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Auf dem Weg zur Selbständigkeit

Die Stadt im 13. Jahrhundert

Auf dem Weg zur Selbständigkeit
Um das Jahr 1300 gab es in Deutschland bereits rund 4 000 Städte. Gegründet von Königen, Fürsten oder Bischöfen, entwickelte sich in ihnen bald eine Eigendynamik, die als Ziel die Selbstverwaltung hatte. Zu Bünden zusammengeschlossen, stellten sie sich auch äußeren Herausforderungen.

Die Welle der im 11. /12. Jahrhundert in Deutschland einsetzenden Stadtgründungen setzte sich auch im 13. Jahrhundert fort. Für die älteren Städtegründungen wie für die neueren gilt, dass sich in der Zeit zwischen 1150 und 1250 der Übergang von der Marktsiedlung, die vom Stadtherrn durch Markt-, Münz- und Zollprivilegien ausgestattet wurde, zur Stadt mit Stadtrecht und Ratsverfassung und damit zur Stadt im eigentlichen Rechtssinn vollzieht. Damit einher geht auch die Entstehung der Ratsherrschaft, die zu einer von Stadt zu Stadt unterschiedlich starken Loslösung von der geistlichen bzw. weltlichen Herrschaft des Stadtherrn führte.

Diese Welle der Stadtgründungen und der rechtliche und wirtschaftliche Ausbau der Städte im Heiligen Römischen Reich in der staufischen und nachstaufischen Zeit führte dazu, dass es um 1300 in Deutschland rund 4 000 Städte gab, von denen etwa 50 als große Städte, also Städte mit mehr als 5 000 Einwohnern, zu gelten haben. Dennoch lebte mit etwa 90 Prozent der größte Teil der Bevölkerung auf dem Land.

In die staufische Zeit fällt auch die Gründungswelle von Reichsstädten mit einer besonderen Dichte in Süddeutschland, da sich hier das Reichsgut in besonderer Weise konzentrierte. In Norddeutschland gab es sehr viel weniger Reichsstädte, da die weitaus meisten Städte in den Territorien geistlicher oder weltlicher Fürsten lagen.

Stadt wurde ein Ort durch die Verleihung des Stadtrechts, das gegenüber dem flachen Land einen Sonderrechtsbezirk ausbildete. Der größte Unterschied zwischen den auf dem Land und in der Stadt lebenden Menschen bestand darin, dass die auf dem Land lebenden Menschen im Gegensatz zu den Stadtbewohnern als Hörige persönlich unfrei waren. Allein dieser Umstand bewirkte eine nicht unerhebliche Landflucht, die für das demographische Überleben der Städte notwendig war, denn die Sterblichkeit lag normalerweise in den Städten über der Geburten‧rate. Wer als Höriger einmal in der Absicht das Tor einer Stadt durchschritten hatte, die persönliche Freiheit zu erlangen, wurde in der Regel von der Stadt auch dann nicht wieder herausgegeben, wenn der bisherige Herr vor der Stadt erschien und die Herausgabe seines geflohenen Hörigen forderte.

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Die Stadt besaß also eine Bürgergemeinde, die aus Freien bestand. Sie war außerdem durch einen täglich stattfindenden Marktbetrieb und einen eigenen Gerichtsbezirk gekennzeichnet. Die Bürger gingen ganz überwiegend kaufmännischen und gewerblichen Berufen nach.

Die Stadtrechte bildeten Stadtrechtsfamilien aus, unter denen das Lübische Recht an der Ostseeküste, das Magdeburger Recht im Binnenland und das Wien-Prager Recht die größten Stadtrechtsfamilien bildeten. Das Magdeburger Recht besaß im späten Mittelalter eine solche Anziehungskraft, dass in Mittel- und Osteuropa etwa 700 Städte dieses Recht annahmen. Dieses Recht räumte den Kaufleuten bei der Ausübung ihrer Handelstätigkeiten erhebliche Freiheiten ein und führte daher in der Regel zu einem wirtschaft‧lichen Aufblühen in den Städten, in denen das Magdeburger Recht galt.

Das Stadtrecht konnte nur vom Stadtherrn verliehen werden, der sich von dieser Privilegienerteilung wiederum wirtschaftliche Vorteile versprach. Ein Marktort, der zur Stadt erhoben wurde, entwickelte normalerweise eine erhebliche Anziehungskraft auf Kaufleute und Handwerker und sorgte für einen Aufschwung der gewerblichen und kaufmännischen Tätigkeit. Der Stadtherr zog aus dieser Situation Nutzen, indem er seine Einnahmen aus Marktabgaben, Münze und Zoll steigern und zum anderen auch Fernhandelswaren für seinen eigenen Bedarf vor Ort erwerben konnte.

Der nächste Schritt bei der Konstituierung der mittelalterlichen Stadt war die Bildung einer bürgerschaftlichen Kollegialbehörde, die als oberstes Regierungsorgan pro universitate civitatis, also für die Gesamtheit der Bürgergemeinde, handeln und entscheiden sollte. In Mitteleuropa bildete sich an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert die Ratsverfassung aus, die dazu führte, dass fast alle im 12. Jahrhundert rechtlich zur Stadt erhobenen Städte in Mitteleuropa bis ungefähr 1250 consules, also Ratsherren und damit einen Rat als oberstes Regierungsorgan erhalten hatten. Dieser sehr bedeutende Schritt hin zu einer sich selbst verwaltenden und am Ende faktisch autonomen Stadt ist nicht mit einem einmaligen und auch heute noch in der schriftlichen Überlieferung zu findenden Akt vollzogen worden, sondern bildete sich über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten aus. Mit anderen Worten: Die Einführung der Ratsverfassung ist anders als die Stadtrechtsbewidmung in aller Regel nicht durch einen beurkundeten Akt des Stadtherrn zustande gekommen. Dennoch ist es kaum denkbar, dass ein solch wichtiger Vorgang ohne Zustimmung des Stadtherrn geschehen ist…

Prof. Dr. Matthias Puhle

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