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Die Odyssee des achten Weltwunders

Das Bernsteinzimmer

Die Odyssee des achten Weltwunders
Rechtzeitig zum 300. Geburtstag von St. Petersburg haben russische Restauratoren das neue Bernsteinzimmer vollendet. Das ursprüngliche Kunstwerk dagegen, ein preußisches Geschenk an den Zaren, bleibt – allen Schatzsuchern zum Trotz – bis heute verschollen.

Die Entstehung des Bernsteinzimmers umgibt eine Fülle von Legenden. So wird eine Autorschaft des größten damaligen Baumeisters Andreas Schlüter genannt oder man liest, die Täfelung sei in Berlin gar nie verwendet worden. Neu entdeckte Dokumente und die kritische Sichtung der bekannten Fakten erlauben es heute, Licht in die Geschichte des Bernsteinkabinetts zu bringen. Bernstein war für die brandenburgischen Kurfürsten das kostbarste Material für Staatsgeschenke, seit sie 1618 das Herzogtum Preußen übernommen und mit der Souveränität 1660 auch das Bernsteinregal (das Eigentumsrecht an allen Bernsteinfunden) erworben hatten. Nur im späteren Ostpreußen gab es die großen Lagerstätten des “Goldes der Ostsee”, und so setzte bereits der Große Kurfürst Bernstein verstärkt für diplomatische Zwecke ein. 1651 etwa erhielt der dänische König Frederik I. einen Kron- und vier Tafelleuchter. 1678 wurde Kaiser Leopold I. ein großer Bernsteinsessel überreicht, und 1680 erhielt Ludwig XIV. unter anderem einen besonders großen Spiegelrahmen. Das Bernsteinzimmer markiert die unübertroffene Krönung dieses Zweiges der angewandten Kunst. Seine Entstehung fiel in eine Zeit, in der Berlin eine bis dahin nicht gekannte Blüte erlebte, die alle Bereiche des künstlerischen Lebens erfaßte. Da auch Kurfürst Friedrich III. vom “Bauwurm” befallen war, entwickelte sich Berlin in den 90er Jahren des 17. Jahrhunderts zu einem der prächtigsten Höfe in Deutschland. Die größten Anstrengungen galten der Neugestaltung des Berliner Stadtschlosses, das aus vielen älteren Bauteilen bestand. So erlangte Berlin um 1700 derartigen Ruhm auf dem Gebiet der Architektur, daß sogar Kaiser Leopold I. 1704 seinen Hofarchitekten Johann Bernhard Fischer von Erlach nach Berlin schickte, um sich “hof und berühmte gebäue” anzusehen. Ausbaupläne gab es auch für das kleine, 1695–99 errichtete Sommerhaus Lietzenburg (das heutige Charlottenburg), das der Königin gehörte. Gab ein Aufenthalt in der alten Bernsteinstadt Königsberg dem Königspaar (der preußische Kurfürsten erwarb die Königswürde 1701) die Anregung, in Lietzenburg ein Raumwunder in Bernstein schaffen zu lassen? Waren es große Bernsteinrahmen älteren Typs, die dem Königspaar in Königsberg überreicht worden sein könnten, die den Anstoß zur Schaffung eines ganzen Kabinetts gaben? Später finden wir sie jedenfalls als Herzstück des Bernsteinzimmers wieder. Oder steht die Idee, eine Wandverkleidung ganz aus geschliffenen, mosaikartig zugesammengesetzten Bernsteinplättchen zu gestalten, im Zusammenhang mit der Bewerbung des Bernstein- und Elfenbeindrehers Gottfried Wolfram, der wegen einer “Reduction” der Angestellten am dänischen Hof seine Anstellung verloren hatte? Dazu sind keine Dokumente bekannt. Viel spricht aber dafür, daß Königin Sophie Charlotte, eine ungewöhnlich hoch gebildete Frau mit vielseitigen Interessen, als mögliche Initiatorin in Frage kommt. In diesem Fall ist der Entwurf eines solchen Raums ohne Zweifel Johann Friedrich Eosander, dem bevorzugten Architekten der Königin, zuzuweisen. Eine künstlerische Urheberschaft Schlüters läßt sich jedenfalls auch stilistisch ausschließen. Es ist nicht belegt, wann Wolfram die Arbeit für die Bernsteingalerie in Charlottenburg übertragen wurde, vermutlich war es bald nach seinem Anstellungsgesuch im Herbst 1701. Im Sommer 1706 kam es zum Eklat zwischen Wolfram und Eosander. Wolfram soll sehr langsam gearbeitet und die Arbeit durch komplizierte Verzierungen verteuert und verzögert haben (die auf Holzpaneele montierten Bernsteinplättchen waren zusätzlich mit dekorativen Bernsteinschnitzereien besetzt). Auch wenn zwei Danziger Meister die Arbeit weiter führten, war die Charlottenburger Bernsteingalerie noch nicht vollendet, als der König beschloß, sie in eine noch größere Bernsteingalerie für sein prächtiges Schloß Oranienburg integrieren zu lassen…

Dr. Burkhardt Göres

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