Kapitäne gehören zu den berühmtesten Figuren der Literatur – von Kapitän Bligh, gegen den sich die Meuterer der „Bounty“ erhoben, bis zu C.S. Foresters Kapitän Hornblower. Diese populären Vorstellungen werden aber nur selten hinterfragt. Obwohl die Helden solcher Seeabenteuerromane zumeist Kapitäne von Kriegsschiffen sind, wird zumeist von der irrigen Annahme ausgegangen, Kapitän sei gleich Kapitän. Dabei war dieser Titel ursprünglich allein Kommandanten von Kriegsschiffen vorbehalten. Erst im 18. Jahrhundert bürgerte es sich allmählich ein, aus Höflichkeit auch die Führer von Handelsschiffen statt mit der älteren Bezeichnung „Schiffer“ mit dem Titel „Kapitän“ anzureden.
Im Gegensatz zu den Kommandanten von Kriegsschiffen traten im Fall der Kapitäne in der Handelsfahrt neben die rein seemännische Verantwortung für Schiff und Reise noch kaufmännische Aufgaben. Allerdings hatte in der europäischen Seefahrt seit Ende des Mittelalters die Zahl der Eigenschiffer, die zumindest einen Anteil an dem von ihnen geführten Schiff besaßen, gegenüber den Setzschiffern, das heißt den Kapitänen, die als bloße Angestellte fuhren, stetig abgenommen, so daß spätestens am Ende des 18. Jahrhunderts der angestellte Kapitän der Normalfall war.
Ebenso wie heute galt auch damals an Bord eine strenge Hierarchie, die jedem Besatzungsmitglied einen exakt definierten Aufgabenbereich zuwies, um in allen Situationen ein planvolles und koordiniertes Handeln der Mannschaft und damit die Sicherheit des Schiffes zu gewährleisten. Seit dem Mittelalter existierte daher in Fragen der nautischen Führung des Schiffes eine deutlich ausgeprägte Befehlsstruktur. Die Seeleute waren bei Strafe zum unbedingten Gehorsam gegenüber dem Kapitän und seinen Offizieren verpflichtet, wie etwa eine Lübecker Klageschrift anläßlich eines Falls von Ungehorsam an Bord aus dem Jahr 1804 formuliert: „Jeder Schiffer ist während der Reise Monarch des Schiffs.“
Jann M. Witt