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Der mit den Tieren tanzt

Alfred Brehm und sein "Tierleben"

Der mit den Tieren tanzt
Alfred Brehm verstand es, Tiere so anschaulich und lebendig zu schildern, daß seine Geschichten auch im Zeitalter der elektronischen Medien noch fesseln. Der S. Fischer Verlag hat die schönsten Tiergeschichten Brehms, ausgewählt von Roger Willemsen, in einem neuen Band herausgebracht, versehen mit Illustrationen von Klaus Ensikat. Grund genug, Leben und Werk Brehms in Erinnerung zu rufen.

Eigentlich konnte Alfred Brehm gar nichts anderes werden: Seine gesamte Kindheit verbrachte der 1829 im thüringischen (Unter-)Renthendorf geborene Zoologe umgeben von Tieren. Brehms Vater war Pfarrer, aber seine ganze Leidenschaft galt der Ornithologie. Tausende von ausgestopften Vögeln zeugten im Pfarrhaus von dieser Leidenschaft. Dennoch kam Alfred Brehm erst über Umwege dazu, die Beschäftigung mit Tieren zu seiner Lebensaufgabe zu machen. Zunächst ging er nämlich bei einem Maurer in die Lehre und begann das Studium der Architektur in Dresden.

Die Wende brachte schließlich die Einladung des Vogelkundlers Johann Wilhelm von Müller, ihn auf einer Forschungsreise nach Afrika zu begleiten. Am 31. Mai 1847 brachen Brehm und der Baron auf, erst 1853 kehrten sie zurück. Die Expedition führte durch Ägypten, auf die Sinai-Halbinsel und in den Sudan. Schon in seinem Elternhaus hatte Brehm gelernt, Tiere zu präparieren, und dies gehörte, dem Zeitgeist entsprechend, auch zu seinen Hauptaufgaben während der fünfjährigen Afrika-Reise. Doch zugleich war er ein scharfer Beobachter der Tiere in ihrem natürlichen Lebensumfeld: „Ägypten war damals für mich eine neue Welt, jeder mir noch wenig bekannte Vogel ein köstlicher Fund“. Die Zusammenarbeit mit Müller verlief jedoch nicht reibungslos. Brehm war schon in jungen Jahren wenig diplomatisch und konnte durchaus grob werden, wenn er sich ungerecht behandelt fühlte.

Nach seiner Rückkehr 1853 nahm Brehm das Architektur-Studium nicht mehr auf, sondern begann in Jena Naturwissenschaften zu studieren. Dieses Studium schloß er nur zwei Jahre später mit der Promotion ab – als Dissertation hatte der 27jährige seine „Reiseskizzen aus Nordafrika“ vorgelegt. In den folgenden Jahren verband Brehm seine schriftstellerische und journalistische Tätigkeit mit ausgedehnten Reisen. Diese führten ihn bis an das Nordkap und, als Begleiter des Herzogs von Sachsen-Coburg und Gotha, nach Äthiopien. Dabei stand stets die Beobachtung der Tierwelt im Mittelpunkt. In seinen Zeitschriftenartikeln und Buchveröffentlichungen konnte Brehm daher überwiegend auf eigene Erfahrungen zurückgreifen, doch stand er auch im Austausch mit anderen Tierforschern, die ihm über ihre Arbeit berichteten.

Der Lohn für die breite Anerkennung Brehms als Forscher folgte 1862 mit der Ernennung zum ersten Direktor des Zoologischen Gartens in Hamburg. Dies war durchaus keine reine Verwaltungstätigkeit – Brehm sollte auch als Zoodirektor weiter reisen und vor allem darüber publizieren. So begann er 1863 mit der Arbeit an seinem „Illustrierten Thierleben“. Bis 1869 erschienen insgesamt sechs Bände. Damals stand Brehm bereits nicht mehr dem Hamburger Zoo vor. Von Anfang an hatte es Reibereien zwischen dem rauhbeinigen Forscher und dem Verwaltungsrat gegeben, der Brehm schließlich die Fähigkeit absprach, einen Zoo leiten zu können: Ihm fehle es an der „Fähigkeit der Menschenführung“ und „administrativem Talent“. Tatsächlich fiel es Brehm schwer, mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten, andererseits hatten die Mitglieder des Verwaltungsrats oft kein Verständnis für seine neuen Ideen, etwa wenn dieser eine artgerechte Haltung der Tiere forderte. Dies war ihm auch wichtig, als er 1869 die Leitung des Berliner Aquariums übernahm, eine Funktion, die er sechs Jahre lang innehatte.

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Im Anschluß nahm Brehm wieder eine ausgedehnte Reisetätigkeit auf. Zwei dieser Reisen unternahm Brehm zusammen mit dem österreichischen Kronprinzen Rudolf. Der Kronprinz hatte den Tierforscher 1873 bei der Weltausstellung in Wien kennengelernt. Rudolf war sehr an der Ornithologie interessiert und hatte daher den Kontakt gesucht. Zwischen dem Forscher und dem Kronprinzen entwickelte sich in der Folge eine enge Freundschaft, sehr zum Mißvergnügen des Wiener Hofs, wo man den Protestanten und Freimaurer Brehm nicht als geeigneten Umgang erachtete. Rudolf ließ sich davon nicht abschrecken und lud den Forscher zu „Adlerjagden nach Südungarn“ ein. „Ich habe bestimmte Nachrichten von vielleicht 20 Adlerhorsten und glaube, daß wir alle werden lernen können, wenn wir sie besuchen und fleißig dabei beobachten.“

Brehm sagte gern zu, und so ging es 1878 auf einem Dampfer, der – so Kronprinz Rudolf – „einen höchst bizarren Charakter erhalten hatte“, die Donau hinunter: „Das Verdeck strotzte von Waffen aller Art, von Büchsen und Flinten, von Kisten mit Munition; die vordersten Teile des Oberdecks waren belebt von einer ganzen Menagerie, bestehend aus jungen Adlern, jungen Uhus, Waldkäuzchen, meinem Uhu und meinen zwei Hunden; ferner stand daselbst ein großer Präpariertisch, an dem die Mannschaft … die schon fertigen Exemplare an der Sonne trocknete …“ Die ausgestopften Präparate sollten später in naturkundlichen Museen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Von der Reise zurückgekehrt, machten sich Rudolf und Brehm an die Arbeit: Der Kronprinz schrieb ein Buch mit dem Titel „Fünfzehn Tage auf der Donau“, in dem er, ganz im Sinn seines 30 Jahre älteren Mentors, in verständlicher Sprache seine Eindrücke von dem reichen Tierleben wiedergab. Und Brehm ging daran, die zweite Ausgabe seines „Tierlebens“ fertigzustellen. Zehn Bände erschienen bis 1879. Was „Brehms Tierleben“ so einzigartig machte, war neben den fesselnden Beschreibungen die reiche Illustration der Bände mit Zeichnungen von Gustav Mützel und Eduard Oscar Schmidt. Die Zeichnungen zeigen die Tiere in ihrem zum Teil exotischen Lebensumfeld; fast meint man, die Blätter rascheln zu hören. Dazu kamen Brehms Beschreibungen, bei denen man sich gleich mitten in Afrika wähnt, wenn er etwa den Gang des Leoparden schildert: „… bei seinen Bewegungen zeigt er sich in voller Schönheit. Jede einzelne ist so biegsam, so federnd, gewandt und behend, daß man an dem Tier seine wahre Freude haben muß … Da kann man nichts gewahren, was eine Anstrengung bekundet. Der Körper windet und dreht sich nach allen Richtungen hin, und der Fuß tritt so leise auf, als ob er den leichtesten Körper trüge. Jede Biegung ist zierlich, gerundet und weich: kurz, ein laufender oder schleichender Leopard wird für Jedermann zu einer wahren Augenweide.“

Doch in „Brehms Tierleben“ werden nicht nur exotische Tiere so bildhaft beschrieben. Ausführlich widmet er sich etwa den Hunden („Kein einziges Tier auf der ganzen Erde ist der vollsten und ungeteiltesten Achtung, der Freundschaft und der Liebe des Menschen würdiger als der Hund“), oder den heimischen Maulwürfen und Igeln. Den Charakter der letzteren beschreibt Brehm so: „Der Igel ist ein drolliger Kauz und dabei ein guter, furchtsamer Gesell, welcher sich ehrlich und redlich, unter Mühe und Arbeit durchs Leben schlägt. Wenig zum Gesellschafter geeignet, findet er sich fast stets allein oder höchstens in Gemeinschaft mit seinem Weibchen.“ …

Literatur: Alfred Edmund Brehm, Brehms Tierleben. Die schönsten Tiergeschichten, ausgewählt, eingeleitet und mit einem Nachwort versehen von Roger Willemsen. Illustriert von Klaus Ensikat. S. Fischer Verlag. Frankfurt am Main 2006. Zur Freundschaft mit Kronprinz Rudolf von Österreich: Brigitte Hamann, Kronprinz Rudolf. Ein Leben. Wien 2005.

Uwe A. Oster

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