nur auf molekularer Ebene. Er beeinflusst auch die Symptome der Erkrankung. „Das Gedächtnis- und Orientierungsvermögen der Labortiere verbessert sich, und sie leben länger“, fasst Martin Fuhrmann zusammen. Darüber hinaus stellten die Wissenschaftler fest, dass die therapierten Mäuse im Vergleich zu unbehandelten Tieren weniger Nervenzellschäden aufwiesen.

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„Im Gegensatz zu anderen Wirkstoffen ist Anle138b aufgrund seiner chemischen und metabolischen Eigenschaften oral verfügbar, verbleibt über Stunden im Körper und wirkt gezielt auf die verklumpten Proteine“, zieht Christian Griesinger ein vorläufiges Fazit. In seiner Forschergruppe wurde der Wirkstoff synthetisiert. „Zwar lässt auch durch ihn die Erkrankung im untersuchten Tiermodell nicht gänzlich aufhalten. Der Krankheitsverlauf verlangsamt sich aber“, ergänzt Fuhrmann. „Insofern ist Anle138b ebenso ein möglicher Ausgangspunkt für die Entwicklung von Medikamenten, die die Zusammenballung von Tau-Proteinen verhindern.“

Ob daraus ein für den Menschen wirksames Medikament wird, bleibt abzuwarten und wird sicherlich mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Allerdings gibt es hierzulande mehr und mehr Forschergruppen, die neben Griese und Giesinger international kompetitiv mit ihrer Protein-, Proteom-, Prionen- und allgemein Ursachen- und Auslöserforschung zu Parkinson wesentlich zum besseren Verständnis der Erkrankung beitragen. Der Wirkstoff Anle138b wird derzeit in einer gemeinsamen Ausgründung der Ludwig-Maximilians-Universität und der Max-Planck-Gesellschaft, der MODAG GmbH, weiterentwickelt.

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© wissenschaft.de – Christian Jung
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