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Das Erbe der Steppenkaiser

Die Schätze der Liao

Das Erbe der Steppenkaiser
Das Museum für Ostasiatische Kunst in Köln rückt eine in Vergessenheit geratene Nomadendynastie in den Blickpunkt: Das Volk der Kitan, das sich selbst „Quidan“ nannte und seine Dynastie „Liao“, war um 1000 die „Supermacht“ Ostasiens. Von der Mandschurei über die Mongolei bis in die Gegend des heutigen Peking erstreckte sich ihr Herrschaftsgebiet.

Die Kitan werden bereits in chinesischen Quellen des 4. Jahrhunderts erwähnt. Das Nomadenvolk war ursprünglich in der Mandschurei beheimatet. Die Geschichte des Liao-Reichs begann 907, im Jahr des Zusammenbruchs der Tang-Dynastie in China. Damals eignete sich der Kitan-Herrscher Abaoji den Titel kaghan an: Erhabener Herrscher. Seine Dynastie nannte er nach einem Fluß in Nordchina „Liao“. Im Jahr 918 gründete Abaoji eine neue Hauptstadt für sein Reich: Huangdu („Erhabene Hauptstadt“) in der heutigen Inneren Mongolei.

Der „Kaiserpalast“ bestand zunächst nur aus einer Ansammlung von Jurten und Pavillons, die – verladen auf einen Zug von Ochsenkarren – dem Herrscher zu den jahreszeitlichen Jagdgründen und auf Feldzügen folgte. Er entstand jedesmal neu, wenn der Herrscher in die Hauptstadt kam. Während seiner Abwesenheit blieb an der Stelle des „Palasts“ ein leerer Platz zurück. Erst Abaojis Nachfolger ließen sich eine dauerhafte Residenz errichten. So entstand im Lauf der Zeit eine prächtige Stadt mit Palästen, Tempeln, Verwaltungsgebäuden und Kaufmannsvierteln. Davon sind nur Reste der Ummauerung aus Stampflehm übriggeblieben, wie insgesamt nur wenige Bauten aus der Zeit der Liao-Dynastie erhalten sind. Dazu gehören Pagoden aus Ziegeln oder Holz, die sich heute noch bis zu 80 Meter über die flache Steppe erheben.

Abaojis Nachfolger Deguang teilte das Reich 947 in eine nördliche und eine südliche Verwaltungseinheit. Damit wurde der unterschiedlichen Lebensweise in den beherrschten Gebieten Rechnung getragen: Die nomadischen, Viehzucht betreibenden Kitan-Stämme im Norden und die seßhaften, Ackerbau betreibenden Völker im Süden sollten unter dem Dach der Liao-Herrschaft ihre jeweiligen Traditionen und Sprachen beibehalten können. Mit dieser Zweiteilung versuchten die Liao auch der Herausforderung zu begegnen, vor die sich alle nomadischen Fremdherrscher gestellt sahen: ein System zu entwickeln, das einerseits die Oberherrschaft des zahlenmäßig weit unterlegenen Nomadenvolks sicherte und andererseits die zahlreichen Völker bei der Verwaltung des großen Reiches einband, sie aber zugleich auf die Anerkennung der Oberherrschaft der Liao verpflichtete.

Im Lauf des 10. Jahrhunderts brachten die Kitan die Mongolei und den nordöstlichen Teil des ehemaligen Tang-Reichs unter ihre Herrschaft. 1005 mußte sich die chinesische Song-Dynastie nach einer verheerenden militärischen Niederlage zu Tributzahlungen an die Liao verpflichten – ein Vertrag, dessen Bedeutung die chinesische Geschichtsschreibung, welche die Kitan als rückständige Barbaren und unzivilisiertes Nomadenvolk darstellte, meist heruntergespielt hat.

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Die Herrschaft der Liao-Dynastie begann jedoch bereits in der Mitte des 11. Jahrhunderts zu bröckeln. Dazu trugen auch interne Spannungen bei: Anhänger der alten Stammes-traditionen rebellierten gegen den wachsenden chine-sischen Einfluß auf die Kultur der Liao. Die Zentralregierung wurde dadurch so stark geschwächt, daß sie nicht mehr imstande war, Rebellionen der unterworfenen Völker zu begegnen.

Den Todesstoß erhielten die Liao durch das ihnen tributpflichtige Volk der Dschurdschen. Im Jahr 1112 widersetzte sich Aguda, einer der Stammesführer der Dschurdschen, der Autorität der Liao, als er sich weigerte, bei einer rituellen Zeremonie vor dem khagan zu tanzen. Weitere interne Kämpfe am Hof der Liao bewirkten schließlich den vollständigen politischen und militärischen Zusammenbruch. 1120 eroberte Aguda die „Erhabene Hauptstadt“ und zerstörte sie, der letzte Liao-Herrscher Tianzuo starb in der Gefangenschaft. Nur kleinen Gruppen der Kitan gelang die Flucht nach Westen, wo sie 1132 im Gebiet des heutigen Xinjang (früher bekannt als Sinkiang; Gebiet im äußersten Westen der Volksrepublik China) ein neues Reich gründeten, das 1211 von den mongolischen Eroberern überrannt wurde.

In der Blütezeit der Liao-Dynastie lebten unter ihrer Herrschaft zahlreiche Völker mit unterschiedlichsten Traditionen und Religionen. Die Liao-Herrscher förderten die Ausbreitung des Buddhismus, ließen buddhistische Schriften drucken, Tempel und Klöster errichten. Die meisten Mitglieder der Stammesgesellschaften der Kitan praktizierten jedoch weiterhin ihre alten schamanischen Rituale oder vertrauten Tierknochen-Orakeln.

Das Bild der Liao als unzivilisierter Barbaren wurde durch Ausgrabungen der vergangenen 20 Jahre gründlich revidiert. In den Gräbern der Herrscher fanden die Archäologen Objekte aus Gold und Silber von höchster Handwerkskunst. Die Gegenstände schufen vermutlich chinesische Handwerker, die im Reich der Kitan arbeiteten, oder sie wurden als Tributzahlungen und Handelsware von Werkstätten in China nach Vorgaben der Liao hergestellt. Sie belegen das Bewußtsein einer eigenständigen Kultur der Kitan, die sich von der chinesischen abhob…

Die Schätze der Liao Chinas vergessene Nomadendynastie Museum für Ostasiatische Kunst, Köln 27. Januar – 22. April 2007

Zum erstenmal werden bei dieser Ausstellung einzigartige Kunstobjekte der Liao-Dynastie bei einer Ausstellung in Europa gezeigt. Filigrane Gold- und Silberobjekte zeugen von ihrer hohen Handwerkskunst, Bernstein von der Ostseeküste und arabisches Glas von ihren Handelsverbindungen, reichverziertes Pferdegeschirr von ihrem nomadischen Erbe.

Die im Schatz der Weißen Pagode im Nordwesten der antiken Stadt Qingzhou (Linkes Balin Banner) gefundenen Kost-barkeiten belegen die große Bedeutung, die der Buddhismus für die Kultur der Liao hatte.

Die Ausstellung zeigt insgesamt 200 Fundobjekte, im Mittelpunkt steht die prunkvolle Grabausstattung der Prinzessin von Chen und ihres Gemahls. http://www.museenkoeln.de/museum-fuer-ostasiatische-kunst/default.asp

Die Ausstellung ist vom 13. Mai bis zum 15. Juli 2007 auch im Museum Rietberg in Zürich zu sehen.

http://www.stadtzuerich.ch/internet/zuerichkultur/home/institutionen/home/redirect_mr/museum_rietberg/home.html

Zu der Ausstellung erscheint ein reich bebilderter Katalog mit Beiträgen, die den aktuellen Forschungsstand zusammenfassen und die Exponate detailliert vorstellen.

Uwe A. Oster

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