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Die Macht der Symbole

Der Investiturstreit

Die Macht der Symbole
Der Investiturstreit war nicht zuletzt ein Kampf um Symbole. Durfte der König die Bischöfe mit Stab und Ring in ihr Amt einführen? Diese Frage war nicht nur in Canossa präsent – sie wurde zum Zeichen eines ganzen Zeitalters.

Verflucht sei der Mensch, der seine Hoffnung auf einen Menschen setzt! Bedenke außerdem, daß die Macht der Könige und Kaiser … vor den Rechten des Papstes und der Allmacht Gottes, des Allerhöchsten, wie Asche gelten und Spreu!“ Mit solchen Worten zog Papst Gregor VII. (1073–1085) gegen die „schändliche Angewohnheit“ der Laieninvestitur zu Feld. Aber es fragt sich natürlich, warum er das tat. Verbarg sich dahinter bloßer Machtwille? Oder ging es um mehr, nämlich um eine umfassende Reform der Gesellschaft?

Die Antwort führt uns bereits mitten in die Probleme des Investiturstreits hinein, denn der Gegensatz zwischen „Gesetz“ und reiner „Rechtspraxis“ zog sich wie ein roter Faden durch das Denken des Papstes. Christus habe nicht gesagt: „Ich bin die Gewohnheit“, sondern: „Ich bin die Wahrheit“, hat er einmal dazu bemerkt, und an anderer Stelle nannte er die Investitur ganz bewußt eine „alte und schlechte Gepflogenheit“. Der Grund dafür liegt klar auf der Hand: Am liebsten wäre es Gregor gewesen, wenn die Bischöfe – entsprechend den Normen des Kirchenrechts – von Klerus und Volk der betroffenen Ortsgemeinde gewählt und anschließend vom zuständigen Erzbischof geweiht worden wären. Auf der einen Seite standen für ihn also die geschriebenen Normen der Bibel, der Päpste und der großen Konzilien, auf der anderen Seite die nur durch ständigen Gebrauch legitimierte Rechtspraxis der Könige und anderer Laien, Bischöfe, Äbte und niedrigere Geistliche durch die zeremonielle Übergabe von Rechtssymbolen (wie Ring und Stab, Altartuch oder Glokkenseil) in die Verfügungsgewalt über Kirchen einzusetzen.

Um die Jahrtausendwende hatte man darin freilich noch gar nichts Verbotenes gesehen, ja, es wurde noch nicht einmal als anstößig empfunden, wenn die weltlichen Machthaber dafür von den Kirchen bestimmte Gegenleistungen (wie Naturalabgaben oder die Stellung von Panzerreitern) erwarteten. Der Anspruch auf „Laieninvestitur“ wurzelte nämlich im frühmittelalterlichen Eigenkirchenwesen. Jeder König und jeder Adlige glaubte, auf seinem Grund und Boden Kirchen errichten und bei der Bestellung ihrer Amtsinhaber mitwirken zu können. Die bei der Übergabe von Ring und Stab gesprochene Formel: Accipe – ecclesiam – „Empfange die Kirche“ brachte also zunächst einmal das Eigentumsrecht des Kirchenherrn zum Ausdruck; erst in zweiter Linie wurde darin ein Indiz für sein Mitspracherecht bei der fälligen Personalentscheidung erkannt. Allerdings steigerte sich die Kirchenhoheit der Laien im Lauf der Zeit ganz erheblich. So wurden Bischofssitze in Südfrankreich schon im frühen 11. Jahrhundert als frei verfügbare Vermögensobjekte des regionalen Lehnsadels behandelt. Auch in Burgund, der Normandie und der Bretagne waren es in der Regel Herzöge und Grafen, die die Investitur vollzogen. Im angelsächsischen England scheint die Investitur dagegen bis 1066 völlig ungebräuchlich gewesen zu sein, und in Italien waren es in der Regel regionale oder lokale Kräfte, die das Feld bestimmten. Nur in den „deutschen landen“ (diutsche lant) behauptete das Königtum ein faktisches Verfügungsrecht über alle Bistümer und die meisten großen Abteien. Unter Heinrich III. (1039–1056) führte die Vorstellung, der König gehöre aufgrund seiner Salbung nicht ausschließlich dem Laienstand an, daher sogar zu dem Anspruch, neben dem Bischofsstab auch noch den Bischofsring zu vergeben und sich massiv in die Absetzung und Erhebung von Päpsten einzumischen.

Diese flagrante Mißachtung des Kirchenrechts, das seit jeher deutlich zwischen Laien und Klerikern unterschieden hatte, rief recht bald den Widerstand religiöser Fundamentalisten hervor. Aber man kann nicht sagen, daß ihr Protest bereits von einer breiten Zeitströmung ge-tragen wurde. Zwar etablierte sich schon in der frühen Salierzeit die Grundidee, daß man die Menschen in drei Gruppen einteilen könne – nämlich in solche, die beten und für das Seelenheil der anderen tätig sind (oratores), solche, die kämpfen und die übrigen beschützen (pugnatores), und solche, die arbeiten und für den Lebensunterhalt aller sorgen (laboratores) –, dennoch stand Bischof Wazo von Lüttich (um 985–1048) noch ziemlich isoliert da, wenn er meinte, die Königssalbung berechtige nur zum Töten (das heißt zum Führen des Schwerts der irdischen Gerechtigkeit), während die Bischofsweihe die Menschen zum ewigen Leben führe.

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Gleichwohl war Wazos Gedanke, daß das Priestertum um soviel über dem Königtum stehe, wie das Leben über dem Tod stehe, durchaus zukunftsträchtig. Denn bereits Kardinal Humbert von Silva Candida (um 1010–1061) legte die Axt an die Wurzel des Eigenkirchenwesens an, als er in einem Traktat die Ansicht vertrat, die weltlichen Machthaber hätten durch die Investitur den von Papst Leo dem Großen (440–461) festgelegten Ablauf der Bischofserhebung auf den Kopf gestellt. Der zuständige Erzbischof, die ihm unterstellten Bischöfe und die betroffene Ortsgemeinde seien damit völlig entmachtet worden. Obwohl sogar die von einem Laien vorgenommene Taufe (beim Überleben des Täuflings) durch das Gebet und die Salbung eines Priesters ergänzt werden müsse, seien die Fürsten und Könige dazu übergegangen, eigenmächtig über das Sakrament der Bischofsweihe zu verfügen. Humbert stand mit seiner Meinung nicht allein. Auch wenn manches an seinen Ideen so radikal formuliert war, daß es bei den übrigen Reformern auf wenig Gegenliebe stieß, kann man ihn nicht mehr als einsamen Rufer in der Wüste bezeichnen. Im Gegenteil, schon auf der Lateransynode von 1059 wurden erste legislative Konsequenzen gezogen: Die von über 100 Bischöfen besuchte Versammlung verkündete, daß es künftig keinem Priester oder Kleriker gestattet sei, eine Kirche von Laien in Empfang zu nehmen, weder umsonst noch gegen Bezahlung.

Prof. Dr. Johannes Laudage

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