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Der bescheidene Star

Joseph Haydn (1732-1809)

Der bescheidene Star
Zu Unrecht steht Joseph Haydn noch immer im Schatten der beiden anderen Großmeister der Wiener Klassik, Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven. Ein Porträt zu seinem 200. Todestag.

Während zu Wolfgang Amadeus Mozart jährlich unzählige Neuerscheinungen an Büchern und anderen Artikeln zu verzeichnen sind, erhielt Joseph Haydn lange Zeit keine derartige Beachtung. Haydn war nie Wunderkind und Mann von Welt, der schon in jungen Jahren mit Kaiser, Papst und Königen verkehrte wie Mozart, und er war auch kein exzentrischer Beethoven, der durch sein eigenwilliges und zum Teil ungehobeltes Auftreten die vornehmen Wiener Salons schockierte. Das Bild von dem eher biederen niederösterreichischen Dorfkind, von dem in der Abgeschiedenheit der ungarischen Provinz bescheiden lebenden Haydn, den Mozart immer als „Papa Haydn“ bezeichnete, ist noch heute schwer aus den Köpfen der Menschen zu bringen.

Dabei wird oft vergessen, dass Haydn am Ende seines langen Lebens vielleicht der berühmteste der drei großen Meister der Klassik war und bei den Zeitgenossen auch international ein so hohes Ansehen genoss wie kaum einer seiner beiden Kollegen. Dass er nicht als freischaffender Komponist leben wollte, sondern lieber eine feste, wenn auch in den Augen vieler provinzielle Stellung bei einer ungarischen Fürstenfamilie annahm, mag für seine diesbezügliche Neigung sprechen, sagt jedoch nichts über die Qualität seiner Kompositionen aus.

Franz Joseph Haydn wurde am 31. März 1732 in dem niederösterreichischen Städtchen Rohrau als zweites von insgesamt zwölf Kindern geboren. Sein Vater war Wagnermeister, seine Mutter stand als Köchin im Dienst der Grafen von Harrach. Haydns Vater sang gern und spielte Harfe. In der kleinen Dorfschule wurde der Lehrer auf Haydn aufmerksam, als er den Jungen beim sonntäglichen Gottesdienst die Geige spielen hörte. Er schickte ihn ins nahe Hainburg, wo Haydn als Chorknabe aufgenommen wurde. Darüber hinaus bekam er Unterricht im Gesang, lernte Geige, Orgel, Cembalo und Pauke, sein Lieblingsinstrument, das er auch später noch mit Vorliebe schlug, wann immer er konnte.

Als Georg Reutter, der Kapellmeister des Wiener Stephansdoms, einmal durch Hainburg kam, hörte er Haydn und engagierte den Knaben mit der schönen Sopranstimme für seinen Chor. Haydn war damals erst acht Jahre alt. Neben dem allgemeinen Schulunterricht musste Haydn nun täglich bei den Hochämtern im Dom singen, hatte nebenher zahlreiche Proben und weitere Auftritte. Doch bei aller Mühsal: Für den Sohn eines armen niederösterreichischen Handwerkers war es eine große Ehre, in der Sängerschule des Stephansdoms mitwirken zu dürfen. Haydn wusste dieses Glück zu schätzen. Nebenbei begann er, ohne Anleitung, zu komponieren, natürlich mit mäßigem Erfolg.

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Haydns Gesang fand solchen Gefallen, auch bei Mitgliedern der kaiserlichen Familie, dass sich der Chorleiter überlegte, ob man diese schöne Sopranstimme nicht erhalten sollte. Er ließ den Vater kommen und erklärte ihm im Beisein des Sohnes, was es für ein Glück für ihn und seine Familie wäre, wenn sich der kleine Joseph einer bestimmten Operation unterziehen würde, die seine Singstimme für alle Zeiten erhalten könnte. Damals war es nicht unüblich, auch einheimische Knaben zu kastrieren, die dann den einfachen Dienst in den Kirchenchören zu verrichten hatten. Die „richtigen“, großen Kastraten kamen aus Italien und waren extrem teuer. Die „Teutschen Soprane“, wie sie in den Hoflisten heißen, wurden dagegen selten Stars und sangen auch nicht in glanzvollen Opernaufführungen mit. Doch Haydns Vater sträubte sich, und so blieb dem jungen Sänger diese Prozedur erspart. Haydn war ein lustiges Kind. Von ihm sind einige Streiche überliefert, die er seinen Lehrern und Mitschülern spielte. Dass er einmal während des Unterrichts seinem Vordermann den Haarzopf von dessen Perücke abschnitt, gehört noch zu den harmlosen Eskapaden. Als er in den Stimmbruch kam, setzte man ihn kurzerhand vor die Tür. Sein jüngerer Bruder Michael, später selbst ein bedeutender Komponist, nahm seine Stelle ein.

Haydn hatte nichts als seine Kleider am Leib und fand Unterschlupf bei einem befreundeten Kirchensänger, der den armen Jugendlichen halbverhungert und halberstarrt vor Kälte auf einer Bank im Prater fand. In der Folge hielt er sich als Bettelmusikant über Wasser. Er spielte bei Hochzeiten, Taufen, abends in Schenken und auf der Straße. Seinem Ziel, ein großer Komponist zu werden, kam er dabei freilich nicht näher, auch wenn er nebenbei kleinere Tanzmusiken komponierte. Zufällig lernte der junge Musiker den kaiserlichen Hofpoeten Pietro Metastasio kennen, der im selben Haus am Kohlmarkt wohnte, in dem auch Haydn untergekommen war. Metastasio brachte den Jungen zu Nicola Por-pora, einem damals bedeutenden Opernkomponisten und Pädagogen, der viele berühmte Gesangsschüler unterrichtet hatte. Die großen Kastraten Farinelli, Caffarelli und Porporino gehörten dazu. Porpora war in fast allen europäischen Städten als Opern‧komponist erfolgreich gewesen und behandelte den jungen Haydn extrem herablassend. Unterricht gab es zunächst überhaupt keinen. Stattdessen musste Haydn Putz- und Botendienste übernehmen. Doch mit der Zeit wurde der alte Meister etwas zugänglicher, und Haydn hatte Gelegenheit, die damalige musikalische Elite Wiens kennenzulernen, die bei Porpora ein und aus ging.

Mit 27 Jahren erlangte Haydn seine erste Anstellung als Kammerkomponist des Grafen Karl von Morzin auf Schloss Lukavec südlich von Pilsen. Während dieser Zeit verliebte er sich in Josepha, die Tochter des Friseurs Keller, die ihn jedoch abwies. Kurzerhand ließ er sich von seinem Vater überreden, stattdessen deren ältere Schwester Marianne zu heiraten. Die Ehe wurde nicht besonders glücklich, zu unterschiedlich waren beide Charaktere. Das Intermezzo beim Grafen Morzin dauerte nicht lange. Als der Graf sein Vermögen verlor, löste er seine Hofkapelle auf, und Haydn sah sich nach einer neuen Stellung um. Bald wurde er fündig.

Am 1. Mai 1761 wurde Haydn Vizehofkapellmeister bei Fürst Paul II. Anton Esterházy in Eisenstadt (Burgenland). Haydn war nun 29 Jahre alt. Die Esterházy hatten schon im 16. Jahrhundert eigene Musiker in ihrem Stammschloss in Eisenstadt beschäftigt. Auch Fürst Paul II. Anton brachte aus Italien, wo er als kaiserlicher Gesandter gedient hatte, Musiker und Sänger für seine Hofkapelle mit. Als Kapellmeister fungierte Gregor Joseph Werner, Haydns neuer direkter Vorgesetzter. Als der Fürst 1762 starb, folgte ihm sein jüngerer Bruder Nikolaus I., den man bald wegen seiner Prunk- und Verschwendungssucht „den Prachtliebenden“ nannte. Nikolaus I. baute die Hofkapelle mit der Zeit noch aus und machte sie zu einer der bedeutendsten Adelskapellen der ganzen Donaumonarchie. 1766, nach dem Tod Werners, ernannte er Haydn mit einem Jahresgehalt von 400 Gulden zum ersten Hofkapellmeister…

Literatur: Hans-Josef Irmen, Joseph Haydn. Leben und Werk. Köln/Weimar/Wien 2007. Anton Werner-Jensen, Joseph Haydn. München 2009. Matthias Henke, Joseph Haydn. Sein Leben und seine Zeit. München 2009. Arnold Werner-Jensen, Joseph Haydn. München 2009.

Auf Haydns Spuren Auch heute noch kann man zahlreiche Stätten des Wirkens von Joseph Haydn besichtigen. Die Prachträume des Schlosses Esterházy können ebenso besichtigt werden wie das Haus, in dem Joseph Haydn in Eisenstadt gelebt hat. Vom 1. April bis zum 11. November 2009 ist im Schloss Esterházy zudem die Ausstellung „Eisenstadt. Schauplatz musikalischer Weltliteratur“ zu sehen. Die „Entwicklungsjahre eines Genies“ stehen bei der Ausstellung „Phänomen Haydn – heranreifend“ vom 31. Mai bis zum 31. Dezember 2009 in der Kulturfabrik Hainburg im Mittelpunkt. Das Schloss Esterháza bei Fertöd ist das größte und schönste ungarische Rokokoschloss. Der Mittelbau mit dem Konzertsaal kann besichtigt werden. Nur das Opernhaus in Esterháza, in dem Haydn seine größten Erfolge feierte, gibt es nicht mehr. Der prachtvolle Bau brannte 1781 ab, doch ist sein Wiederaufbau geplant. „Haydns letzte Lebensjahre“ stehen im Mittelpunkt der neugestalteten Dauerausstellung im Wiener Haydn-Haus.

Dr. Frank Huss

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