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Beschämend, gesetzlos und blutrünstig

Kaiser Elagabal

Beschämend, gesetzlos und blutrünstig
Die römische Kaisergeschichte verzeichnet skurrile Exzentriker, grausame Despoten und perverse Wollüstlinge in einer solchen Dichte, daß sich die Frage stellt, wie das Imperium unter solchen Herrschern so lange so erfolgreich den Mittelmeerraum beherrschen konnte.

Die debile Brut aller römischen Dynastien stellte, folgen wir den römischen Gewährsleuten, ein Jüngling in den Schatten, der um das Jahr 204 im syrischen Emesa unter dem Namen Varius Avitus zur Welt kam. Seiner Abstammung nach zum Hohenpriester einer lokalen Gottheit bestimmt, machte das Schicksal ihn noch im Knabenalter zum römischen Kaiser. In die Annalen ging er unter dem Namen seines Gottes ein, dessen Kult er in Rom heimisch zu machen suchte: Elagabal.

Die Stadt Emesa hatte, als Elagabal zur Welt kam, bereits eine bewegte Geschichte hinter sich. Als das hellenistische Seleukidenreich im 1. Jahrhundert v.Chr. in Trümmer fiel, bemächtigten sich wandernde Stämme weiter Teile Syriens. Einer von ihnen, die Emesener, schritt im mittleren Orontestal, um das heutige Homs (Nordwestsyrien), zur Landnahme, ging allmählich zur seßhaften Lebensweise über und errichtete ein kleines Fürstentum, dessen Dynastie verwandtschaftliche Bande zu den übrigen Herrscherhäusern des fragmentierten Vorderasien unterhielt. Die meisten dieser lokalen Dynastien fielen in flavischer Zeit (69–96) einer umfassenden politischen Flurbereinigung zum Opfer, die der römischen Provinz Syria die von Rom bis dahin nur indirekt beherrschten Teile Syriens einverleibte.

Die Hauptrolle spielte in Emesa fortan eine Familie, welche die Priesterschaft der lokalen Gottheit Elagabal wie einen Erbhof verwaltete. Ob die Priesterdynastie von der alten Königsfamilie abstammte, wird sich nie klären lassen. Rätsel gibt auch der Gott auf, dessen Kult die Priester im Heiligtum vorstanden. Dem Namen nach ursprünglich eine lokale Berggottheit, wurde Elagabal als Sonnengott verehrt, weshalb spätere Zeiten seinen Namen zu Heliogabalos verballhornten. Der Gott besaß kein Kultbild in Menschengestalt, wie es für griechische und römische Gottheiten charakteristisch war, sondern wurde in Form eines kegelförmigen Meteorsteins (Betyl oder baitylos) verehrt, der im Tempel verwahrt wurde. Die Priesterdynastie aus Emesa wäre wohl nie zu welthistorischer Bedeutung gelangt, hätte nicht um 187 ein verwitweter römischer Senator afrikanischer Herkunft um die Hand eines ihrer weiblichen Mitglieder angehalten. Septimius Severus war zu dieser Zeit Statthalter der Provinz Gallia Lugdunensis (in der Mitte des heutigen Frankreich) und hoffte, durch die Verbindung mit Iulia Domna und ihrer Familie seine Position im Geflecht rivalisierender aristokratischer Netzwerke zu verbessern. Seine Hoffnung trog nicht: Sechs Jahre nach der Hochzeit war er Kaiser (193–211) – und die emesenische Priesterfamilie mit ihrem vielköpfigen Anhang ein wichtiger Zweig der kaiserlichen Familie.

Als Septimius Severus 211 im britannischen Eboracum (York) das Zeitliche segnete, bestiegen Iulia Domnas Söhne Bassianus, genannt Caracalla, und Geta den Kaiserthron. Ihre Doppelherrschaft währte nicht lange: Noch im Jahr ihrer gemeinsamen Thronbesteigung erschlug Caracalla den jüngeren Geta, wie es heißt, in den Armen seiner Mutter. Als Caracalla selbst 217 bei der Vorbereitung eines Feldzugs gegen die Parther das Opfer einer Militärverschwörung wurde, schien das Ende der Dynastie besiegelt. Der neue Kaiser, Caracallas Prätorianerpräfekt Opellius Macrinus, agierte jedoch vorsichtig und war auf gutes Einvernehmen mit Iulia Domna, ihrer Schwester Iulia Maesa und deren Töchtern Iulia Sohaemias und Iulia Mamaea bedacht.

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Durch den Versöhnungskurs des Macrinus keineswegs besänftigt, sannen die severischen Frauen auf Rache. Zwar scheiterte die bereits unheilbar kranke Iulia Domna mit dem Versuch, in den Garnisonen der orientalischen Provinzen Stimmung gegen den Kaiser zu machen, und beging Selbstmord; doch präsentierte Iulia Mamaea den in Emesa stationierten Soldaten bald einen Kandidaten, den das an der Dynastie haftende Charisma unschlagbar zu machen versprach: ihren Enkel Varius Avitus. Der Sohn Sohaemias’ versah zu dieser Zeit als Prie-ster seine Pflichten für den Gott Elagabal. Um seine Position im Konflikt mit Macrinus noch weiter zu stärken, gab man ihn als leiblichen Sohn des beim Militär populären Caracalla aus. Die Soldaten akklamierten dem gerade 14jährigen als ihrem neuen Kaiser, und das Schicksal nahm seinen Lauf.

Stand der Prätendent fest, so folgte eine Usurpation im Imperium Romanum dem immer gleichen Drehbuch: Der Amtsinhaber, zur Reaktion gezwungen, setzte seine Truppen gegen den Usurpator in Marsch; das folgende blutige Gemetzel fand erst sein Ende, wenn einer gefallen oder anderweitig aus dem Weg geschafft war, nicht selten von den eigenen Solda‧ten, die damit eine Niederlage doch noch in einen Sieg umzubiegen suchten. Dieses Schicksal ereilte, nach mehreren militärischen Mißerfolgen auf syrischen Schlachtfeldern, den unglücklichen Macrinus, der auf der Flucht in Kleinasien 218 ein unrühmliches Ende fand.

Elagabal hatte den Sieg davongetragen und war Kaiser, ins Amt gespült durch das Prestige seiner Familie sowie ihren Rückhalt im Militär und in den Eliten der orientalischen Städte. Aber er hatte es nicht eilig, nach Rom, in die Hauptstadt des Reiches, zu kommen. Den Winter 218/19 verbrachte er in Nikomedeia (nahe dem Bosporus). Soweit stimmen die Darstellungen der beiden gewichtig-sten Gewährsleute, die des bithynischen Senators Cassius Dio (auf dem die „Historia Augusta“ vor allem fußt) und jene Herodians, der mit einiger Wahrscheinlichkeit aus dem syrischen Antiocheia stammte, bis auf Nuancen überein. In Nikomedeia läßt Herodian Elagabal eine scheinbar nebensächliche Handlung begehen, die keineswegs zum kanonischen Bild des irrsinnigen Imperators paßt, sondern Elagabal als planvoll agierenden Handlanger einer bösen Macht zeigt: Der neue Kaiser läßt von sich ein großes Bild anfertigen und nach Rom senden, damit – so die Schilderung Herodians – „der Senat und das Volk von Rom sich an seinen Anblick gewöhnten“…

Dr. Michael Sommer

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