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Der Unbestechliche

Maximilien Robespierre

Der Unbestechliche
Die Französische Revolution hat eine Reihe markanter Persönlichkeiten hervorgebracht, die jeweils einen Aspekt des Gesamtgeschehens tatkräftig mitgestalteten, mitunter auch repräsentierten, aber letztlich vom Räderwerk der Revolution zermalmt wurden. Für Robespierre paßt diese Typisierung nicht. Er verkörpert wie kein anderer den Geist der Revolution.

Den revolutionären Umbruch begleitete Robespierre von Beginn an, wußte seine Chancen richtig einzuschätzen, wurde nicht nervös, wenn andere, Gleichgesinnte wie politische Gegner, vorübergehend das Ruder übernahmen und plante seinen Auftritt für einen späteren Zeitpunkt. Hinter dem systematischen Regieplan dieses führenden Protagonisten der Revolution steckt die Logik eines Mannes, der leidenschaftslos warten konnte. Dieses mit Geschicklichkeit, Ausdauer und Hartnäckigkeit ausgestattete Talent war die Garantie für sein politisches Überleben. Während alle anderen Revolutionsführer entweder an der Aufgabe scheiterten, die Revolution zu beenden, oder ihr durch Radikalisierung eine Dauer zu verleihen, liegt Robespierres Verdienst darin, die Revolution verankert zu haben. Das gilt gleichermaßen für die Jahre 1793/94 wie für den Mythos. Der Tod Robespierres war auch der Tod der Revolution. Maximilien-François-Marie-Isidore Robespierre wurde am 6. Mai 1758 in Arras als Sohn eines Advokaten geboren. Er blieb bis zu seinem Tod unverheiratet. Die Haushaltsführung erledigte seine Schwester Charlotte. Wie im Falle Dantons durchlief der begabte Schüler, protegiert vom hohen Klerus und mit den besten königlichen Stipendien (Collège Louis-le-Grand) ausgestattet, die Bildungsinstanzen des Ancien Régime. Mit Vorliebe studierte er die Schriften Jean-Jacques Rousseaus, die ihn in seinem tugendhaften Emp-fin-den für Freiheit und soziale Gerechtigkeit bestärkten und ihn stark prägten. Vom Dritten Stand seiner Heimat-stadt als Abgeordneteter der Generalstände gewählt, nahm der klein gewachsene, sorgfältig mit Halstuch und der gepuderten Perücke des Ancien Régime gekleidete, von Ehrgeiz zerfressene Anwalt aus der Provinz in der verfassungsgebenden Versammlung (Constituante) seinen Platz ein.

Ohne als Redner und politischer Drahtzieher in Erscheinung zu treten, beeindruckte er sowohl durch Arbeitsdisziplin und prinzipientreue Gesinnung als auch durch pedantische Genauigkeit. Politisches Gewicht erhielt er, weil ihn die Versammlung ignorierte. Der Adressat von Robespierres Reden war die öffentliche Meinung, nicht seine Kollegen. Von diesen belächelt, sah er seine Aufgabe darin, die Sache der Menschheit, der Freiheit als Staatsbürger vor dem Tribunal des Universums und der Nachwelt zu verteidigen. Allein Mirabeau sagte ihm eine große politische Zukunft voraus: „Er wird es weit bringen, er glaubt alles, was er sagt.“ In der Tat sah der vom Führer der Constituante schmeichelhaft Ausgezeichnete die politische Zukunft der neuen, revolutionären Ordnung scharfsinnig voraus und trotzte zugleich allen Versuchen politischer Korrumpierung, was ihm bereits 1790 den ehrenvollen Beinamen des „Unbestechlichen“ eintrug.

Auf Antrag Robespierres vom 16. Mai 1791 erklärte die Constituante die Mitglieder der Législative (gesetzgebenden Versammlung) für nicht wiederwählbar. Zwar wurde mit diesem Dekret um den Preis der personellen Diskontinuität, die ihn selbst einschloß, ein wichtiger politischer Erfahrungsschatz geopfert, aber der Karriere des aufstrebenen Revolutionärs tat diese Entscheidung keinen Abbruch. Robespierres politische Bühne war in der Anfangszeit nicht die Nationalversammlung, sondern der Jakobinerklub. Hier, in der Umgebung von Gleichgesinnten, schulte er sein Redetalent, feilte an taktischen Finessen und zog die Fäden der Manipulation. Nebenher als Staatsanwalt am Pariser Strafgerichtshof tätig, wählte Robespierre die Tribüne des Jakobinerklubs als Forum für seinen politischen Aufstieg. Im wichtigen Korrespondentenausschuß des Klubs zunächst nicht vertreten, erschloß sich ihm diese radikale Instanz nach der Flucht des Königs. Diese Institution sollte fortan unter seiner Führung als Gegenmacht zur Nationalversammlung fungieren.

Robespierre besaß nicht die Redebrillanz eines Mirabeau, Barnave oder eines Danton. Seine Reden waren Predigten, Vorspiele zu einer säkularisierten Inquisition. In der Art ähnelten sie eher denjenigen Marats, aber dieser politische Sanguiniker war ihm als Person zu pathologisch, zu triebhaft, zu vulgär. Die Reden Robespierres dagegen waren eine politisch-moralische Macht. Unermüdlich variierte er das Thema der verfolgten Jugend und des unabwendbaren Triumphes des Verbrechens. Er sah sich als selbstloser Anwalt des Volkes, in dessen Namen er Ziele und Wege der Revolution propagierte. Das Mißtrauen Brissots versuchte er auf seine Weise zu zerstreuen: „Begreifen Sie doch, daß ich nicht der Verteidiger des Volkes bin… Ich bin einer aus dem Volk, ich bin nie etwas anderes gewesen, ich will nur dieses sein; ich verachte jeden, der den Anspruch erhebt, mehr zu sein.“ Persönlich achtbar und unbestreitbar rechtschaffen, konnte Robespierre mit der ungezügelten Kraft eines Mirabeau oder den Ausschweifungen eines Danton nichts anfangen. Sein Auftreten läßt sich charakterisieren als zwanghaft korrekt gepaart mit Steifheit. Er war gegen alles Spontane; Unordnung und Chaos machten ihm Angst.

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Von den annährend 650 kleinen und großen Reden, die er im Zeitraum vom Mai 1789 bis zu seiner Hinrichtung im Juli 1794 in der Nationalversammlung, im Konvent, im Jakobinerklub sowie in einzelnen Pariser Sektionsversammlungen gehalten hat, zählen die Reden gegen den Krieg (2. Januar 1792), im Königsprozeß (3. Dezember 1792) sowie die beiden politischen Grundsatzreden über die Prinzipien der politischen und religiösen Moral vom 5. Februar und 7. Mai 1794 zu den bekanntesten und gehaltvollsten. Immer wieder erklärte er die Tugend, worunter er die Liebe zum Vaterland und den Gesetzen verstand, zur obersten politischen Kategorie des „regenerierten“, von der Königsherrschaft befreiten Staatsbürgers. Nicht eigentlich als Akteur sui generis betrat er die Bühne, Robespierres Stärken lagen im Zuhören und Analysieren der Redebeiträge seiner Kontrahenten, um zu erfahren, was sie zu verbergen trachteten. Das wirkliche oder imaginierte Komplott und dessen Aufdeckung waren seine Lieblingsbeschäftigung. In seinem systematischen Argwohn lag auch eine weise Voraussicht. So entlarvte er die eigennützigen Motive des Kriegspropagandisten Brissot im Herbst 1791 ebenso wie er sich vehement der Dechristianisierungskampagne Héberts Ende 1793 entgegenstellte. Sein Argwohn war nicht punktueller Natur, sondern allgemein und permanent. Jede Handlung war in der Vorstellung Robespierres grundsätzlich verdächtig, weil sie auf die Billigung eines Sachverhalts hinauslief oder auf dessen Sanktionierung. Indem er das Gros der Aktionen seiner Umgebung unter das Signum eines universellen Verdachts stellte, entzog er der Revolution jede Form von Sicherheit. Robespierres Politik ging von der Prämisse aus, daß die Wirklichkeit nicht die Wahrheit abbilde, daß diese im Gegenteil undurchsichtig sei und sich ständig verberge. Was man sieht, ist nicht was ist.

Seiner Prinzipientreue und Standhaftigkeit zum Trotz, darf nicht übersehen werden, daß Robespierre ein feines Gespür für politische Konjukturen hatte. Am 9. August war er Monarchist, weil er der Republik mißtraute, am 11. August, nach dem Sturm auf die Tuilerien, plädierte er für die Republik. Robespierres großer Revolutionsauftritt begann mit der Wahl in den Konvent Anfang September 1792. Zusammen mit Marat und Danton führte er die Bergpartei an, während die Girondisten die Regierung stellten. Im November 1792 forderte er zusammen mit Saint-Just die Hinrichtung Ludwigs XVI. ohne juristische Verurteilung. Als er sich nicht durchzusetzen vermochte, stimmte er im Januar 1793 im Verlauf des Königprozesses für den Tod des Königs. Über die unterschiedliche Haltung im Prozeß gegen Ludwig XVI. und den damit zusammenhängenden außen- wie innenpolitischen Schwierigkeiten geriet er in Konflikt mit den Girondisten. Zum Kampf gegen den inneren Gegner suchte und fand er die Unterstützung der Sansculotten. Sturz und Verhaftung der Girondisten im Zuge eines von ihnen angezettelten Volksaufstands vom 31. Mai bis 2. Juni 1793 ebneten Robespierre den Eintritt in die große Politik. Damit war der politische Anspruch der Provinz, der den Föderalismus und Wirtschaftsliberalismus auf seine Fahnen geschrieben hatte, zerschlagen, alles wurde auf das Zentrum bezogen. Am 27. Juli 1793 trat Robespierre in den Wohlfahrtausschuß, der eigentlichen Revolutionsregierung, ein, dem er bis zu seinem Sturz am 9. Thermidor des Jahres II (27. Juli 1794) in leitender Funk-tion vorstand. Robespierre, der leidenschaftlich für das allgemeine Wahlrecht, anfangs für die politische, dann die soziale Demokratie eintrat, formierte die Bergpartei (Montagne) zu einem kampfkräftigen Instrument der revolutionären Regierung, die sich nacheinander erfolgreich gegen gemäßigte Kräfte (Girondisten) und radikale Elemente (Hébertisten) zur Wehr setzte…

Prof. Dr. Erich Pelzer

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Ara  〈m. 6; Zool.〉 Angehöriger einer Gattung südamerikan. Papageien mit langem, keilförmigem Schwanz [<span. <indian.]

flau|tan|do  〈Mus.; Vortragsbez. für Streicher〉 = flautato

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