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Das Ende einer Vielvölker-Armee

Österreich-Ungarn im Ersten Weltkrieg

Das Ende einer Vielvölker-Armee
Erst in den letzten Kriegs?jahren führte das Erstarken nationalistischer Kräfte zur Auflösung der österreichisch-ungarischen Armee. Doch hatten zuvor bereits der Mangel an Material und eine Verzettelung der Kräfte zu einer zunehmend ungünstigen militärischen Lage geführt.

Die österreichisch-ungarische Armee, die in den Juli- und Augusttagen 1914 in ihren letzten Krieg zog, entsprach in ihrer taktisch-strategischen Konzeption einer typischen Friedensarmee des 19. Jahrhunderts. Die modernen Kriege in Afrika (Burenkrieg), Asien (Russisch-Japanischer Krieg 1904/05) und auf dem Balkan (erster und zweiter Balkan-Krieg 1912/13) waren hinsichtlich ihres Kriegsbildes vom österreichischen Generalstabschef Franz Conrad von Hötzendorf nur wenig beachtet worden.

Dies unterschied die k. u. k. Armee jedoch nur wenig von den meisten anderen europäischen Armeen. Als problematisch sollte sich jedoch erweisen, daß man dann genau gegen jene Gegner (Rußland, Serbien) anzutreten hatte, die als besonders kriegserfahren galten. Auch die innenpolitischen Verhältnisse der Donaumonarchie hatten sich in der unmittelbaren Vorkriegszeit negativ auf die Wehrkraft der Armee ausgewirkt. Durch den österreichisch-ungarischen Ausgleich von 1867 war die Donau-monarchie in zwei mehr oder weniger selbständige Reichshälften, eine österreichische und eine ungarische, aufgeteilt worden. Für die Armee bedeutete dies eine Dreiteilung, da zum gemeinsamen Heer in jeder der beiden Reichshälften noch eine eigene Landwehr trat. Diese in der österreichischen Reichshälfte als k. k. Landwehr, in der ungarischen als k. u. Landwehr (später Honvéd) bezeichneten Armeekörper unterstanden nicht dem gemeinsamen Kriegsministerium, sondern den jeweiligen Landesver?teidigungsministerien. Vor allem die Ungarn machten die eigene Landwehr zu einem Symbol der nationalen Identität und versuchten, sie auf Kosten des gemeinsamen Heeres zu stärken.

Erst 1912 konnte ein politischer Konsens und damit ein neues Wehrgesetz mit erhöhten jährlichen Rekrutenzahlen durchgesetzt werden. Die langwierigen innenpolitischen Verhandlungen hatten jedoch sowohl die technische Modernisierung als auch die sonstigen notwendigen Rüstungsmaßnahmen erheblich verzögert. Artillerie, Maschinenwaffen, Automobile und das Luftfahrtwesen waren bei Kriegsbeginn daher nicht nur veraltet, auch quantitativ war Österreich-Ungarn im Vergleich mit den Nachbarstaaten auf diesen Feldern unterlegen. Die Schüsse von Sarajevo am 28. Juni 1914 trafen die österreichisch-ungarische Armee damit mitten in einer Übergangs- und Reformphase.

In strategischer Hinsicht waren durch den Generalstab bereits im Frieden Kriegspläne ausgearbeitet worden, die dem dann im Juli/August tatsächlich eintretenden Kriegsszenario weitgehend entsprachen. Grundsätzlich wurden Pläne für Kriege gegen Rußland, Serbien und Montenegro in zwei unterschiedlichen Konstellationen – Kriegsfall „R“ (gleichzeitiger Krieg gegen Rußland und Serbien/Montenegro) und Kriegsfall „B“ (Krieg ausschließlich gegen Serbien/Montenegro) – ausgearbeitet.

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Während im Kriegsfall „R“ das Gros der Armee als sogenannte „A“-Staffel in Galizien gegen Rußland aufzumarschieren und ihr die kleinere „B“-Staffel zu folgen hatte, sollte auf dem Balkan lediglich eine schwache „Minimalgruppe Balkan“ in defensiver Aufstellung verbleiben. Beim Kriegsfall „B“ waren für den Krieg gegen Serbien und Montenegro die etwas verstärkten Truppen der „B“-Staffel und diejenigen der „Minimalgruppe Balkan“ als ausreichend beurteilt worden. Da am 25. Juli die serbische Armee mobilisierte, antwortete Österreich-Ungarn seinerseits mit einer Teilmobilmachung nach Kriegsfall „B“; am 28. Juli folgte die Kriegser?klärung an Serbien. Als am 31. Juli klarwurde, daß Rußland Serbien zur Seite stehen würde, wurde aus dem Kriegsfall „B“ jedoch der Fall „R“. Der bereits im Gang befindliche Aufmarsch „B“ hätte in jenen für den Kriegsfall „R“ umgewandelt werden müssen. Die am 31. Juli in Österreich-Ungarn ausgerufene Generalmobilmachung wurde jedoch ohne Unterbrechung der bereits auf den Balkan rollenden Transporte vorgenommen, so daß das Gros der „B“-Staffel gegen Rußland vorerst nicht zur Verfügung stand.

Mit der am 31. Juli 1914 angeordneten allgemeinen Mobilisierung wurde die gesamte bewaffnete Macht auf den Kriegsstand gesetzt. Dabei zeigte sich entgegen manchen zweifelnden Stimmen, daß sämtliche Nationalitäten dem Ruf des Kaisers Folge leisteten. Insgesamt war das Machtaufgebot der Monarchie gewaltig. Alles in allem wurden rund 2,9 Millionen Männer (inklusive freiwilliger landsturmpflichtiger Arbeiter) aus dem Zivilleben in den aktiven Militärdienst versetzt. Der Verpflegsstand inklusive sämtlicher Hinterlandsformationen betrug im August 1914 rund 3,35 Millionen Personen, wobei jener der Armee im Feld mit 1,8 bis zwei Millionen Personen anzunehmen ist.

Der Krieg im Nordosten gegen Rußland galt für die österreichisch-ungarische Armee vorerst als prioritärer Kriegsschauplatz. Es erwies sich dabei als besonders unangenehm, daß die Deutschen in Ostpreußen lediglich eine Armee belassen hatten und ihr militärisches Schwergewicht im Westen bildeten. Um den deutschen Bündnispartner zu entlasten, entschied sich das österreichische Armeeoberkommando, in allgemeiner Richtung Nord anzugreifen. Österreichisch-ungarischen Armeen gelangen dabei bei Krasnik und Komarow in der Nähe von Lublin zwei wichtige Siege. Conrad hatte gehofft, daß die Deutschen aus Ostpreußen Richtung Süden und den Österreichern entgegen angreifen würden, doch zeigten sich die deutschen Kräfte dafür als zu schwach. Durch den nördlichen Vorstoß wurde die österreichische Front aber immer länger. Für ihre Besetzung reichten die Kräfte aufgrund des Fehlens der „B“-Staffel, die sich immer noch auf dem Balkan befand, nicht mehr aus. Im Südabschnitt (Galizien) kam es dann zur Katastrophe. Aufgrund der massiven materiellen Überlegenheit des Gegners mußte die Front zurückgenommen werden. Lemberg ging verloren, große Teile Galiziens wurden von den Russen besetzt. Die kritische Situation konnte erst mit dem Sieg bei Limanowa-Lapanow im heutigen Südpolen im Dezember 1914 bereinigt und der Vormarsch der Russen vorerst zum Stehen gebracht werden.

Auf dem Balkan verliefen die Feldzüge während des Jahres 1914 gleichfalls wenig erfolgreich. Das aus politischen Absichten gegenüber den (noch) neutralen Staaten Bulgarien, Rumänien und Türkei notwendige Übergehen zur Offensive (die österreichisch-ungarischen Streitkräfte am Balkan sollten sich gemäß Kriegsfall „R“ eigentlich defensiv verhalten) führte zu mehreren Mißerfolgen, die auf mangelnden Nachschub, schwieriges Gelände, aber auch strategische Fehler zurückzuführen waren. Trotz der kurzfristigen Eroberung Belgrads im Dezember 1914 konnte die serbische Armee nicht geschlagen werden. Aufgrund der beidseitigen schweren Verluste kam es daher Ende 1914 zu einem Stillstand der Operationen auf dem Balkan…

Mag. M. Christian Ortner

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