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Der Himmel voller Geigen

Geigenbaumuseum Mittenwald

Der Himmel voller Geigen
Wie sieht es in der Werkstatt eines Geigenmachers aus? Woraus besteht eine Geige, wie wird sie zusammengebaut? Welcher Geigenbauer schnitzte seinen Instrumenten Löwenköpfe? Fragen, die das Geigenbaumuseum in Mittenwald (Landkreis Garmisch-Partenkirchen) beantwortet.

Als Leopold Mozart am 27. November 1764 einem Freund in Salzburg schrieb, „dass Paris und London mit Mittenwalder Geigen voll sind“, war dies keine Übertreibung. In weniger als 100 Jahren war es dem kleinen bayerischen Markt gelungen, zu einem europäischen Zentrum für Geigenbau aufzusteigen. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts an wurden die Instrumente sogar in Übersee, hauptsächlich in den USA, verkauft.

Dass sich in Mittenwald dieser Wirtschaftszweig entwickeln konnte, verdankt der Ort einem einzigen Mann. Ein Denkmal vor der Pfarr‧kirche St. Peter und Paul, geschaffen von Ferdinand von Miller, erinnert an ihn: Mathias Klotz, auch Kloz oder Khloz (1653–1743), hat durch sein Wirken eine mittlerweile über 300 Jahre währende Tradition begründet. Mit 14 Jahren hatte der Sohn eines Schneiders seinen Geburtsort Mittenwald verlassen, zunächst, um bei einem Geigenbauer in die Lehre zu gehen; wo, ist nicht bekannt, manches spricht für eine Werkstatt in Füssen. Aber dass Klotz seine Gesellenzeit in Padua bei dem berühmten Pietro Railich absolvierte, wo seine Kunst wohl den letzten Schliff erhielt, belegt ein 1678 ausgestelltes, später beglaubigtes Arbeitszeugnis.

Zurück in Mittenwald, gründete Klotz Mitte der 1680er Jahre eine Werkstatt für Geigenbau. Besonders zwei Dinge scheinen ihm zum Erfolg verholfen zu haben: seine zum damaligen Zeitpunkt sehr moderne Bauweise nach Cremoneser Konstruktion und die hohe Qualität seiner Instrumente. Über zahlreiche Schüler, die wiederum Lehrlinge ausbildeten, eta‧blierten sich seine Kenntnisse in den nachfolgenden Generationen.

Sein Arbeitszeugnis aus Padua, nach dem Klotz „sich immer als pünktlich, gehorsam und sittsam erwiesen und den Ruf der Zunft nicht geschändet [habe] und er in seiner Arbeit und Haltung stets beispielhaft gewesen [sei] …“, gehört neben einer Viola und einer Bratsche des Meisters zu den besonderen Schätzen des Geigenbaumuseums Mittenwald. Das 1930 auf Initiative der städtischen Honoratioren ins Leben gerufene, in Deutschland einzigartige Themenmuseum wurde 2005 nach umfangreicher Renovierung wiedereröffnet.

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Beheimatet ist es in einem der ältesten Gebäude Mittenwalds, das zum Typus der Ackerbürgerhäuser zählt. So lassen auch die bunte, mit ortstypischer „Lüftlmalerei“ gestaltete Fassade, das große rundbogige Tor und die Fenster mit Läden zunächst an ein normales Wohnhaus denken. Bauersleute haben hier gewohnt und später mehrere Geigenbauer-Familien. Sie nutzten für ihr Handwerk den Arbeitsraum im Erdgeschoss, mit dem heute der Rundgang durch das Geigenbaumuseum seinen Anfang nimmt.

Authentischer als diese komplett eingerichtete Werkstatt kann eine museale Präsentation kaum sein, dabei nahezu gemütlich. Dass vor dem Kachelofen eine Leine mit Wäsche aufgespannt ist und ein Tisch mit Bank und Stühlen zum Sitzen einlädt, verdeutlicht das einst dichte Nebeneinander von Leben und Arbeiten. Gebaut, geschliffen und geschnitzt wurde an der Fensterfront, weil es dort am hellsten war. Das erforder‧liche Werkzeug ist in einem Wandschrank verstaut. Frische Holzspäne auf dem Boden der Werkstatt verraten, dass Florian Sander, Geigenbauer und Museumswart, wieder einmal sein Handwerk vorgeführt hat.

Weitere Räume mit Exponaten aus Handwerk und Kunst zeigen, was den Alltag der örtlichen Geigenbauer bestimmte, welches Brauchtum sie umgab, welchen Stellenwert der Glaube hatte und wie die Arbeitsschritte auf dem Weg zur fertigen Geige aussahen.

Eine wichtige Frage war natürlich der Absatz der Instrumente, der zeitweise von den Geigenbauern selbst besorgt wurde. Wie von dem 61-jährigen Franz Wakerl, für den noch 1830 ein Reisepass für ein Jahr ausgestellt wurde „behufs des Handels mit selbst verfertigten Geigen und Pinsel“. Franz Wakerl scheint um diese Zeit aber eine Ausnahme gewesen zu sein. Denn nachdem der Markt in den umliegenden Städten, Klöstern und Stiften gesättigt war, übernahmen bald Händler und Kaufleute und schließlich nach 1800 zwei Instrumentenverlage den für die Geigenbauer zu aufwendig gewordenen Vertrieb. Die Verleger ihrerseits forcierten die Massenherstellung. Als Folge davon arbeiteten viele Geigenmacher lange Zeit nur noch als Korpus‧macher, Schneckenschnitzer oder Wirbeldreher.

Woraus aber setzt sich nun eine Geige zusammen, wie muss man sich den Arbeitsablauf vorstellen, welche Materialien kommen zum Einsatz? Diese Fragen werden durch Schaukästen und verschiedene Mitmach-stationen beantwortet. Wie das Ergebnis schließlich aussehen kann, zeigen Dutzende Saiteninstrumente aus der Barockzeit sowie dem 19. und 20. Jahrhundert. Zu den prominentesten Vertretern der Mittenwalder Geigenbauer gehören neben Mathias Klotz selbst seine drei Söhne Georg, Sebastian und Johann Carol. Auch die Werke seines einstigen Musterschülers Andreas Jais können in dem Mittenwalder Museum begutachtet werden. Jais‘ Instrumente sind unverwechselbar und anders als die seiner Zeitgenossen immer eindeutig zuzuordnen, denn er schnitzte seinen Geigen, Bratschen, Celli, Gamben und Kontrabässen Löwenköpfe statt Schnecken.

Historische Filme zur Arbeit der Geigenbauer und zwei Sonderausstellungen im Jahr ergänzen die Dauerausstellung. Für Mitte 2012 ist die Einrichtung einer Hörebene geplant, mit der die unterschiedlichen Klänge der Saiteninstrumente akustisch erlebbar werden.

http://www.geigenbaumuseum.de

Ina Bahnschulte-Friebe

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