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Architekt mit Starallüren

Gianlorenzo Bernini und der Bau des Petersdoms

Architekt mit Starallüren
Als „architetto di San Pietro“ war Gianlorenzo Bernini verantwortlich für die Gestaltung des Innenraums des neuen Petersdoms wie auch für die Gestaltung des Petersplatzes. Für beide Aufgaben fand Bernini geniale Lösungen. Doch im menschlichen Umgang war der „Superstar“ äußerst schwierig – schon gar nicht wollte er irgendwelche anderen „Götter“ neben sich dulden.

Mehr als 100 Jahre waren seit der Grundsteinlegung für den neuen Petersdom vergangen, als im Juli 1612 die Fassade des riesigen Bauwerks abgeschlossen werden konnte. Beendet waren die Arbeiten damit noch lange nicht. Zum einen galt es, den gewaltigen Innenraum zu gestalten; zum anderen mußte die Umgebung der Peterskirche in Form gebracht werden, bisher ein verwinkeltes Sammelsurium von Palästen, Kirchen und Häusern aus den vergangenen Jahrhunderten, ohne jeden Ansatz eines urbanistischen Systems. Den päpstlichen Stadtherren schien dieser städtebauliche Wirrwarr zunehmend unerträglich. Die barocke Stadtplanung war um Ordnung, Übersichtlichkeit, Hierarchisierung bemüht. Wie die Untertanen, so sollten auch die Städte gewissermaßen diszipliniert werden.

Schon Sixtus V. (1585 –1590) hatte ein Geflecht neuer Straßen in der Ewigen Stadt angelegt. Seine Nachfolger widmeten ihre Aufmerksamkeit in besonderem Maße der Peterskirche. Ihnen stand dabei ein nicht nur künstlerisches, sondern auch administratives Genie zur Verfügung. War Neu-St.-Peter bisher im Mit- und Gegeneinander einer ganzen Reihe herausragender Architekten entstanden, darunter Bramante, Raffael, Peruzzi und Michelangelo, so sollten Innendekoration und Platzgestaltung von einem Mann allein beherrscht werden: Gianlorenzo Bernini (siehe DAMALS 2-2003).

Bernini hatte seine ersten, aufsehenerregenden Kunstwerke noch zur Zeit Pauls V. (1605–1621) geschaffen. Am päpstlichen Hof geriet er in Kontakt mit einem Prälaten, der sofort das außerordentliche Talent des jungen Mannes erkannte: Kardinal Maffeo Barberini, ein versierter Diplomat und erfahrener Politiker, der zugleich ausgeprägte kulturelle Inter-essen pflegte. Wenige Jahre später, im Sommer des Jahres 1623, wurde Barberini auf den Stuhl Petri gewählt und nahm den Namen Urban VIII. an. Der neue Papst war entschlossen, dem Zentrum der Peterskirche, der Vierung unter Michelangelos mächtiger Kuppel, seinen Stempel aufzudrücken.

Die Lösung, die ihm sein Künstlerfavorit Gianlorenzo Bernini vorschlug, begeisterte den Pontifex sofort: Ein Bronzebaldachin von mehr als 28 Metern Höhe, der die Aufmerksamkeit eines jeden Besuchers unvermittelt auf sich ziehen mußte – und damit auch auf den Auftraggeber und seine Familie, deren Ruhm im Windschatten des religiösen Zeremonialwerks auf immer und ewig garantiert sein würde. Berninis Entwurf befriedigte auf diese Weise zugleich den kultivierten Schönheits- wie den natürlichen Familiensinn des Papstes, und so wurden die Arbeiten mit Hochdruck vorangetrieben.

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Um die erheblichen Mengen an Bronze, die für den Baldachin benötigt wurden, zu beschaffen, schreckte man nicht davor zurück, das antike Bronzegebälk des ehrwürdigen Pantheons abzunehmen und einzuschmelzen. Das trug den Barberini zwar den Spott der Römer ein, die sachlich zutreffend höhnten: Quod non fecerunt Barbari, fecerunt Barberini („Was selbst die Barbaren nicht gemacht haben, das vollbrachten die Barberini“), aber dergleichen ohnmächtige Wortspiele konnte die Papstfamilie verschmerzen, wenn zugleich ein Bild ihres Ruhmes von so gewaltiger Suggestivkraft entstand.

Die Kosten erwiesen sich freilich als astronomisch: Rund 200 000 Scudi waren im Lauf von bald zehn Jahren ausgegeben worden. Das entsprach annähernd zehn Prozent der jährlichen Einnahmen des Papsttums in dieser Epoche. Doch als der Baldachin am 29. Juni 1633, dem Tag der Heiligen Petrus und Paulus, feierlich enthüllt wurde, erwies er sich als spektakulärer Erfolg. St. Peter hatte endlich seinen Mittelpunkt erhalten, und dieser Mittelpunkt gab bereitwillig Auskunft über die Frage, wem er seine Existenz zu verdanken hatte. Überall erkennt der Betrachter noch heute das Wappentier der Barberini, jene Bienen, die den Römern zwischen 1623 und 1644 in unübersehbaren Schwärmen als Ruhmesboten ihrer Auftraggeber begegneten.

Der Zeremonienmeister dieser strahlenden Inszenierung des Familienruhms konnte sich des Dankes seiner padroni gewiß sein: Bereits 1629 hatte Urban VIII. Gianlorenzo Ber-nini zum Architekten von St. Peter ernannt und ihm damit den prestigeträchtigsten Posten übertragen, den der Pontifex an einen Künstler zu vergeben hatte. Für die Errichtung des Baldachins erhielt er eine Gratifikation in Höhe von 10 000 Scudi – neben seinem regulären Gehalt, versteht sich.

Dr. Arne Karsten

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zu|rückschnei|den  〈V. t. 224; hat; Gartenbau〉 Bäume, Sträucher, Hecken ~ nachgewachsene Triebe abschneiden, durch Schneiden verkürzen ● die Stauden müssen zurückgeschnitten werden

Man|da|rin|en|te  〈f. 19; Zool.〉 kleine ostasiat. Ente, deren Männchen ein bes. prächtiges Gefieder hat, häufig als Ziergeflügel gehalten: Aix galericulata

Off|the|a|ter  auch:  Off–The|a|ter  〈n. 13〉 privat geführtes, alternatives Theater, das keine staatlichen Subventionen erhält u. Stücke von weniger etablierten Autoren spielt … mehr

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