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Der erste große Europäer

Georg Friedrich Händel

Der erste große Europäer
Vor 250 Jahren, am 14. April 1759, starb in London eines der größten Genies der Musikgeschichte: Georg Friedrich Händel. Beigesetzt wurde der große Europäer in der Westminster Abbey. 600 Pfund hatte der Hallenser mit englischer Staatsbürgerschaft selbst für sein Marmordenkmal hinterlassen.

Händel als Popstar – mit einem furiosen Videoclip warb die ARD vor Jahren für die Musik des Barockkomponisten. London-Bilder, kreischende Girlies wie einst bei den „Beatles“. Der Komponist steigt aus einer Limousine, internationale Jetset-Karriere, dazu der Megahit „Halleluja“. Bei keinem anderen Komponisten der Musikgeschichte hätte dieser Clip wohl „funktioniert“. Händel indes ist eine internationale Persönlichkeit gewesen. Mit einem Kollegen wie Bach sind andere Assoziationen verbunden. Der thüringische Meister des Kontrapunkts passt kaum zu solchen Bildern der Massenhysterie. Anders Händel: Er galt schon zu Lebzeiten als der Meister der großen Emotionen und versierter Lenker der Affekte. Seine universelle Musiksprache wurde überall verstanden, ob in Deutschland, Italien oder England.

Schon zu Lebzeiten entwickelte sich Händel von einem Individuum zu einer Institution, postum sogar zu einer ganzen Industrie. Er war eine europäische Figur, was schon die unterschiedlichen Schreibweisen seines Namens dokumentieren: Als Georg Friedrich Händel in Halle an der Saale getauft, unterzeichnete er zunächst mit „Georg Friedrich“, änderte seinen Familiennamen in Italien aber zu „Hendel“, wurde verschiedentlich auch als „Haendel“, „Händeler“, „Hendler“ oder „Handell“ erwähnt und blieb schließlich bei „George Frederic Handel“, nachdem er die englische Staatsbürgerschaft angenommen hatte. In diesen vielfältigen Schreibweisen spiegelt sich eine brillante Karriere, die damals eng mit der schillernden Welt der Oper verbunden war. Mobilität, ja Risikobereitschaft waren hier vonnöten – und viel diplomatisches Geschick, um stets die richtigen Gönner und Mäzene zu finden!

Den jungen Händel zog es von Anfang an in die Ferne: von Halle nach Hamburg, zum großen Experiment „deutsche Oper“ und von dort nach Italien, ins Land, wo auch die Musik besondere Blüten trieb; und schließlich über Hannover nach England, das ihn 1727 zum Staatsbürger und alsbald zum Nationalhelden machte, dessen sterbliche Reste nach dem Wunsch des Kompo‧nisten natürlich einen Platz in der Westminster Abbey in London erhielten – mit einem lebensgroßen Denkmal Händels: die Linke auf die Orgel gestützt und in der Rechten ein Notenblatt mit der „Messiah“-Arie „I know that my Redeemer liveth“.

Der „Messiah“ wurde zu dem Werk, mit dem sich der Name Händel bis heute verbindet, sehr einseitig im Übrigen, wie ein Passus aus einer angesehenen englischen Zeitschrift aus dem Jahr 1784 belegt: „Sein Ruhm basiert unerschütterlich auf einem Werk – ‚Messiah‘ –, welches einen unendlich kleinen Bruchteil seines umfangreichen Gesamtwerks darstellt; doch es ist ein so repräsentativer Teil davon, dass eine weitere Beschäftigung mit seiner Musik wenig Neues zutage fördert“ („The Spectator“). Doch hier irrte die Presse. Viele seiner über 40 Opern und seine zahlreichen Instrumentalmusikwerke, darunter so prominente wie die „Water Musick“ und die „Musick for the Royal Fireworks“, waren zu Lebzeiten kaum weniger erfolgreich.

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Die musikalischen Sterne müssen günstig gestanden haben im Frühjahr 1685: Am 23. Februar wurde Händel in Halle geboren. Wenige Wochen später, am 21. März, Bach – nicht allzu weit entfernt – in Eisenach. Doch damit erschöpfen sich auch fast schon die Gemeinsamkeiten. Georg Friedrich wuchs in einer bürgerlichen Familie lutherischer Konfession auf. Der Vater war fürstlich sächsischer und kurfürstlich brandenburgischer Leibchirurg. Er dachte an eine juristische Laufbahn für den Sohn. Johann Sebastian hingegen wurde in eine protestantische Musikerdynastie hineingeboren, die seit Jahrhunderten schon eine kaum übersehbare Anzahl von Mu‧sikern hervorgebracht hatte: Spielleute, Stadtpfeifer, Organisten, Kantoren, Hofmusiker und Kapellmeister.

So unterschiedlich die weitere Karriere dieser beiden Komponisten verlief: Die Nachwelt hat die beiden Barockkomponisten doch zusammengebracht, denn beide stehen gleichsam für eine ganze Epoche: die „Epoche Bachs und Händels“, wie es in manch älterer Musikgeschichte heißt. Dass diese Zuspitzung der Heroengeschichtsschreibung entspringt, ist offensichtlich. Ein so erfolgreicher Kosmopolit wie Georg Philipp Telemann wird dabei einfach unterschlagen, der Italiener Antonio Vivaldi verdrängt, und auch der Franzose Jean-Philippe Rameau kommt so nicht in unseren Blick. Freilich haben schon die Zeitgenossen Bach und Händel miteinander verglichen, obwohl die beiden sich nie begegnet sind, geschweige denn, dass sich beide zu einem zeittypischen Wettstreit am Cembalo oder der Orgel zusammengefunden hätten. Doch auch ohne einen solchen Kampf der Giganten haben sich die Gelehrten immer wieder den Kopf darüber zerbrochen, wer denn der Größere von beiden sei.

Dass Bach und Händel sich nie am Cembalo „duellierten“, haben die jeweiligen Anhänger ganz unterschiedlich bewertet. So zog der Musikgelehrte Friedrich Wilhelm Marpurg bei dieser Frage eine Parallele zu Bachs Triumph über den französischen Cembalisten Marchand. Dieser Sieg sei ein Sieg über einen großen Virtuosen und – so stichelte Marpurg weiter – „hat nicht der große Händel alle Gelegenheiten vermieden, sich mit dem seeligen Bach, diesem Phönix in dem Satze und der Ausführung aus dem Stegreif, zusammenzufinden, und sich mit ihm einzulassen?“ Doch auch Händel hatte seine Anhänger. Schon 1738 attackierte der in Hamburg wirkende „critische Musicus“ Johann Adolph Scheibe die Vorrangstellung Bachs. Scheibe räumte zwar ein, dass Bach „auf dem Clavier und der Orgel so groß ist, dass es kaum zu glauben stehet, wenn man ihn nicht selbst gesehen und gehöret hat“. Doch der Beifall, den Händel „von allen Kennern noch täglich erhält und seine sonderbare Annehmlichkeit zu spielen, wodurch er die Herzen seiner Zuhörer auf das zärtlichste rühret, können auch den besten Musicverständigen ungewiss machen, wer von diesen beyden großen Männern dem andern vorzuziehen ist“…

Literatur: Hans Joachim Marx, Händel und seine Zeitgenossen. Eine biographische Enzyklopädie. Zwei Bände. Laaber 2008. Siegbert Rampe (Hrsg.), Georg Friedrich Händel und seine Zeit. Laaber 2008. Dorothea Schröder, Georg Friedrich Händel. München 2008. Franzpeter Messmer, Georg Friedrich Händel. Biographie. Düsseldorf 2008. Franz Binder, Georg Friedrich Händel. München 2009. Karl-Heinz Ott, Tumult und Grazie. Über Georg Friedrich Händel. Hamburg 2008. Uwe Neumahr, Georg Friedrich Händel. München 2009. Corinna Hesse, Das Händel-Hörbuch. Leben in der Musik. Hamburg 2008. Michael Wersin, Händel & Co. Die Musik der Barockzeit. Ditzingen 2009. Peter Overbeck, Georg Friedrich Händel. Leben, Werk, Wirkung. Frankfurt am Main 2009.

Prof. Dr. Wolfgang Sandberger

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