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„Der Bauer wird witzig“

Die Ursachen des Bauernkriegs

„Der Bauer wird witzig“
Immer weniger Menschen konnten zu Beginn des 16. Jahrhunderts von der Landwirtschaft leben. Stattdessen mussten viele als Tagelöhner ihr karges Dasein fristen. Doch auch die Übrigen wurden durch eine immer drückendere Abgabenlast und willkürliche Fronforderungen beschwert. Damit war die Saat gelegt, die im Bauernkrieg aufbrach.

Der Bauernkrieg der Jahre 1524 bis 1526 in Kernregionen des Heiligen Römischen Reichs ist nicht Ausdruck eines ökonomischen Niedergangs und sozialer Stagnation gewesen. Paradoxerweise resultierte der Konflikt aus einer umfassenden gesellschaftlichen Dynamik in dieser Zeit. So verschärften das Bevölkerungswachstum, der ökonomische Fortschritt, die Verdichtung öffentlicher Kommunikation durch die Erfindung des Buchdrucks sowie der Ausbau von Herrschafts- und Staatsgewalt die Spannungen in einer nicht auf Wachstum, sondern auf die Verteilung knapper Ressourcen ausgerichteten Gesellschaft. Der Bauernkrieg markierte dabei den größten Konflikt einer von diesem Übermaß an Veränderung überforderten ständischen Gesellschaft.

Der dramatische Bevölkerungsrückgang infolge der großen Pestzüge des 14. Jahrhunderts hatte zur Aufgabe vieler Siedlungen und zu einem Sinken der Agrarpreise geführt. Von der Mitte des 15. Jahrhunderts an kehrte sich die Entwicklung jedoch um: Günstige klimatische Rahmenbedingungen sorgten für ein nachhaltiges Bevölkerungswachstum und eine anhaltende Agrarkonjunktur mit steigenden Preisen. Die Kehrseite der Medaille: Das rasche Anwachsen der ärmeren und unterbäuerlichen Schichten setzte die sozialen Strukturen innerhalb der Dörfer zunehmend unter Druck und verschärfte soziale Unterschiede in den Dorfgemeinden – erkennbar etwa an Versuchen, innerhalb des Dorfs den Zugang zum Gemeindebesitz, zur Allmende, zu reglementieren. In den Gebieten, in denen der bäuerliche Besitz beim Erbfall geteilt wurde (Realteilung), entstanden immer kleinere und unwirtschaftliche Einheiten, während in Gebieten, in denen der Hof lediglich an einen Nachfolger vererbt wurde, die übrigen Familienangehörigen leer ausgingen und so die unterbäuerlichen Schichten vermehrten. Die Schere in den Dörfern zwischen einer bäuerlichen Oberschicht, die für den Markt – vor allem für die Versorgung einer wachsenden städtischen Bevölkerung – produzierte und von der Agrarkonjunktur profitierte, sowie einem stetig wachsenden Anteil von landarmen oder -losen Dorfhandwerkern, Tagelöhnern und Kleinstbauern klaffte immer mehr auseinander. Um 1500 lag der Anteil der unterbäuerlichen Schichten in einigen der späteren süd- und mitteldeutschen Aufstandsgebiete bereits bei 50 Prozent.

Gerade die am stärksten sozial und ökono-misch differenzierten Agrarregionen waren diejenigen, in denen sich die Krisenphänomene häuften. So waren die sozialen Gegensätze in den stadtnahen Regionen Württembergs, Badens und Frankens, die von Weinbau geprägt waren und in denen sich Tagelöhner für die entsprechenden Saisonarbeiten verdingten, besonders ausgeprägt. Ähnliches gilt für die ländlichen Gewerberegionen, in denen städtische Kaufleute als „Verleger“ billige Lohnarbeiter für ihre Textilproduktion fanden. Die Region zwischen Lech, Donau und Bodensee, in denen die Augsburger und Ulmer Großkaufleute mit Textilproduktion die Basis ihres Reichtums schufen, wurde zur Kernregion des oberdeutschen Bauernaufstands.

Das Überangebot an denjenigen, die von der Landwirtschaft nicht mehr leben konnten, drückte die Löhne und schuf prekäre Abhängigkeiten von externen ökonomischen Konjunkturen. Gleichzeitig sorgten steigende Lebensmittelpreise dafür, dass die vorhandenen Ressourcen zum Überleben immer knapper wurden. Um sich gegen die periodischen Missernten und Hungerkrisen zu wappnen, reichten sie erst recht nicht aus. Dass der Bevölkerungsdruck und die infolgedessen prekärer werdende Tragfähigkeit bäuer‧lichen Wirtschaftens im Ursachenbündel eine entscheidende Rolle spielten, macht schon der Blick auf die regionale Ausbreitung des Bauernkriegs deutlich: Die dichtbevölkerten Regionen Ober- und Mitteldeutschlands bildeten das Zentrum des Aufruhrs, während die vergleichsweise gering besiedelten Gebiete Ost- und Norddeutschlands entweder gar nicht oder nur marginal tangiert wurden.

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Die Spannungen in den Dörfern wurden durch externe Faktoren zusätzlich angeheizt, denn im System der feudalen Grundherrschaft waren für die Nutzung des Bodens Abgaben zu entrichten – meist in Naturalien, doch war seit dem Spätmittelalter eine zunehmende Verlagerung auf monetäre Leistungen zu beobachten. Der zunehmenden Differenzierung der ländlichen Bevölkerung korrespondierte gerade in den späteren Aufstandsgebieten eine Aufgliederung, ja Zersplitterung der Herrschafts‧rechte, so dass die Bauern dort mit einer Vielzahl unterschiedlicher und häufig konkurrierender Ansprüche konfrontiert wurden. Neben den Grundherren, denen Grund- oder Pachtzins zu entrichten waren, forderten Leibherren, Gerichtsherren oder auch die Zehntberechtigten ihre jeweiligen Abgaben ein. So konnte sich der Grundzins auf bis zu 40 Prozent des Ertrags belaufen, wozu noch diverse Formen des Zehnten kamen, aus denen der Unterhalt der Kirche und ihres Personals zu bestreiten war. Häufig waren diese Leistungen im Lauf der Zeit auf andere Berechtigte übergegangen, doch änderte dies nichts daran, dass gerade der auf Obst, Gemüse oder Heu erhobene Kleine Zehnt für die ärmeren Dorfbewohner eine hohe Belastung darstellte. Un‧regelmäßige, aber im Einzelfall umso härtere Abgaben fielen bei Besitzwechseln, speziell beim Erbfall an. Wenn etwa das „Besthaupt“ – das beste Stück Vieh – dem Grundherrn abzustatten war, waren bäuerliche Klagen vorprogrammiert…

Prof. Dr. Horst Carl

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